In der Grundschule Hotzenwald in der Gemeinde Rickenbach (Landkreis Waldshut) arbeitet Monika Dannenberger seit dem Schuljahr 2020 als Lehrerin für Kunst und Musik. Dannenberger ist eigentlich ausgebildete Erzieherin, sie arbeitet seit 20 Jahren in einem Kindergarten.
Doch während des Lockdowns in der Coronapandemie, als die Schulen geschlossen waren und ihr Sohn die erste Klasse besuchte, wuchs Dannenbergers Interesse am Lehrerberuf: „Ich habe mich eingelesen, wie man die Motivation bei Kindern stärkt und ihre Begeisterung wieder weckt.“ So habe sie festgestellt, dass der Beruf Lehrerin sie sehr reizt. Sie rief beim Schulamt an und erkundigte sich nach den Voraussetzungen für den Beruf.
Verschiedene Wege führen zum Lehrerberuf
Sogenannte Quereinsteiger wie Monika
Dannenberger haben mehrere Möglichkeiten, in den Lehrerberuf zu starten. Das baden-württembergische Kultusministerium unterscheidet zwei Wege: den Direkteinstieg und den Seiteneinstieg.Bei einem Seiteneinstieg absolvieren Menschen mit abgeschlossenem Studium ein Referendariat, das auch bei regulären Lehrern zur Ausbildung gehört. Dieses Referendariat dauert in Baden-Württemberg 18 Monate.
Direkteinstieg an der Grundschule seit 2023
Direkteinsteiger absolvieren eine dreijährige berufsbegleitende Qualifizierungs- und Bewährungsphase. In der Qualifizierungsphase finden pädagogische Schulungen am Seminar statt, sowie Hospitationen, begleiteter Unterricht und Unterricht, der bereits selbstständig gehalten wird. Im Bewährungsjahr unterrichten Direkteinsteiger dann selbst.
Wie lange es diese Formen des Quereinstiegs schon gibt, unterscheidet sich je nach Schulart. An den Gymnasien wurde der Seiteneinstieg für die Fächer Physik, Chemie, Mathematik und Informatik im Jahr 2004 geöffnet. Der Direkteinstieg für Grundschulen und die Sekundarstufe eins wurde 2023 zum neuen Schuljahr eingeführt.
Auch ohne Studium kann man Lehrer werden
Doch es gibt auch noch einen dritten Weg – den von Monika Dannenberger. Denn auch für den Direkteinstieg ist ein abgeschlossenes Bachelorstudium eigentlich Pflicht. Eigentlich, denn Monika Dannenberger konnte aufgrund ihres Berufs als Erzieherin und diverser Fortbildungen sofort als Lehrerin arbeiten – sie hat kein Studium absolviert und kam somit nicht für den Direkteinstieg infrage.
„Durch den Erzieherberuf hieß es vom Schulamt, dass ich bereits ausreichend pädagogische Erfahrung hätte“, sagt sie. Somit fielen bei Dannenberger sowohl die pädagogischen Schulungen als auch die Hospitationen und der begleitete Unterricht weg.
Herausfordernder Start während Corona
Dannenberger hospitierte einen Tag lang freiwillig bei einer Kollegin an der Grundschule Hotzenwald. „Ich habe mir Notizen gemacht, habe mir Ideen abgeschaut und gesehen, wie der Ablauf einer Unterrichtsstunde funktioniert“, sagt sie.
Bereits einen Tag später stand Dannenberger dann das erste Mal selbst vor einer Klasse. Den ersten Tag erlebte Dannenberger als sehr anstrengend, vor allem wegen der Coronazeit. „Es war wirklich eine schwierige Zeit. Ich habe eigentlich keine Probleme mit Namen, aber durch die Masken sahen alle Kinder für mich gleich aus.“ Obwohl sie vom Kollegium der Grundschule Hotzenwald viel Unterstützung erfahren habe, hätte sie sich manchmal mehr Hilfestellungen gewünscht.
Großer Bedarf an Quereinsteigern
Dannenbergers Beispiel zeigt, wie eklatant der Personalmangel im Lehramt ist. „In den Lehrämtern Grundschule, Sekundarstufe eins und Sonderpädagogik gibt es generell einen Mangel an Lehrkräften“, sagt ein Sprecher des Kultusministeriums auf SÜDKURIER-Anfrage.
Daher ist der Bedarf an Quereinsteigern in diesen Schulformen besonders hoch: „Wir haben wirklich Personalmangel. Wenn wir die Quereinsteiger nicht hätten, könnten wir viele Fächer nicht anbieten“, sagt Sonja Dannenberger. Sie ist Schulkreisvorsitzende im Kreisverband Lörrach-Waldshut des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und mit Quereinsteigerin Monika Dannenberger verschwägert.
Ohne Quereinsteiger würde Unterricht nicht funktionieren
Laut Sonja Dannenberger ist der Lehrermangel besonders im ländlichen Raum ein großes Problem. Im Gebiet des Kreisverbands Lörrach-Waldshut arbeiteten derzeit mehrere hundert Quereinsteiger an den Schulen: „Ohne diese Quereinsteiger würde der Unterricht zusammenbrechen. Das gilt wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre.“
Eine Statistik über die Zahl der Quereinsteiger in Baden-Württemberg erhebt das Kultusministerium nicht. Der Quereinstieg sei laut Ministerium keine dauerhafte Lösung gegen den Lehrermangel. Doch die Realität sieht anders aus: „In den letzten Jahren hat die Zahl der Quereinsteiger deutlich zugenommen“, sagt Tim Fütterer. Er arbeitet am Hector-Institut für Bildungsforschung der Universität Tübingen.

Zahl der Quereinsteiger nimmt zu
Vor zehn Jahren habe der Anteil der Quereinsteiger unter den Lehrern noch bei circa fünf Prozent gelegen, derzeit bewege man sich zwischen zehn und zwanzig Prozent.
Monika Dannenberger besucht momentan ein Seminar, das der VBE für Quereinsteiger anbietet. Dort lernt sie die wichtigsten Grundlagen, die für den Lehrerberuf notwendig sind. Doch ausreichend sei das nicht, sagt VBE-Sprecherin Sonja Dannenberger: „Die wichtigsten Themen werden angesprochen. Aber wenn es etwa um Bereiche wie Schulrecht und Notengebung geht, muss an den Schulen oft nachgearbeitet werden.“
Ausbildung besonders im Grundschullehramt wichtig
Sie würde sich von Seiten des Ministeriums mehr Möglichkeiten für eine Weiterqualifizierung wünschen: „Es gibt so viele fähige Personen, deren Engagement wertgeschätzt werden muss.“ Wer den Seiten- und Direkteinstieg durchläuft, hat nach Abschluss der Bewährungszeit Aussicht auf eine Verbeamtung. Die gibt es für Monika Dannenberger nicht. Sie wird weiterhin als angestellte Lehrerin beschäftigt.
Bildungsforscher Tim Fütterer sagt, dass das Lehramtsstudium durchaus seine Berechtigung habe, gerade im Bereich der Grundschule: „In der Grundschule werden grundlegenden Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt. Es ist sehr problematisch, wenn diese Basis nicht ausreichend vermittelt wird.“ Die Ergebnisse der aktuellen Pisastudie würden zeigen, was es bedeutet, wenn diese Basis fehlt.
Quereinsteiger im Schnitt unzufriedener
Das Problem: Laut Fütterer gibt es aktuell nur vereinzelt Studien, die sich mit dem Thema Quereinstieg beschäftigen. Das mache es auch schwierig, die Unterschiede in der Unterrichtsqualität einzuschätzen. Wie gut die Quereinsteiger also auf den Beruf vorbereitet sind, lässt sich empirisch derzeit nicht belegen.
Vergangenes Jahr veröffentlichte das Hector-Institut für Bildungsforschung eine Studie, an der auch Fütterer beteiligt war. Die Studie untersuchte die Zufriedenheit von ausgebildeten Lehrkräften und Quereinsteigern. Fütterer und seine Kollegen kamen zu dem Ergebnis, dass Quereinsteiger oftmals unzufriedener mit ihrem Beruf sind. Das könne sich negativ auf die Unterrichtsqualität auswirken.
Keine Entlastungsstunden für Mentoren
Das Lehramtsstudium bereite auch mental auf den Lehrerberuf vor. „Man erfährt, was einen erwartet. Selbst studierte Lehrkräfte haben oft einen Praxisschock. Der muss bei Quereinsteigern noch größer sein“, sagt Fütterer.
An der Grundschule Hotzenwald bekommen Quereinsteiger wie Monika Dannenberger einen Mentor an die Seite gestellt – also einen erfahrenen Lehrer, der die neue Lehrkraft bei allen Fragen unterstützt. Doch dafür erhält der Mentor keine Entlastungsstunden, wie das etwa bei der Betreuung von Referendaren der Fall ist.
Erfolg hängt von der einzelnen Schule ab
„Das ist ein Teufelskreis“, sagt Bildungsforscher Tim Fütterer. Denn durch den Personalmangel seien die Lehrer ohnehin schon stark strapaziert. Oftmals hänge es von den einzelnen Schulen ab, wie erfolgreich der Start in den Lehrerberuf verläuft. „Wer in ein gutes Umfeld gerät, hat Glück“, sagt Fütterer. Das ist bei Quereinsteigerin Monika Dannenberger offenbar der Fall. Sie hat ihren Schritt in den letzten Jahren nie bereut: „Wenn man den Kindern sagen kann: Das habt ihr toll gemacht und die Kinder strahlen einen an, da geht mir das Herz auf.“
Bildungsforscher Tim Fütterer würde sich wünschen, dass es einen einheitlichen Weg von Seiten des Kultusministeriums gibt: „Wenn man den Quereinstieg als Strategie gegen den Lehrermangel einsetzen möchte, braucht es ein systematisches Konzept.“ Gebe es dieses Konzept nicht, müsse man sich fragen, wie ernst das Thema Bildung wirklich genommen wird.