Neues Regelwerk für Weihnachten – richtig oder falsch? Das sagen zwei SÜDKURIER-Redaktionsmitglieder.
Das ist richtig!
Dominik Dose aus der SÜDKURIER-Politikredaktion sagt:
Meine Großmutter ist 87 Jahre alt, mein Großvater ebenso. Jedes Weihnachten fällt der Satz: „Wer weiß, ob wir nächstes Jahr noch da sind.“ Der Gedanke wird in familiärer Geselligkeit ertränkt. Nur an diesem einen Tag im Jahr sammeln sich alle Söhne und Enkel und Enkelinnen um die Großeltern. Meinen Sie, irgendein Gesetz hätte das verhindern können?
Menschlichkeit siegt
Staatliche Vorgaben verlieren da ihre Wirkmacht, wo sie am Kern der Menschlichkeit kratzen. Kontaktverbote hätten dies getan. Wenn Risikogruppen aus freiem Herzen entscheiden, dass sie ihre Familie sehen wollen, dann haben sie darauf ein Menschenrecht. Und die Vernünftigen werden durch Selbstquarantäne, Abstand, Lüften, Masken, dennoch alles dafür tun, das Treffen möglichst sicher zu gestalten.
Corona ist nicht vorbei, das denkt weiterhin kein normaler Mensch. Dass die Politik ihnen den Freiraum lässt, ist nur richtig. Wird es Unvernünftige geben, die das ausnutzen werden? Ja, aber man kann nicht jedes Gesetz an den größten Quertreibern ausrichten.
Auch Freunde können enge Vertraute sein
Korrekt ist auch, die Freigabe nicht nur auf Familien zu beschränken. Nicht jeder hat familiäres Glück, für manche nehmen längst Freunde den Rang der engsten Vertrauten ein. Auch ihnen ist eine glückliche Weihnachtszeit zu ermöglichen, gerade in diesem schwersten Jahr der jüngeren Vergangenheit.
Unnötig ist freilich die Dauer der Lockerungen – vier, fünf Tage hätten gereicht. Eine Silvesterfeier in großem Kreis ist entbehrlich. Oma Gesellschaft zu leisten nicht.
Das ist falsch!
Mirjam Moll aus der SÜDKURIER-Politikredaktion hält dagegen:
Weihnachten ist Familienzeit, keine Frage. So dürften viele Deutsche denken. Doch in diesem Jahr sollte man genau das in Frage stellen: Muss es die ganz große Familienfeier sein, über Tage, in unterschiedlichsten Konstellationen? Wenn Oma und Opa, Onkel und Tante, Enkel, Cousinen, Eltern und Geschwister über die Feiertage verteilt zusammenkommen, sind die Folgen absehbar.
Als hätten wir nicht gelernt
Die zweite Welle hat Deutschland nicht überraschend getroffen – und doch agieren wir, als hätten wir aus dem Frühjahr nichts gelernt. Der halbe Lockdown ist kein Wellenbrecher, er hält die Welle auf hohem Niveau. Auch, weil wir es versäumt haben, mit belastbaren Zahlen Infektionsherde auszumachen und entsprechend zu handeln.
Falsche Sicherheit
Dass der private Raum privat bleiben muss und Regeln dort nicht zu kontrollieren sind, ist unstrittig. Aber den Bürgern deshalb eine falsche Sicherheit vorzugaukeln, in dem vorgegebene Regeln praktisch alles erlauben, was ein normales Weihnachten ausmacht, ist das falsche Signal.
Vorgaben, die Weihnachten auf die Kernfamilie begrenzen, hätten sicherlich wehgetan. Und sicher würden sich nicht alle daran halten. Aber es hätte dazu beigetragen, dass im Januar nicht alles dahin ist, was wir bislang erreicht haben: Das Gesundheitszentrum ist noch nicht komplett überlastet, aber schon jetzt personell und womöglich bald auch räumlich an seinen Kapazitätsgrenzen. Da auf die Eigenverantwortung der Bürger zu setzen, kommt einer Milchmädchenrechnung gleich.