Es ist fast schon ein Supergau: 109 Bauarbeiter auf der Baustelle des Cano, dem neuen Einkaufszentrum in Singen, sind positiv auf das Coronavirus getestet worden. Fast 700 Tests wurden innerhalb von zwei Tagen durchgeführt – ein enormes Testaufkommen zusätzlich zu den normalen Tests im Landkreis Konstanz. Das stellt das Gesundheitsamt und das Landratsamt durchaus vor Schwierigkeiten. Denn jetzt geht die Kontaktnachverfolgung los. Kurzum: Stillstand auf der Baustelle, Hochbetrieb im Gesundheitsamt.

Viele Bauarbeiter aus Subunternehmen auf der Baustelle tätig

„Es ist eine ziemlich große Herausforderung für uns, aber auch für die Bauleitung“, sagt Landrat Zeno Danner auf SÜDKURIER-Nachfrage. Das Problem sei, dass auf der Baustelle nicht nur regionale Handwerker tätig seien, sondern auch teilweise Arbeiter aus anderen Regionen Deutschlands oder sogar aus dem Ausland. Nicht nur örtliche Betriebe haben in Singen gearbeitet, sondern auch Sub- oder sogar Subsub-Unternehmen. „Das ist etwas unübersichtlich“, erklärt Hannes Winterer, stellvertretender Leiter des Konstanzer Gesundheitsamtes.

Nur wenige Bauarbeiter sind auf der Baustelle noch anzutreffen. In der ersten Novemberwoche wird dort nicht gearbeitet. 109 Bauarbeiter ...
Nur wenige Bauarbeiter sind auf der Baustelle noch anzutreffen. In der ersten Novemberwoche wird dort nicht gearbeitet. 109 Bauarbeiter haben sich mit dem Coronavirus angesteckt. | Bild: Tesche, Sabine

„Die lokalen Handwerker sind leicht zu erreichen, weil man da eine Adresse hat. Schwierig wird es wirklich bei Menschen, die zum Beispiel in Berlin gemeldet sind und hier irgendwo untergekommen sind“, sagt Danner. Auch die ECE-Bauleitung wisse nicht immer, wo die einzelnen Beschäftigten untergekommen seien. Es sei jetzt Aufgabe der Bauleitung, die Adressen von den Betrieben und Subunternehmen zu erfragen. Zusätzliches Problem: Manche der Arbeiter aus dem Ausland seien schon in ihre Heimat abgereist, wie ein örtlicher Handwerker bestätigt.

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Seien die infizierten ausländischen Arbeiter aber in gemeinsamen Wohnheimen oder Wohngemeinschaften untergebracht, müsste man „im Zweifelsfall den gesamten Bereich absperren – ähnlich wie bei einem Flüchtlingswohnheim. Das ist denkbar.“, erklärt Danner. Das bedeutet: Isolation für Infizierte, Quarantäne für Kontaktpersonen ersten Grades.

Noch keine Auswirkungen auf Schulen und Kindergärten bekannt

Und wie wird mit den Familien der örtlichen betroffenen Handwerkern umgegangen? Werden diese auch in Quarantäne geschickt? Was ist mit Schulkindern? Dürfen diese Kinder weiterhin in die Klassen oder den Kindergarten? „Es gilt die ganz normale Regel“, erklärt Danner, „wenn ein Handwerker infiziert ist, dann ist im Normalfall seine Familie in Quarantäne zu nehmen.“ Sie seien Kontaktpersonen ersten Grades.

Kurios: Eigentlich sollte das neue Einkaufszentrum in Singen am 19. November eröffnet werden.
Kurios: Eigentlich sollte das neue Einkaufszentrum in Singen am 19. November eröffnet werden. | Bild: Tesche, Sabine

Man gehe diesen positiven Fällen nach, so gut es ginge, bestätigt auch Hannes Winterer. „Selbstverständlich: Wenn jemand infiziert ist, werden die Kontaktpersonen ermittelt – egal ob Kind oder Freunde. Und dann wird eine Quarantäneverfügung erlassen.“ Genaue Zahlen zu örtlich betroffenen Handwerkern und deren Familien hat Winterer auf Nachfrage nicht parat. Welche Auswirkungen das jetzt auf Kindergärten und Schulen im Landkreis Konstanz habe, könne man jetzt auch noch nicht sagen.

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Wurden die Hygienevorschriften eingehalten, Herr Landrat?

Aber warum haben sich immerhin 109 Bauarbeiter mit dem Virus angesteckt? Gibt es einen Superspreader? Wurden die Hygienevorschriften auf der Baustelle nicht eingehalten? Kann das Landratsamt dazu was sagen? Die Antwort von Landrat Danner auf die Frage des SÜDKURIER: „Ungern.“

Der Landrat hüllt sich in Schweigen und durchbricht es nur zaghaft: „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen die Antwort gebe. Ich glaube an der Stelle tue ich es einfach nicht. Ich weiß es auch nicht zu 100 Prozent. Es ist zu erwarten, dass bei einem hochinfektiösen Virus, wenn sich viele Leute auf engen Raum bewegen und davon welche infektiös sind, andere angesteckt werden. Das muss ihnen an dieser Stelle als Antwort genügen.“ Natürlich genügt die Antwort dem SÜDKURIER und seinen Lesern nicht. Aber auch nach mehrmaligen Nachfragen, wird die Antwort nicht deutlicher.

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Bauarbeiten können voraussichtlich kommende Woche wieder starten

Wann können die Bauarbeiten auf der Cano-Baustelle weitergehen? Wann sind die Beschäftigten wieder aus der Quarantäne und Isolation entlassen? Diese Woche ruht die Baustelle noch. Am Ende der Woche sei die 10-Tage-Frist für die Quarantäne bei vielen Handwerkern abgelaufen, sagt Danner auf Nachfrage des SÜDKURIER. „Dann geht es in die Abstimmung, wie man die Baustelle wieder hochfahren kann“, sagt er.

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Dies geschehe kommende Woche in Absprache mit der Bauleitung, dem Gesundheitsamt und der Gewerbeaufsicht, ergänzt Hannes Winterer. „Die Projektleitung hat jetzt ein neues Hygiene- und vor allem Testkonzept vorgelegt. Das prüfen wir gerade“, erläutert er. Konkret geht es um Schnelltests und Einlasskontrollen.