Was hätte man bloß anders machen sollen? Diese Frage müssen sich Schweizer Regierungsvertreter seit einer Woche stellen, seit bekannt ist, wie hoch die US-Zölle gegen das Land ausfallen werden. Hätte anstelle von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter vielleicht Fifa-Chef Gianni Infantino mit seinem Duzfreund Donald Trump telefonieren sollen?
Hätte man ein Flugzeug mit goldenem Trump-Schriftzug bepinseln und dem US-Präsidenten persönlich zum Geschenk machen sollen? Hätte man dessen Familie ein paar exklusive Baugrundstücke zum Vorzugspreis anbieten sollen? Die bisherigen Erfahrungen mit Trump zeigen: Ja, vermutlich wäre all das erfolgversprechender gewesen, als das verzweifelte Betteln um bessere Bedingungen.
Zölle zunächst noch keine Katastrophe
Doch nun gelten seit Donnerstag Zölle von 39 Prozent auf US-Importe aus der Schweiz. Für das Land ist das, aller Unkenrufe aus der Wirtschaft zum Trotz, zunächst noch keine Katastrophe. Zwar geht fast ein Fünftel der Schweizer Exporte in die USA, doch die meisten Produkte sind auch außerhalb Nordamerikas gefragt und können ebenso gut woanders verkauft werden.
So wurden 2024 etwa Schweizer Uhren im Wert von rund 4,3 Milliarden Franken in die USA geliefert, doch das sind keine besonders preissensiblen Produkte. Ob die hochpreisigen Chronometer noch teurer sind als zuvor, spielt für die meisten Kunden kaum eine Rolle. Ähnlich verhält es sich beim Maschinenbau, wo Schweizer Industriebetriebe sich technisch so stark spezialisiert haben, dass für bestimmte Anwendungen kein Weg an ihnen vorbeiführt.
Gold macht mehr als die Hälfte der Exporte aus
Und dann ist da noch das Gold. Gemessen am Wert machte das Edelmetall im ersten Halbjahr 2025 mehr als die Hälfte aller Exporte aus der Schweiz in die USA aus. Gold im Wert von mehr als 40 Milliarden Franken gingen nach Übersee, und das, ohne dass in der Schweiz eine nennenswerte Wertschöpfung stattfindet. Meist wird es lediglich umgeschmolzen und weiterverkauft.
Dazu kommt, dass das Gold oft aus zweifelhaften Quellen stammt und unter menschenunwürdigen Bedingungen in Ländern wie der Elfenbeinküste oder Ghana gefördert wird. Auch aus Russland und seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs über dessen Nachbarländer gelangt weiterhin tonnenweise Gold in die Schweiz. Wer sich an dieser Lieferkette letztlich alles bereichert, ist völlig undurchsichtig. Der Schaden für den Schweizer Wirtschaftsstandort wäre aber marginal, wenn dieses Geschäftsmodell zum Erliegen käme.
Schweizer Franken hat an Wert zugelegt
Nichtsdestotrotz gibt es auch Gefahren, die aber weniger mit der Zollpolitik der US-Regierung zu tun haben. So hat der Schweizer Franken gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn etwa 14 Prozent an Wert zugelegt – auch das verteuert Schweizer Produkte in den USA.
Und Trump arbeitet weiter an der Entwertung seiner Währung, um wiederum die US-Exporte anzukurbeln. Dieses Gebaren ist nicht nur äußerst kurzsichtig, sondern geht zulasten der Verbraucher in den USA. Wo Waren teurer werden und Geld an Wert verliert, bleibt nicht mehr viel zum Leben.
Den allermeisten Schweizern wird es an nichts fehlen
Das musste die Schweizer bislang nicht kümmern, mit dem Zoll-Schock hat sich das aber geändert. Klar ist: Auch wenn sich die Folgen für die Schweiz in Grenzen halten werden, so verschärft sich mit der wirtschaftlichen Lage aber doch das politische Klima. Wo Arbeitsplätze wegfallen und die Staatseinnahmen sinken, entbrennen Verteilungskämpfe.
Es wird den allermeisten Schweizern auch weiterhin an nichts fehlen, aber schon ein geringer Wohlstandsverlust und die Demütigungen durch die USA werden sich bemerkbar machen. Und hier liegt die tatsächliche Gefahr dieses Konflikts, bei dem es um viel mehr als Außenhandel geht.
Engere Zusammenarbeit mit der EU wäre naheliegend
Die erfolgreichsten Exportgüter von Trump und seinen willfährigen Gefolgsleuten sind nicht Autos, Computerchips oder Rindfleisch, sondern gesellschaftliche Polarisierung und übersteigerter Nationalismus. Dafür sind sie Vorbilder bei rechten und autoritären Bewegungen auf der ganzen Welt – auch in der Schweiz. Dort steht man nun vor der Wahl, sich diesen Versuchungen hinzugeben, oder den komplizierteren Weg zu gehen und neue Partner zu suchen.
Eine engere Verzahnung mit der Europäischen Union wäre da nicht nur aus geografischer Sicht naheliegend. Noch vor Kurzem wären viele in der Schweiz bei dieser Vorstellung zusammengezuckt, heute wird der Ruf danach immer lauter. Wenn es noch einen Beweis dafür gebraucht hat, wie rasant Willkür und Unberechenbarkeit den Lauf der Weltpolitik verändern können: Unsere Nachbarn erleben es gerade am eigenen Leib.