Sie gehen in Kürze in den Ruhestand. Freuen Sie sich auf das Ende Ihrer Laufbahn oder würden Sie gerne noch weiter aktiv bei der Bundeswehr mitmachen?
Andreas Schmand: Als ich das Schreiben bzgl. meiner Pensionierung erhalten habe, hab ich mich zunächst schwer getan. Dies lag daran, dass ich über 40 Jahre mit großer Leidenschaft meinem Land als überzeugter Europäer gedient habe. Es gab keinen Morgen, an dem ich aufgestanden bin und keine Lust auf den Dienst hatte. Darüber hinaus fühle ich mich körperlich und geistig noch absolut fit. Auf der anderen Seite war mein Privatleben natürlich eingeschränkt, auf Grund langer Abwesenheiten von zu Hause, der vielen Truppenübungsplatz-Aufenthalte, Lehrgänge aber auch Auslandseinsätze, sodass ich mich jetzt freue, meine private To-Do Liste abzuarbeiten und meine vielen Hobbies intensiver als bisher zu betreiben. Ich habe nicht geplant, weiter als Reservist zur Verfügung zu stehen, es sei denn, die sicherheitspolitische Lage erfordert dies. Das ich dann sofort zur Verfügung stehen würde steht außer Frage. Ansonsten sind jetzt erst mal die Jüngeren dran.
US-Präsident Trump will mit Putin einen Deal zur Beendigung des Krieges in der Ukraine abschließen – welche Folgen hätte ein solcher solcher Deal aus militärischer Sicht?
Andreas Schmand: Die Folgen der derzeit geplanten bilateralen Gespräche sind suboptimal. Präsident Trump führt mit dieser Vorgehensweise die Europäer aber auch die Ukraine vor und spielt Putin in die Karten. Das tut mir als überzeugter Transatlantiker sehr weh. Natürlich hätte spätestens seit dem Ausrufen der Zeitenwende durch Olaf Scholz am 27.02.2022 viel ernsthafter an einer Kriegstauglichkeit gesamtgesellschaftlich gearbeitet werden müssen. Viel zu viele Menschen in Politik und Gesellschaft glaubten, es gehe alles so weiter wie bisher bzw. es wird schon alles gut gehen. Die Ansage von Trump in seiner ersten Amtszeit, dass Europa mehr tun müsse, wollte niemand so richtig hören. Wir Soldaten wurden ja teilweise als Kriegstreiber hingestellt, wenn wir versuchten die sicherheitspolitischen Entwicklungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen anzusprechen. Denken sie nur an meine Neujahrsrede, die ja teilweise Empörung ausgelöst hatte. Das jetzt viele, nach der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance während der Münchner Sicherheitskonferenz schockiert sind, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wer dauernd schockiert ist, war vorher vielleicht nur zu faul, naiv oder arrogant, den Rest der Welt verstehen zu wollen. Auch die EU hat alles verschlafen, was sie spätestens seit 2022 hätte ernsthaft angehen müssen: eine gemeinsame Verteidigungsstrategie, neue Ausgabenprioritäten, Stärkung der Wirtschaft, weniger „Green-Deal“ und mehr Sicherheitspolitik nach innen wie nach außen.
Was bedeutet das nun konkret?
Andreas Schmand: Fakt ist, dass wir jetzt unter Hochdruck den europäischen Pfeiler der NATO drastisch stärken müssen. Ich hoffe, dass jetzt endlich alle 27 EU-Mitgliedstaaten bereit sind, nationale Egoismen abzubauen, um eine gemeinsame Verteidigungsstrategie aufzubauen. Optimal wäre eine europäische Armee um unsere großen Resourcen optimal zu nutzen. Nur so wären wir in der Lage, ein „global Player“ zu sein. Wir sehen gerade, dass die Welt sich neu ordnet und die USA Russland stärkt. Von daher glaube ich, dass wir deutlich weniger Zeit haben um unsere Verteidigungsbereitschaft hoch zu fahren, als ich in meiner Neujahrsrede kommunizierte.
Die Nato-Mitgliedsstaaten haben insgesamt einen zigfach höheren Wehretat als Russland. Warum sind wir gegenüber Russland angeblich nicht verteidigungsfähig?
Andreas Schmand: Wir sind gegenüber Russland verteidigungsfähig. Dafür sind wir da und haben einen Eid geschworen. Wir müssen aber vieles optimieren, wie bereits erwähnt. Unsere Motivation und unser Gefechtswert hängt aber auch im Wesentlichen von der Einstellung unserer Gesellschaften ab. Nur wenn wir Soldaten wissen, dass unser Tun von unserer Bevölkerung getragen wird, können wir die großen Entbehrungen die unser Dienst von uns verlangt auch wirklich tragen.
Und deshalb müssen wir der weiteren Spaltung unserer Gesellschaft, die ja auch im Rahmen der russischen hybriden Kriegsführung betrieben wird, entgegen wirken. Wir müssen endlich wieder zusammen stehen, nur so können wir unsere freiheitlich demokratische Grundordnung erhalten.[Schmand, Andreas] Darüber hinaus hoffe ich sehr, dass die Koalitionsverhandlungen ohne weitere ideologische Spielchen schnell zum Abschluss gebracht werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren und müssen politisch handlungsfähig sein. Beide Parteien müssen jetzt ihre große Verantwortung für unser Land erkennen.
Glauben Sie wirklich, dass Russland eine dauerhafte Bedrohung bleibt?
Andreas Schmand: Die Bedrohung wird größer werden. Davon bin ich überzeugt. Die Welt hat sich verändert. Während meiner Generalstabsausbildung 2002/2003 waren ein russischer und ein chinesischer Oberst bei der Ausbildung dabei. Das gibt es nicht mehr.
Aber Putin wird nicht ewig leben.
Andreas Schmand: Selbst wenn er stirbt, haben wir es mit einem Umfeld zu tun, das unsere demokratischen Gesellschaften zerstören will. Das muss der Bevölkerung klar sein und es muss der politische Wille vorhanden sein, dies zu verhindern. Viele Deutsche glauben, dass alles schon gut gehen wird.
Hätte die Nato ohne den atomaren Schutzschirm der USA eine Zukunft?
Andreas Schmand: Ich glaube, dass Präsident Trump den atomaren Schutzschirm der USA nicht aufkündigen wird. Darüber hinaus muss es legitim sein, dass wir Europäer uns über Alternativen Gedanken machen. Wir brauchen nicht nur eine europäische Armee, sondern auch eine europäische Rüstungsindustrie. Das würde viel Geld sparen, denn jedes Land leistet sich dieselben Strukturen.
Die Bundeswehr hat Personalmangel. Würde die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht dieses Problem teilweise lösen?
Andreas Schmand: Ich bin überzeugt, dass die Reaktivierung der allgemeinen Wehrpflicht notwendig ist und damit auch personelle Probleme lösen würde. Nur dadurch werden wir genügend Reservisten gewinnen und auch einen effektiven Heimatschutz aufbauen können. Ich selbst bin als Wehrpflichtiger eingezogen worden und wollte eigentlich in meinen erlernten Beruf zurückkehren. Die Attraktivität des Dienstes, die tollen Vorgesetzten, die ich als Wehrpflichtiger erlebt habe, die Kameradschaft, die Sinnhaftigkeit meinem Land dienen zu können, aber auch die Möglichkeit den Vergleich zu meinen zivilen Beruf ziehen zu können hat mich bewogen Soldat sein zu wollen. Wir müssen aber auch unseren jungen Menschen in der Gesellschaft vermitteln, dass Frieden und Freiheit niemals umsonst sind.
Sie bezeichnen die Staufer-Kaserne als einen der modernsten Bundeswehrstandorte in Deutschland? Was ist das Besondere?
Andreas Schmand: Das Besondere in Pfullendorf ist, dass wir auf der einen Seite eine unglaublich gute Ausbildungsinfrastruktur haben. Auf der anderen Seite stellen sich sehr leistungsfähige Menschen den Anforderungen die eine Ausbildung im Bereich der Spezial – und spezialisierten Kräfte mit sich bringt. Ich bin sehr stolz auf meine Soldaten, die große Entbehrungen auf sich nehmen und immer wieder ihre besonderen charakterliche Eignung unter Beweis stellen. Und – ohne Mampf keinen Kampf. Wir haben in Pfullendorf die beste Truppenküche und das beste Küchenpersonal des Deutschen Heeres. Das muss auch mal gesagt werden.
In Ihrer diesjährigen Ansprache beim Neujahrempfang haben Sie manche Besucher mit der Frage geschockt: „Können wir, können sie Krieg?“ Was haben Sie damit gemeint?
Andreas Schmand: Ich wollte einfach die Bevölkerung wachrütteln, in dem ich die sicherheitspolitische Situation dargestellt habe. Wir müssen, wie bereits erwähnt, endlich wach werden, und unsere Hausaufgaben machen, um weiter in Frieden und Freiheit leben zu können. Kriegstauglichkeit bekommen wir nur gesamtgesellschaftlich hin. Und wenn wir das gut machen, gibt es eine große Chance Putin abzuschrecken, weil wir ein unkalkulierbares Risiko für ihn wären.
Um die Demokratie wehrhaft zu verteidigen – reicht dafür die Aufstellung von Heimatschutzkompanien?
Andreas Schmand: Nein, Heimatschutz ist zwar sehr wichtig, aber nur ein Teil. Wir müssen Streitkräfte insgesamt denken bzw. weiterentwickeln und das wie bereits erwähnt im europäischen Rahmen. Ein ganz wesentlicher Teil ist die technoligische Entwicklung, die wir immer im Auge haben müssen. KI wird in sehr kurzer Zeit Entwicklungen für die Gefechtsführung hervorbringen, von denen wir nur vage Vorstellungen haben. Wir müssen innovativ sein und strategisch denken und handeln und das vernetzt in allen Politikfeldern bzw. Resours. Aber nochmal, das Wichtigste in meinen Augen ist der Zusammenhalt bzw. die Unterstützung unserer Bevölkerung. Wir bekommen die Kriegstüchtigkeit und die damit verbundene Abschreckung nur gesamtgesellschaftlich hin.
Im Ukraine-Krieg erleben wir zum einen den Krieg der Zukunft – sprich Drohnenkrieg – und zum anderen die archaisch anmutende Form des Schützengrabenkrieges wie im Ersten Weltkrieg. Hätten Sie eine solche Entwicklung erwartet?
Andreas Schmand: Ja, das eine hängt mit dem anderen Zusammen. Durch die enorme Weiterentwicklung im Bereich der Drohnentechnologie ist jede Bewegung auf dem Gefechtsfeld sofort aufklärbar. Und wenn man überlegt, dass eine billige Baumarktdrohne in der Lage ist, einen modernen Kampfpanzer oder Schützenpanzer zu zerstören und die Resourcen im Bereich der gepanzerten Fahrzeuge endlich sind, ist diese Entwicklung nachvollziehbar. Der alte Grundsatz „Schanzen spart Blut“ gilt ja immer noch. Dazu kommt m.E. die sowjetische Doktrin der Landkriegsführung, die auf beiden Seiten mehr oder weniger immer noch eine Rolle spielt. Ich glaube trotz allem, dass unsere Doktrin zur Führung von Landstreitkräften im Rahmen von verbundenen Operationen (joint Operations) auf der taktischen Ebene in einem dynamischen und komplexen Einsatzumfeld zielführend ist, wenn wir unsere Einsatzgrundsätze den technologischen Entwicklungen immer zeitnah anpassen.
Sie haben sich vor zwei Jahren bewusst für Pfullendorf als letzte Station ihrer Bundeswehrzeit entschieden. Haben Sie diese Entscheidung je bereut?
Andreas Schmand: Nein. Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Der Wille zur Leistung, das hohe Engagement meiner Ausbilder und Soldaten bringt jeden Tag viel Freude. Die unschönen Dinge, die natürlich auch bei uns passieren, sind dem unterzuordnen.
Wie werden Sie Pfullendorf, den Linzgau in Erinnerung behalten?
Andreas Schmand: Ich werde mich mit großer Sehnsucht an diese Zeit erinnern. Es sind die herzlichen Menschen, die ich kenne lernen durfte, aber auch die wunderschöne Region. Leider hatte ich nicht genügend Zeit, um die Gegend zu erkunden und Beziehungen zu vertiefen. Aber wenn Sie auf meinen Schreibtisch schauen, werden Sie eine Wanderkarte vom Donautal erkennen, in der ich schon Ziele markiert habe. Ich werde definitiv als Zivilist zurückkommen und das Versäumte nachholen. Sei es zu Fuß am Bodensee und im Donautal oder aber mit meinem Motorrad.
Fragen: Siegfried Volk