Ursula Freudig

Viele Fotos von unzähligen Aufführungen haben sich im Laufe der Jahre angesammelt. Dela Funk (82), Irma Schuster (81) und Rita Maximilian (66) sitzen gemütlich auf dem Sofa und schauen sie sich an. Viele schöne Erinnerungen an umjubelte Theateraufführungen werden wach. Die drei Tiengener Urgesteine sind die ältesten Mitglieder der Theatergruppe der katholischen Frauengemeinschaft Tiengen, die seit 1980 jedes Jahr mit einer Komödie im katholischen Pfarrsaal auf der Bühne steht. Die letzen Aufführungen, gespielt wurde "Dem Himmel sei Dank", liegen erst wenige Wochen zurück und waren wieder ein Publikumsmagnet. Alle Vorstellungen waren ausverkauft. "Dass wir wieder jeden Abend 250 bis 260 Leute im Saal hatten, darunter auch viele Auswärtige, macht uns schon ein bisschen stolz", erzählt Dela Funk.

Jede der elf Frauen ist mindestens zehn Jahre dabei, die drei auf dem Sofa haben schon vor Gründung der Theatergruppe Bühnenerfahrungen gesammelt. "Wir sind eine tolle, lustige Gruppe, die richtig gut zusammen gewachsen ist", so Rita Maximilian. Ohne dabei zu verschweigen, dass beim Lustigsein auch das ein oder andere Gläschen, gefüllt mit Sekt, Schnaps oder Klosterlikör, die Runde macht. Etliche Flaschen werden von der ersten Probe bis zur letzten Aufführung geleert, aber immer mit dem nötigen Augenmaß. Nie wird über die Stränge geschlagen.

Topfit präsentieren sich die elf Frauen, die jüngsten sind um die 40, auf der Bühne. Ihr Spiel ist professionell und voller Elan. Ganze Arbeit wird auch immer bei den Masken und Kulissen geleistet. Der Friseursalon Sailer kümmert sich immer um das stilechte Aussehen der Akteurinnen und lässt sie je nach Rolle, auch um Jahrzehnte jünger aussehen. "So wie auf der Bühne sollten sie immer aussehen", hat mal jemand zu mir gesagt", erzählt Irma Schuster. Und fügt hinzu: "Um das zu schaffen, bräuchte ich jeden Morgen Spezialisten." Der Friseursalon ist es auch, der aus Frauen Männer macht. Das ist das besonders amüsante Markenzeichen oder wie die Frauen sagen, der Trumpf der Theatergruppe der Frauengemeinschaft: Kein einziger Mann steht auf der Bühne, alle Männerrollen übernehmen die Frauen. Noch bevor die "Männer" ein Wort sagen, reicht nicht selten allein ihr Anblick, um das Publikum zum Lachen zu bringen.

Dela Funk ist maßgeblich für die Auswahl der Stücke verantwortlich und liest schon mal an die 20 Komödien, bevor die richtige gefunden ist. "Ein Stück, das Frauen alleine spielen, darf nicht zu derb sein", sagt sie. Sie und Rita Maximilian spielen oft Männerrollen und wissen, worauf es ankommt. Ein Mann bewegt sich anders als eine Frau und die Stimme sollte möglichst tief sein. Oft werden die Stücke geringfügig zugunsten von etwas Lokalkolorit verändert. Bei "Dem Himmel sei Dank" etwa betete der Pfarrer inständig, dass seine "Verfehlungen" nicht das Schlimmste nach sich ziehen: Eine Versetzung nach Waldshut.

Tiengens neuer Pfarrer Johannes Gut hat die Premierenaufführung übrigens gesehen und hat wie alle, viel gelacht. Am Sonntag, am Ende der Messe, hat er der Theatergruppe sogar mit ein paar Worten seinen Respekt ausgedrückt. Das Stück passte perfekt zur Situation in Tiengen, hier wie dort wird Geld für anstehende Sanierungsmaßnahmen am Gotteshaus benötigt. Deshalb wird die katholische Frauengemeinschaft auch die Einnahmen aus den Vorstellungen und aus der Bewirtung – alles wird selber gemacht auch der viel gerühmte Wurstsalat – für die kommende Sanierung der katholischen Pfarrkirche spenden. Von ein paar tausend Euro gehen die Frauen aus. Einzige Gage für die Darstellerinnen ist ein gemeinsames Essen zusammen mit dem Vorstand der katholischen Frauengemeinschaft.

Ans Aufhören denkt niemand von den drei auf dem Sofa, obwohl das Auswendiglernen der Rollen mit den Jahren nicht einfacher geworden ist. Irma Schuster sind deshalb mittlerweile kleinere Rollen lieber als die großen Hauptrollen. Dela Funk, die früher zuhause kaum etwas tun musste, weil sie bei den Proben auf der Bühne in ihre Rolle hineinwuchs, muss heute nach ihren Worten, wie ein Schüler lernen. Und Rita Maximilian geht die Wochen vor den Aufführungen mit dem Probenbuch ins Bett. Gleich geblieben ist nach all den Jahren das Lampenfieber, bevor der Vorhang sich öffnet. Von Herzklopfen, trockenen Mündern und kalten Händen erzählen die drei Frauen. "Aber wenn wir dann auf der Bühne stehen und das erste Mal geschwätzt haben, ist es vorbei", meint Rita Maximilian.

Größere Pannen hat es bislang keine gegeben. Nur einmal, in einer Vorstellung in den Anfangsjahren, gab es einen Zwischenfall mit einem Wellensittich. Durch eine Ungeschicktheit hatte sich die Käfigtür geöffnet und der Vogel flog im Pfarrsaal herum, bevor er vollends verwirrt, wieder auf der Bühne landete. "Ich kroch unter dem Johlen der Zuschauer auf allen vieren zu ihm und hab' ihn mir geschnappt", erzählt Dela Funk. Seitdem kommen, sollte das Stück es vorsehen, nur noch Stofftiere zum Einsatz. Das Publikum tut immer das seine, damit die Frauen zur Höchstform auflaufen. Das Wechselspiel mit den Zuschauern beschränkt sich nicht nur auf den Tiengener Pfarrsaal. Die Theatergruppe, die in Albbruck einen großen Fanclub hat, steht alle zwei Jahre im dortigen Bernhardsheim auf der Bühne und im Tiengener Ali Theater wurde auch schon eine Sondervorstellung gegeben: 2015 war es, die Einnahmen wurden für die Sanierung des Kirchturms der evangelischen Kirche Lauchringen gespendet. Nach all den vielen Jahren ist die Lust der Gruppe am Theaterspielen ungebrochen. Gemeinsam werden die Frauen auch nächstes Jahr mit den Worten von Irma Schuster wieder doppelt Freude machen: Lachen schenken und karitativ wirken.