Sie war dem Fricktal schon seit 1968 versprochen, doch erst jetzt kommt sie: Am 11. August wird die neue kantonale Mittelschule, die Kanti, in Stein eröffnet, wenn auch vorerst nur in einer baulichen Übergangslösung. Damit kann jetzt auch im Fricktal die Matura, wie in der Schweiz das Abitur heißt, abgelegt werden.
Hat das auch Auswirkungen auf die benachbarte, deutsche Hochrhein-Schullandschaft? Ist die Neugründung attraktiv genug, auch deutsche Schülerinnen und Schüler über die Grenze zu locken, auf dass sie im Aargau ihr Abi machen? Wird jetzt die Zahl der Jugendlichen, die trotz Wohnsitz im Aargau deutsche Gymnasien besuchen, einbrechen?

Denn die gibt es – und das bereits seit Jahrzehnten. Am Scheffel-Gymnasium Bad Säckingen sind es im aktuellen Schuljahr 37, wohl überwiegend mit Wohnsitz in nahegelegenen Fricktaler Gemeinden, also genau jenen, die im Einzugsgebiet der neuen Steiner Kanti liegen. Am Hochrhein-Gymnasium Waldshut sind es derzeit 20 Kinder und Jugendliche, mehrheitlich mit Wohnorten im östlichen Kanton Aargau. Teils haben sie den deutschen Pass, teils den Schweizer.
Keine Schulgelder in Stein
Ihr Besuch ist unproblematisch, solange es in den deutschen Klassen noch freie Plätze gibt. Verboten wäre eine Aufnahme, wenn wegen Schülern aus der Schweiz neue Klassen gebildet und Lehrer eingestellt werden müssten. Aber dafür sind die Zahlen zu niedrig. Umgekehrt gälte das jetzt auch für die neue Kanti in Stein. Dazu teilt eine Sprecherin des Aargauer Bildungsdepartements mit: „Auch Schülerinnen und Schüler aus der Hochrheinregion können, sofern sie die Aufnahmebedingungen erfüllen und freie Kapazitäten vorhanden sind, eine Aargauer Mittelschule besuchen. Für den Schulbesuch selbst fallen dabei keine Schulgelder an.“

Doch die Sprecherin sagt auch: „Für die Kantonsschule Stein gab es keine Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern aus Deutschland.“ Unklar ist aber, ob es welche von Schülerinnen und Schülern gab, die aus Deutschland stammen, aber in der Schweiz wohnen. „Grundsätzlich“, so die Sprecherin, unterliegen diese dem Schweizer Schulsystem. Grundsätzlich wohl schon, doch das deutsche Gymnasium in Grenznähe bleibt als Alternative.
Eines weiß Bernd Rieckmann, Schulleiter des Scheffel-Gymnasiums: „Mir ist kein einziger Schüler bekannt, der auf August von uns nach Stein wechselt.“ Was auch gar nicht jeder könnte. Denn im Unterschied zum deutschen Gymnasium beginnen Aargauer Kantonsschulen wie die in Stein erst ab Klasse 9.
Vor der Kanti auf die Bez
Zuvor gehen Schweizer Kinder und Jugendliche in aller Regel auf die Bezirksschule (Bez). Sie werden aber nur für die Kanti zugelassen, wenn ihr Bez-Notendurchschnitt nach Schweizer Art mindestens eine 4,7 ist – im deutschen System also noch ein „gut“. Wer schlechter ist oder zuvor eine andere Schulform besucht hat als die Bez, muss für die Kanti eine Aufnahmeprüfung ablegen, die als schwierig gilt. In Deutschland gibt es diese Zwischenhürde nicht. Wer von der Grundschule aufs Gymnasium wechselt, kann – sofern die Noten stimmen – seine acht oder neun Jahre bis zum Abitur durchziehen, ohne nochmals wechseln zu müssen.
So wollen deutsche Zuwanderer in die Schweizer Grenzregion mit dem dortigen Bildungswesen teils erst gar nicht in Berührung kommen. Sie sehen für ihre Kinder eine rein deutsche Bildungslaufbahn vor – mit Kindergarten, Grundschule und Gymnasium jenseits der Grenze.
Manche Kinder deutscher Herkunft wechseln nach der inzwischen sechsjährigen aargauischen Primarschule auf Gymnasien in Bad Säckingen oder Waldshut. Weitere wiederum waren schon auf einer weiterführenden Schule in der Schweiz, hatten aber nicht die für die Kanti erforderlichen Noten oder fielen durch deren Aufnahmeprüfung.
Das sei „vielfach der Grund“, bestätigt auch Markus Funck, Schulleiter des Waldshuter Hochrhein-Gymnasiums. Er erzählt: „Tatsächlich ist bei uns die Anzahl der Anmeldungen aus der Schweiz ein wenig zurückgegangen.“
Dass dies mit der Kanti-Neueröffnung in Stein zu tun haben könnte, denkt er aber nicht. Vielmehr sei für ihn der Grund, „dass seit einigen Jahren viel weniger Deutsche in die Schweiz ziehen und ihre Kinder bei uns beschulen lassen wollen.“ Und auch Rieckmann geht davon aus, „weiterhin Schüler aus der Schweiz zu haben und dies aus unterschiedlichen Gründen.“