Tanja Ochs

Berliner oder Faschingskrapfen, wie es im Fränkischen heißt, sind beliebt, zumal jene mit Eierlikör und Baileys. In einer Heilbronner Bäckerei jedoch blieben genau diese offenbar einer Kundin im Halse stecken. Wegen der aufgesteckten Pappmännchen in unterschiedlichen Kostümen und Hautfarben meldete die Frau die Berliner bei der Antidiskriminierungsstelle Heilbronn.

Daraufhin verschickte man dort am 30. Januar ein Schreiben an den Bäcker und forderte ihn auf, „das Dekorationsmaterial diskriminierungssensibel“ abzuändern, weil es sich „um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen und einer Geschichte von Unterdrückung und kultureller Aneignung“ handele.

Aktuell verziert der Bäcker die Berliner nicht

Nach einem Facebook-Post schlägt diese Reaktion hohe Wellen. Bäcker Ralf Herrmann versteht die Aufregung nicht: „Ich habe zuerst gedacht, das ist ein schlechter Witz.“ Berliner backt Herrmann regelmäßig, aktuell jedoch ohne Deko.

Und zwar weil die Firma Lieferschwierigkeiten hat, nicht etwa als Reaktion auf die E-Mail, die dem Bäcker ins Haus flatterte. Seit fast 25 Jahren betreibt Herrmann seine Bäckerei, die Faschingsdekoration ist seit Jahren dieselbe. „Ich habe niemanden rassistisch beleidigt“, sagt der Unternehmer. Die Aufregung sei lächerlich.

Derzeit machen dem Handwerker ohnehin ganz andere Sachen zu schaffen: Strom- und Gaspreise steigen, es mangelt an Nachwuchs und Fachkräften. Seiner Ansicht nach sollte sich die Antidiskriminierungsstelle um wichtigere Dinge kümmern als um seine Krapfen, sagt Herrmann. Deshalb sei es ihm auch wichtig, die Geschichte öffentlich zu machen. Viele seiner Kunden hätten mit Unverständnis reagiert.

Ist das die Aufgabe der Diskriminierungsstelle?

Herrmann sagt, wenn eine Figur auf einem Berliner zum Problem wird, könne man bald keinen Fasching mehr feiern. Das sieht Marion Rathgeber-Roth ähnlich. Die Heilbronner Stadträtin (Unabhängige für Heilbronn) findet das Schreiben der Antidiskriminierungsstelle (Adi) nach eigener Aussage nicht passend.

„Aus meiner Sicht hat die Adi eine andere Aufgabe.“ Nämlich die Beratung von Betroffenen, Unterstützung bei Teilhabe und Inklusion. Selbstverständlich solle die Stelle, die unter anderem von Stadt und Land finanziert wird, auch sensibilisieren, „aber doch nicht mit erhobenen Zeigefinger“, sagt die Kommunalpolitikerin.

Antidiskriminierungsstelle bekommt Hassmails

Bei der Antidiskriminierungsstelle beschwichtigt Mirjam Sperrfechter, Geschäftsführerin des Trägers Stadt- und Kreisjugendring, ebenfalls: „Es gibt sicher wichtigere Themen.“ Aber seit das Schreiben an den Bäcker bei Facebook veröffentlicht wurde, erhalte die Stelle Hassmails und Beschimpfungen.

„Die rechte Ecke instrumentalisiert das Thema“, erklärt Sperrfechter. Dennoch sei es ihre Aufgabe, Auslöser von Diskriminierung anzusprechen – im Falle der Berliner war das die Deko. „Wir weisen nur darauf hin“, so Sperrfechter. Rechtliche Konsequenzen gebe es keine. „Es geht darum, welches Bild wir vermitteln wollen, auch unseren Kindern.“

Bastrock und Knochen am Hals

Eine der Figuren war mit dunkler Hautfarbe, Bastrock und Knochen am Hals dargestellt. Das seien stereotype Bilder, heißt es im Schreiben an Ralf Herrmann. „Die Bilder, die dabei entstehen, haben nichts mit der realen Lebenswelt von Schwarzen und indigenen Menschen zu tun.“

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Auf Facebook sind die User unterschiedlicher Meinung. „Warum muss man denn immer gleich rassistisch oder diskriminierend denken???“, fragt eine Kommentatorin. Es seien einfach verkleidete Männchen, findet sie.

Eine andere Frau bedauert hingegen, dass sich wenige mit der Thematik auseinandersetzen, ein User spricht von „empörter Ekstase“, bei der die Masse ausraste, ohne zu hinterfragen. Ein anderer schlägt vor, auch gleich das Wort „Berliner“ zu verbieten, schließlich könnte es ein Hauptstadtbewohner missverstehen. Ein Kommentator wirft der Antidiskriminierungsstelle vor, sie sei „hypermoralisierend“.

Aufregung macht Bäcker Herrmann ratlos

Man wolle die Faschingszeit zu einem „unterhaltsamen und diskriminierungsfreien Erlebnis“ machen, schreibt die Referentin der Stelle, Bianca Kuhn. Für Gespräche stehe man jederzeit zur Verfügung. Persönlich gemeldet hat sich bislang niemand bei Ralf Herrmann. Er wisse auch nicht, wer die Meldung gemacht hat. Die Aufregung macht den 55-Jährigen ratlos: „Ich frage mich, ob wir keine anderen Probleme auf der Welt haben.“

Was der Hersteller der Back-Dekoration zu den Vorwürfen sagt, können Sie hier nachlesen.