180 statt der erwarteten 80 Gäste, darunter viele bekannte Gesichter: Als die Caserne am Dienstagabend mit dem Kulturpreis des Bodenseekreises ausgezeichnet wurde, waren unter anderem Bürgermeister Dieter Stauber, mehrere Stadt- und Kreisräte, alte Freunde und Förderer des Ortes wie Zeppelin-Chef Peter Gerstmann sowie der ehemalige Baubürgermeister Stefan Köhler dabei. Und natürlich Landrat Luca Prayon. Er forderte in seiner Ansprache dazu auf, Kultur den Stellenwert in der öffentlichen Debatte einzuräumen, der ihr gebühre. Prayon erinnerte an seine eigene Jugend, in der das Tübinger Sudhaus eine große Rolle gespielt habe – auch als Auftrittsort seiner „leicht fragwürdigen Rockband“.

Caserne wichtig für die Stadtgesellschaft

Überhaupt: Zwischen kreativen Programmpunkten waren die Redebeiträge authentisch, nah und immer wieder auch ganz spontan. Unter anderem für ebendiese Offenheit als Veranstaltungshaus und ihre Ermöglichungskultur wurden das Kulturhaus Caserne und der gleichnamige Kulturverein gemeinsam mit dem auf 5000 Euro dotierten Preis bedacht. „Das ist eine Mannschaftsleistung“, betonte der Landrat. Dass Kulturhaus und Verein wichtig für die Stadtgesellschaft sind, darüber waren sich an diesem Abend alle einig.

Landrat Luca Prayon betont die wichtige Rolle der Kultur.
Landrat Luca Prayon betont die wichtige Rolle der Kultur. | Bild: Lena Reiner

Laudatorin Friederike Lutz, heute Leiterin des Schulmuseums, lernte die Caserne in ihrer Anfangszeit in Friedrichshafen als Redakteurin kennen: „Ich hatte gleich die Befürworter und Bedenkenträger am Schreibtisch vor mir und am Telefon.“ Der Aufbau des Kulturhauses begann derweil mit einem Filmprojektor aus Berlin und den Kinosesseln aus dem ehemaligen Franzosenkino, dem Cinema im Karl-Maybach-Gymnasium. Als das 1994 geschlossen wurde, sicherten sich die Kulturhausgründer Claus-Michael Haydt und Frank Przybilla Projektor und Sessel und suchten nach einem Ort, um sie zunächst zu lagern. 1995 folgte der Gemeinderatsbeschluss für das Kulturhaus, 2001 wurde der Kulturverein gegründet, der heute 203 Mitglieder zählt.

„Hier besteht die Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln“

Die Caserne werde mehr und mehr zu einem soziokulturellen Zentrum, schilderte Lutz bei der Preisverleihung. Dessen Aufgabe sei es, Menschen selbstwirksam mitzunehmen: „Da geht nicht einfach ein Vorhang auf und die Show beginnt, sondern hier besteht die Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln, selbst zu gestalten, selbst zu spielen, selbst zu bewegen.“

Unter anderem die Zirkusakademie, geleitet von Andrea Sprenger, tritt bei der Preisverleihung im Casino auf.
Unter anderem die Zirkusakademie, geleitet von Andrea Sprenger, tritt bei der Preisverleihung im Casino auf. | Bild: Lena Reiner

Das sei gerade in der aktuellen Zeit besonders wichtig: „Unsere Demokratie holpert gewaltig, hier kann das Kulturhaus Caserne eine Möglichkeit für die Region und Friedrichshafen bieten. Hier ist der Trainingsort für eine lebendige Demokratie“, so Lutz. Hier könnten Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich einbringen, miteinander auseinandersetzen, die andere Haltung und Meinung erleben und auch aushalten lernen – „gemeinsam trotz mancher Differenzen an einem Projekt, einem Theaterstück, einer Zirkusperformance, einer Ausstellung arbeiten und sich zusammenraufen“.

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Zukunft für Kino Studio 17 und Club Metropol weiter offen

Auch wenn die an diesem Abend mehrfach zitierten Bedenken vor dem Ratsbeschluss 1995, die Caserne könne Drogenkonsum und Kriminalität am Fallenbrunnen fördern, längst der Vergangenheit angehören, gibt es auch aktuell Herausforderungen. Lutz sprach unter anderem das Kino Studio 17 an, das derzeit im Cinema am KMG stattfindet.

Kulturhaus-Geschäftsführer Claus-Michael Haydt führte auf SÜDKRIER-Nachfrage aus, dass sich seit der Schließung Juni 2020 aufgrund brandschutzrechtlicher Bedenken keinerlei konkrete Zukunftsplanung abzeichne. Ebenso unklar sei die Zukunft des Clubs Metropol, der aus den gleichen Gründen ebenfalls geschlossen bleiben muss. Dabei, das sei ihm wichtig, sei gerade der Club ein wichtiger Begegnungsort für Jugendliche gewesen. „Friedrichshafen hat sonst nichts in der Art zu bieten“, so Haydt. Das stehe der Stadt eigentlich gar nicht gut. Sein Wunsch sei, dass die zuständigen Gremien und die Stadtverwaltung sich der Sache nochmals annehmen.

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Der Schaffensdrang der Engagierten ist aber ungebrochen. Brigitte Meßmer etwa, die seit Kurzem dem Kulturverein vorsteht, hat sich von einer ehemaligen Schülerin inspirieren lassen. Deren Gesangstalent, das auch am Abend der Preisverleihung begeisterte, sei lange nicht gefördert worden. Nun wolle sie das Preisgeld nutzen, Kindern, die es nicht so einfach haben, Möglichkeiten zu geben. „Ich weiß auch aus meinem eigenen Leben, dass man sich mit Kunst und Kreativität eigene Räume schaffen kann, wenn es mal nicht so gut läuft“, sagte Meßmer.

Die anderen 2500 Euro will das Kulturhaus für den nächsten Kulturcampus verwenden. „Wir hatten im Dezember die Zusage der Bundesmittel, im Januar kamen dann die Streichungen“, erläuterte Haydt. Nun ermögliche das Preisgeld, dass das Programm mit mehr als 40 Künstlern dennoch stattfinden kann: „Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene können sich da an einem ganz breiten Spektrum an Kunst ausprobieren.“ Wie es sonst – gerade finanziell – weitergeht? Das bleibt an diesem Abend offen. Klar ist aber: Das Caserne-Team hat in den vergangenen drei Jahrzehnten schon zahlreiche Hürden überwunden.