Manchmal ist irgendwie alles zu viel. Das kann die gute Laune sein – wenn jemand wie Mark Forster hundertprozentig positiv gestimmt über das Leben im Allgemeinen und Speziellen singt. Das kann aber auch der Weltschmerz sein, der einen überkommt, wenn ernsthafte junge Männer wie Tim Bendzko zum Mikrofon greifen. Zum Glück, möchte man sagen, gibt es da auch noch Max Giesinger, der in Sachen Musik den goldenen Mittelweg geht.

Aber, aber, mögen kritische Geister einwerfen, das ist doch so weichgespülter Pop, der keinem wehtut und den deshalb alle mögen. Mag sein, aber sicher ist auch: Kein deutscher Singer-Songwriter singt so schön über Gefühle wie der 30-Jährige Ex-Castingshow-Teilnehmer. Egal ob „80 Millionen“ oder „Zuhause“ – wenn er singt, fühlen sich alle verstanden. Nur: Wie macht er das bloß?

Erfolg und Misserfolg

Vielleicht ist die Antwort auf diese Frage schlicht: Giesinger hat‘s einfach drauf. Alles, was er erlebt hat, trägt dazu bei, dass er die Songs schreibt, die heute zielsicher in den Charts landen – das Aufwachsen als Einzelkind bei seiner Mutter, die Zeit als Straßenmusiker in Australien und Neuseeland, die Erfolge und Misserfolge.

Und Misserfolge hat er einige erlebt. Es ist doch so: Wer bei einer Castingshow mitmacht, der will auch gewinnen; und wer sich an der Popakademie Mannheim bewirbt, der will dort auch studieren. Beides hat nicht geklappt – aber man muss heute sagen: Das war auch besser so. Man merkt der Musik des Wahl-Hamburgers Giesinger an, dass er sich vielleicht nicht alles, aber doch vieles hart erarbeiten musste. Sein erstes Album finanzierte er per Crowdfunding. Nun erscheint das dritte, es heißt „Die Reise“.

Max Giesinger veröffentlicht mit „Die Reise“ bereits sein drittes Studio-Album.
Max Giesinger veröffentlicht mit „Die Reise“ bereits sein drittes Studio-Album. | Bild: Christoph Köstlin / BMG

Die aktuelle Single „Zuhause“ ist einer von diesen typischen Giesinger-Songs, mit denen sich viele identifizieren können. „Wenn sie tanzt“ gehört in die gleiche Kategorie, ebenso „80 Millionen“, Giesingers bislang größter Hit. Auf Platz eins hat erstaunlicherweise nicht mal der es geschafft – bei Platz zwei war Schluss. Vielleicht fehlt dem Sänger noch das entscheidende Quäntchen Entertainer-Qualität, wie sie zum Beispiel der ewig gut gelaunte Mark Forster hat. Andererseits macht genau diese leichte Zurückhaltung Giesinger so authentisch und gleichzeitig sympathisch.

Wenn der 30-Jährige „Zuhause“ singt, ahnt man, dass er sich ähnliche Gedanken macht wie andere in seinem Alter, plus/minus ein paar Jahre. Giesinger ist in einer Lebensphase, in der man beruflich dauernd Vollgas geben, immerzu wichtige Entscheidungen treffen muss. Bei ihm bedeutet das vor allem, ständig unterwegs und überall und nirgendwo zu Hause zu sein. 180 Konzerte hat er allein 2017 gespielt.

Aufbruch und Ankommen

„Das hat sicher auch zu einer Art Entwurzelung geführt, die ich auch hinterfragt habe“, sagt der Musiker. Man müsse eben mal innehalten. Heiraten, Kinder kriegen, ein Haus bauen – inzwischen macht er sich über so etwas Gedanken. Mit dem Wunsch nach einer Balance zwischen Aufbruch und Ankommen („Wann bin ich mal zufrieden?“) spricht er in „Zuhause“ vielen aus dem Herzen. So wie damals bei „80 Millionen“ und der Suche nach Liebe.

In „Die Reise“ singt Giesinger von seiner alten Clique und davon, was aus den Freunden von damals geworden ist. Man möchte Giesinger drücken und ihm sagen: „Danke, dass das endlich mal jemand in einen Song gepackt hat.“