Für die Nutzerin „Karin B“ war der Besuch bei „Nero Pizza & mehr“ in Überlingen eine Katastrophe. Eine Gabel habe auf dem Tisch gefehlt, auf die Rechnung habe sie lange gewartet und am Ende sei auch noch das EC-Karten-Gerät ausgefallen. Ob das alles so stimmt, lässt sich nicht nachprüfen. Dem Lokal gab sie auf dem Bewertungsportal Tripadvisor jedenfalls nur einen von fünf Sternen. Überglücklich war dort dagegen die Nutzerin „Regina Weinheimer“: „Das Essen war ausgezeichnet. Frische regionale Produkte die perfekt verarbeitet wurden“, schreibt sie – fünf Sterne bei Google.

Sie bevorzugen die persönliche Beschwerde

Ob negativ oder positiv, Rayk Keller und Petra Delfino haben immer im Blick, was Gäste über ihr Restaurant im Internet schreiben. Sie betreiben seit mehreren Jahren das Lokal in der Überlinger Turmgasse. Auf vielen Plattformen gehören sie aktuell zu den am besten bewerteten Restaurants in der Stadt. Dennoch sagen sie: „Online-Bewertungen sind Fluch und Segen.“ Als sie das Lokal übernahmen, profitierten sie beispielsweise von guten Bewertungen, die sich auf Tripadvisor erarbeiteten. „Da wir weniger Laufkundschaft als Restaurants am See haben, hat es uns sehr geholfen“, sagt Petra Delfino.

Petra Delfino und Rayk Keller betreiben das Restaurant „Nero Pizza & mehr“ in Überlingen.
Petra Delfino und Rayk Keller betreiben das Restaurant „Nero Pizza & mehr“ in Überlingen. | Bild: Cian Hartung

Dass Bewertungen für Gäste eine große Rolle spielen, kann sie verstehen. „Früher ist man ahnungslos in alle Lokale reingegangen, heute weiß man vorher Bescheid – schließlich lässt man auch viel Geld da.“ Ein Problem hätten die Betreiber aber mit aus ihrer Sicht ungerechtfertigter Kritik, wie beispielsweise bei „Karin B“. Ihrer Meinung nach sei der Besuch der Frau ganz anders abgelaufen, ändern können die Betreiber an der negativen Bewertung aber nichts mehr. „Wir versuchen immer, aus einer Kritik zu lernen, aber sowas hallt lange nach“, sagt Rayk Keller. Es sei besser, wenn Gäste ihre Unzufriedenheit direkt vor Ort ansprächen. „Für diese Konfrontation ist aber nicht jeder bereit.“

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Erfolgreich im Kampf gegen Fake-Kommentare

Bei Online-Bewertungen ist auch Horst Müller zwiegespalten. Er betreibt das Hotel „Zur Winzerstube“ in Hagnau und ist Kreisvorsitzender des Branchenverbands Dehoga. Er sagt: „Das Thema zu ignorieren, ist nicht möglich. Denn wer das tut, hat einfach weniger Gäste.“ Sowohl sein Hotel als auch das angeschlossene Restaurant sind aktuell gut bewertet, zeigt er. Um das Niveau zu halten, versucht er, Gäste zu Bewertungen nach dem Besuch zu ermuntern. „Das ist natürlich nicht immer so einfach, denn eher der unzufriede Gast schreibt Bewertungen.“

Horst Müller betreibt das Hotel „Zur Winzerstube“, das auch ein angeschlossenes Restaurant hat. Gleichzeitig ist er ...
Horst Müller betreibt das Hotel „Zur Winzerstube“, das auch ein angeschlossenes Restaurant hat. Gleichzeitig ist er Kreisvorsitzender der Dehoga. Das Restaurant betreibt ein externer Pächter. | Bild: Cian Hartung

Bei negativen Kommentaren versucht er, die Hintergründe zu verstehen. „Wir sind offen für Kritik, aber manchmal steckt hinter so einer Bewertung auch die Rache eines Gasts, dem wir es nicht Recht machen konnten.“ In solchen Fällen versuche er auf der Plattform eine Gegendarstellung zu schreiben. Müller habe auch Erfahrung mit Fake-Bewertungen gemacht, erzählt er. Während des zweiten Corona-Lockdowns habe ein Nutzer auf Google eine sehr schlechte Bewertung verfasst. „Der Mann war in dem Zeitraum nicht zu Gast, wir waren ja wochenlang geschlossen.“ Mit einem Anwalt konnte er über Google erwirken, dass der Kommentar gelöscht wurde.

Heute sitzt der Gast am längeren Hebel

Online-Bewertungen haben das Leben für Restaurantgäste vereinfacht – so sieht es auch Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dank Google oder Tripadvisor erhalten Kunden vor ihrem Besuch einen besseren Einblick in eine Lokalität, erklärt er. Früher saßen Gastronomen am längeren Hebel und der Gast erfuhr erst von einer versalzenen Suppe, als sie bereits auf seiner Zunge war. Heute wüssten Gäste davon oder Gastronomen müssten die folgende Kritik aushalten können.

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Dennoch haben Online-Nutzer auf den Plattformen keine Narrenfreiheit. „Die Kritik muss den Tatsachen entsprechen und darf nicht beleidigend sein.“ Wenn sie nachweislich falsch und geschäftsschädigend ist, kann das für Nutzer als falsche Tatsachenbehauptung strafbar sein, ebenso bei Beleidigungen. Bei Fake-Bewertungen lassen sich dagegen selten die Urheber ermitteln, sagt Buttler. Diese erkenne man aber daran, dass der Herkunftsort oft nicht zum Ort der jeweiligen Lokalität passe oder an auffällig kurzen Texten. „Sie schreiben einfach nur ‚Sehr gut‘ oder geben den Daumen-Emoji. Das ist nicht glaubwürdig.“