Anna Brodmann (19) steht seit sieben Jahren in ihrer Freizeit auf der Waldbühne in Sigmaringendorf. Sie hat also Erfahrung. Deshalb überträgt man ihr auch Hauptrollen. Etwa in diesem Jahr bei dem Theaterstück „Letzte Hoffnung Schweiz“. Hier erhielt Brodmann eine tragende Rolle.

Das Besondere an dieser Inszenierung: Es gibt keinen Text, den man auswendig lernen kann. Unter Leitung der Regisseurin Nadja Kiesewetter wird die Handlung mit einem historischen Hintergrund gemeinsam entwickelt. Jeder Schauspieler muss sich in seine Rolle hineindenken.

Flucht vor Not und Krieg

Das ist eine Herausforderung. Das Thema heißt Migration und Überlebenskampf. Es erzählt Geschichten von Frauen in Oberschwaben, die dem Mangel der Nachkriegszeit entfliehen wollten und vorübergehend in die Schweiz als billige Arbeitskräfte auswanderten. Die vorgetragenen Erlebnisse beruhen auf Erinnerungen von Frauen aus der Region.

Anna Brodmann als Wendy in dem Stück „Peter Pan“.
Anna Brodmann als Wendy in dem Stück „Peter Pan“. | Bild: Tanja Japs

Die Geschichte ist auch heute aktuell. Menschen verlassen aus Not oder wegen eines Krieges ihre Heimat, um sich in der Fremde eine bessere Zukunft aufzubauen. Immer noch ist die Einreise schwer und damals wie heute sind Zurückweisungen möglich. Lange Wartezeiten bis zur Erteilung der Einreisegenehmigung sind die Regel.

Es geht nicht ohne Emotionen

Die Herausforderung für die jungen Schauspieler ist, die Belastungen der Menschen glaubhaft darzustellen, sich in Großeltern hineinzudenken. Das geht nicht ohne Emotion. Die Jugendgruppe hat im Vorfeld Fachliteratur studiert und Zeitzeuginnen aus der Region befragt.

Theater spielen erfordert Disziplin, Durchhaltevermögen und viele verplante Wochenenden. Es ist nicht immer leicht, alles unter einen Hut zu bringen, zumal Anna 2023 an der Heimschule Kloster Wald ihr Abitur gemacht hat und parallel dazu eine erste Ausbildung zur Maßschneiderin stemmen musste.

Anna Brodmann als Gloria in dem Theaterstück „Der große Gatsby“.
Anna Brodmann als Gloria in dem Theaterstück „Der große Gatsby“. | Bild: Tanja Japs

„Es hat mich anfänglich Überwindung gekostet, mich zu trauen, bei der Waldbühne mitzumachen. Aber alle Darsteller sind wie eine große Familie für mich. Wir haben viel Spaß miteinander, und es entwickeln sich Freundschaften“, erzählt die junge Darstellerin.

Auch das Ehrenamt ist ihr wichtig

Nicht nur die Freude am Spiel steht im Vordergrund. Auch das Ehrenamt ist ihr wichtig. Leider können das viele ihrer gleichaltrigen Freunde und Bekannten nicht immer verstehen. Das zeigt sich auch an ihrem Dienst als Ministrantin, den sie mehr als zehn Jahre geleistet hat. Sie begleitete die Minis bis zu den Oberministranten und organisierte Freizeitaktivitäten.

Brodmann kritisiert, dass viele Kindern ohne klare Regeln und Prinzipien aufwachsen. Das liege primär an den Eltern. Bereits zugesagte Teilnahmetermine der Kinder wurden immer wieder kurzfristig abgesagt. Das erschwert die Organisation.

Mehr Anerkennung für Vereinstätigkeit

Dabei wäre die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln in unserer heutigen Zeit für die eigene Entwicklung doch so wichtig. Sie empfiehlt allen Jugendlichen, im Ehrenamt tätig zu werden, auch damit der Vereinstätigkeit wieder mehr Anerkennung widerfährt.

Jetzt absolviert Anna Brodmann eine Ausbildung zur Schneidermeisterin in Stuttgart. Wie es mit ihrer beruflichen Karriere weitergeht und ob es sie an eine Universität zieht, lässt sie noch offen. Aber eins ist sicher: so lange es ihr zeitlich möglich ist, möchte sie weiterhin auf der Waldbühne stehen. Das Naturtheater ist unter den Freilichtbühnen Süddeutschlands eine der idyllischen. Seit 1928 (außer in den Kriegsjahren) wird hier Theater gespielt.