Huch, was klebt denn da? Wer am Dienstag, 10. Juni, morgens über den Platz vor der Stadtkirche spaziert ist, hat vielleicht entdeckt, dass an den Blumenkästen wohl über Nacht Protestschilder festgeklebt wurden. Die Blumenkästen dienen als Straßensperre rund um den Platz an der Stadtkirche und am Ende der Karlstraße und wurden Anfang Juni aufgestellt.

Bild 1: Protest per Blumenkübel: Wie ein Unbekannter die Donaueschinger Straßensperrungen kritisiert
Bild: Denise Kley

„Karlstraße – jetzt mit 100 Prozent mehr Stehverkehr und null Prozent mehr Umsatz“ steht da beispielsweise. Oder: „Wem die Realität im Weg steht, der stellt einfach Blumenkübel auf.“ Auch eine deutliche Kritik an der Verwaltung ist zu lesen: „Stadtplanung wie aus dem Baukasten – nur leider ohne Anleitung“, wohingegen ein anderes Schild mit einem Hauch Ironie die Vorteile für Fußgänger aufführt: „Willkommen in Donaueschingen – das neue Disneyland für Fußgänger.“

Wer ist dafür verantwortlich?

Der oder die Unbekannte hat jedenfalls keine Mühe gescheut: Sogar die Wort- und Bildmarke der Stadt wurde grafisch und textlich angepasst – aus „Donaueschingen am Ursprung“ wurde „Donaueschingen am Abstieg.“

„Karlstraße – jetzt mit 100 Prozent mehr Stehverkehr und null Prozent mehr Umsatz.“
„Karlstraße – jetzt mit 100 Prozent mehr Stehverkehr und null Prozent mehr Umsatz.“ | Bild: Denise Kley

Doch wer ist der unbekannte Schilder-Autor? Könnte ein Einzelhändler dahinterstecken, wie die Botschaften auf sachlicher Ebene vermuten lassen?

Nachgefragt bei Nadin Lorenz, Betreiberin des Vodafone-Shops und Vorsitzende beim Donaueschinger Gewerbeverein. Sie kann sich nicht erklären, wer für diese Protest-Aktion verantwortlich ist. „Ich habe davon nichts mitbekommen.“

„Autofrei – Umsatzfrei. Donaueschingens neuer Slogan.“
„Autofrei – Umsatzfrei. Donaueschingens neuer Slogan.“ | Bild: Denise Kley

Zweifellos ist jedoch, dass der Großteil der Einzelhändler rund um die Karlstraße nicht glücklich ist über die Entwicklungen in der Innenstadt: Sie gehörten im Frühjahr zu den schärfsten Kritikern der geplanten, temporären Verkehrsumleitungen, welche im Rahmen der Eventreihe „Donauquellsommer“ seit Anfang Juni gelten. Auch Anwohner beschwerten sich bereits vergangene Woche über mehr Verkehr in den Seitenstraßen.

Einkaufsführer mit Einwohner-Umfrage

Die Einzelhändler und Gewerbetreibenden haben nun in Eigenregie kurzfristig einen Einkaufsführer auf die Straße gebracht: Der mehrseitige Flyer mit einer Auflage von rund 2000 Stück bietet unter anderem eine Straßenübersicht der Innenstadt, in welcher Parkplätze und Einbahnstraßen markiert sind.

„Uns ist wichtig, dass uns die Kunden überhaupt finden und erreichen. Denn die Sperrung der beiden Plätze an der Stadtkirche und am Rathaus, zusätzlich flankiert von einzelnen Einbahnstraßenregelungen, ist für die Händler und Gastronomen existenzbedrohend“, so Lorenz.

Der Vorstand des Gewerbevereins mit den frisch gedruckten Einkaufsführern. Von links: Martin Böhm, Gerhard Werb, Nadin Lorenz, Stefan ...
Der Vorstand des Gewerbevereins mit den frisch gedruckten Einkaufsführern. Von links: Martin Böhm, Gerhard Werb, Nadin Lorenz, Stefan Baur, Antonio Laudani und Lisa Hug und Sabrina Carlini von SK One, welche den kurzfristigen Druck realisiert haben. | Bild: Denise Kley

Zudem hat der Gewerbeverein, der 120 Mitglieder zählt, eine Bürgerbefragung initiiert, an der jeder online mitmachen und sich dazu äußern kann, wie er zu den diversen verkehrsberuhigenden Maßnahmen in der Innenstadt steht.

„Unsere Angst ist, dass aus diesen temporären Maßnahmen eine langfristige Sperrung der Innenstadt resultiert“, zeigt sich Lorenz besorgt. Deshalb setzt sich der Gewerbeverein die nächsten Wochen dafür ein, dass ein Stimmungsbild der Bürger zeitnah eingefangen wird und die Ergebnisse der Verwaltung nach Auswertung vorgelegt werden.

Wie reagiert die Stadtverwaltung darauf?

Das Stimmungsbild, das sich an den Blumenkübeln zeigt, ist hingegen bereits eindeutig – und die Botschaften sind durchaus kreativ und humorvoll, wie auch Oberbürgermeister Erik Pauly sagt. „Das ist doch eine nette Idee, um seinen Unmut zu äußern – das erinnert an einen Maischerz.“

Das könnte Sie auch interessieren

Deshalb kommt der unbekannte Schilder-Autor ungeschoren davon, die Verwaltung sieht von einer Anzeige gegen unbekannt ab. „Wir werden das jetzt auf sich beruhen lassen.“

Bereits am frühen Dienstagmorgen gegen 8 Uhr entfernte der technische Dienst die Schilder an den Blumenkübeln.

Viel Lob, viel Beschwerden

Doch nimmt sich die Verwaltung die Botschaften auf der sachlichen Ebene zu Herzen und kann sie den Unmut nachvollziehen? „Letzten Endes steht hinter dem Donauquellsommer und den damit einhergehenden Verkehrseingriffen ein Gemeinderatsbeschluss“, so Pauly.

Oberbürgermeister Erik Pauly (von links), Bauamtsleiter Jochen Amma und Projektmanager Manuel Kienzler.
Oberbürgermeister Erik Pauly (von links), Bauamtsleiter Jochen Amma und Projektmanager Manuel Kienzler. | Bild: Daniel Vedder

Es habe viel Lob für die Veranstaltungen auf den nunmehr autofreien Plätzen gegeben, aber auch diverse Beschwerden von Anwohnern und Gewerbetreibenden, wie Pauly sagt.

„Ich kann nachvollziehen, dass sich einige darüber ärgern, dass sich die Verkehrsführung an der Karlstraße geändert hat“, zeigt Pauly Verständnis. „Jedoch traue ich den Donaueschingern durchaus zu, dass sie sich die nächsten Wochen an die temporären Verkehrsanpassungen gewöhnen werden.“

Eine Beobachtung, die bereits vonseiten der Stadtverwaltung gemacht wurde: Da der Durchgangsverkehr um die innere Kernstadt umgeleitet wird, kommt es am Cityring nun zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. „Besonders zu den Stoßzeiten“, so Pauly. Deshalb komme es auch vor, dass Verkehrsteilnehmer vermehrt über Seitenwege dem Cityring ausweichen möchten.