Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten vom Waldrapp-Projekt am Bodensee. Die schlechte Nachricht zuerst. Eine Gruppe Jungvögel, die mit Leitvogel Limoncello ins Winterquartier in die Toskana aufgebrochen war, musste Verluste hinnehmen.
Drei Jungtiere einer sechsköpfigen Gruppe verstarben in einem Tal am Genfer See. Das bestätigt Anne-Gabriela Schmalstieg vom Waldrapp-Team.
„Limoncello wird zielstrebig in die Toskana fliegen“
„Eine gewisse Mortalitätsrate ist bei Zugvögeln zu erwarten, aber damit haben wir nicht gerechnet“, sagt sie. Die Todesursache selbst sei unklar und werde derzeit von den zuständigen Stellen ermittelt.
Die verbleibenden Vögel sind aktuell über Asti, nördlich von Genua. „Ich gehe davon aus, Limoncello wird zielstrebig in die Toskana fliegen“, prognostiziert die Mitarbeiterin des Waldrapp-Teams. Kurz vor der Herbstmigration verstarb auch der Waldrapp Silencio im Allgäu, erzählt Schmalstieg.
Zugdrang in südwestliche Richtung
Auf der anderen Seite stellt sich der Flug der Jungvögel, die im südfranzösischen Ruoms ausgesetzt wurden, als Erfolg heraus – allerdings aus unvorhergesehenen Gründen. Unter der Annahme, die Vögel haben in ihrem Zugdrang einen gewissen Süd-West-Vektor verinnerlicht, wurden sie in Frankreich ausgesetzt, damit sie weiter nach Spanien fliegen. Deshalb geht Schmalstieg davon aus, sie würden den Flug in Richtung Andalusien anstreben.
„Jungvögel verspüren im Herbst den Drang, irgendwohin zu wollen, dabei zeigt sich, dass es sie in südwestliche Richtung zieht“, erläutert die frühere Ziehmutter der Waldrappe. „Waldrappe brauchen ein Wintergebiet, da sie bei Wintereinbruch und gefrorenen Boden bei uns keine Nahrung mehr finden“, erklärt Schmalstieg.
Ohne Zugvogel ins Winterquartier
Etwa 150 Kilometer legen die Vögel laut Schmalstieg am Tag zurück. Bereits nach zwei Tagen erreichten zwei Vögel die spanische Grenze. Doch auch in der fünfköpfigen Gruppe starb ein Jungtier, ein weiterer Vogel gilt als vermisst. Auf Bildern der Gruppe ist er nicht mehr zu finden, vielleicht sei auch nur der Sender kaputt.
Und dann ist da noch Landi. Landi ist ein fünf Monate junges Weibchen, dem Schmalstieg zufolge nicht weniger als eine Sensation geglückt ist. Sie sonderte sich von der Gruppe ab, blieb erst in Ruoms und begab sich dann auf den Weg zurück in die Schweiz. Dort änderte sie abermals die Richtung und flog in südöstliche Richtung. Nun hat sie selbstständig den Weg über die Alpen gefunden. „Bisher dachten wir immer, dass Waldrappe einen Zugführer für den Flug ins Winterquartier brauchen.“
Waldrappe immer für eine Überraschung gut
Seit zwölf Jahren begleitet Anne-Gabriela Schmalstieg die Waldrappe in Überlingen. Doch von Landis Abenteuer ist sie überrascht. Landi ist nun in Italien, in Aosta. „Die Hoffnung ist, dass sie Artgenossen findet“, sagt Schmalstieg. Sie erwartet, dass Landi und die anderen Jungvögel frühestens in zwei Jahren wieder nach Überlingen kommen. Sie fügt hinzu: „Aber bei manchen Abenteurern weiß man es nie.“