Der Klettgau war ursprünglich eine Einrichtung Karls des Großen, der um 800 nach Christus das alte Alamannien in eben diese Gaue einteilte – er wurde von Tiengen aus von Wutach, dem Randen sowie dem Rhein umgrenzt. Er war viele Jahrhunderte ein fruchtbares, reiches Land und hatte auch hohen strategischen Wert. Diese Bedeutung, von der sich heute nichts mehr findet, ging ursprünglich auf die Römer zurück, die mit sicherem militärischen Blick hier den besten Zugang nördlich der Alpen nach Germanien feststellten. Die markante Straßenenge unterhalb der Küssaburg – die Passhöhe bei Bechtersbohl – war vor rund 2000 Jahren das Nadelöhr zwischen dem Römischen Imperium und Germanien.
Heute führt eine Landstraße in zwei Serpentinen aus der Klettgauebene auf die Anhöhe. Aus dieser Richtung kommend, lässt sich rechts eine doppelte Baumreihe beobachten. Der Name dieses Weges – „Heidengässle“ – weist auf die Zeit vor der Christianisierung. 15 vor Christus hatten zwei römische Armeen mit jeweils zwei bis drei Legionen (mehr als 30 000 Mann, dazu der Tross) zuerst die Alpenstämme unterworfen und danach das nördliche Alpenvorland bis zum Hochrhein unter ihre Kontrolle gebracht. Der Feldzug war kurz, laut Überlieferung kam es zu einem Seegefecht gegen Kelten auf dem Bodensee; die Spitzen der Armeen vereinigten sich bei den Donauquellen, die bis dahin den römischen Geografen noch unbekannt waren. Gesichert wurde jedoch vor allem die Hochrheinlinie und östlich die Verbindung zur Donau.
Das Unternehmen war Teil der Strategie des ersten römischen Kaisers Augustus. Nach dem vorausgegangenen Bürgerkrieg mit dem Sieg über Antonius und Kleopatra war das Ziel, die vernachlässigten Grenzen des Imperiums rund um das Mittelmeer zu sichern. In der Historie gilt dies als Defensive – Augustus wollte als Friedensbringer in die Geschichte eingehen. Von den Alpen aus hatte es immer wieder Überfälle und Plünderungen in Norditalien gegeben, doch verdeckte diese Begründung für den Feldzug einen Plan des Augustus: die Eroberung Germaniens. Caesar hatte 40 Jahre zuvor Gallien (das heutige Frankreich) erobert, doch fehlte der Zugang aus dem Süden. So setzte die westliche der Armeen über den damals noch schnell fließenden Hochrhein.
Die XIX. Legion errichtete auf der Gemarkung des heutigen Dangstetten – an Stelle des Kieswerks – ein festes Lager, das bis 9 vor Christus belegt blieb. Per Überlieferung ist das Lager nicht bekannt. 1967 – vor dem Kiesabbau – wurde der Heimatforscher Alois Nohl nach der Abtragung der Humusschicht auf Bodenverfärbungen aufmerksam und das „Legionslager Dangstetten“ wurde ausgegraben.
Aus den zahlreichen Funden lässt sich folgern, dass der Ort ein Hauptquartier mit der Präsenz wohl hochrangiger Persönlichkeiten war. Eine neu entzifferte Inschrift scheint zu belegen, dass der Römer Varus damals Kommandeur der XIX. Legion gewesen sein könnte – der Heerführer, der 18 Jahre später (9 nach Christus) mit seiner Armee in der Schlacht im Teutoburger Wald gegen die Germanen unterging. Nun ist die Frage, was die Aufgabe der sechs Jahre lang auf dem Gebiet von Dangstetten stationierten Legion und ihrer Hilfstruppen – unter anderem syrische Bogenschützen – gewesen sein könnte. In voller Besetzung waren es 6000 Mann.
Die Bevölkerung am Hochrhein war mit Sicherheit keltisch – ihre Kultur nördlich der Alpen bis in den Donauraum ist seit 800 vor Christus nachgewiesen. Es gibt im Klettgau ein Netzwerk von Höhenburgen, deren Ursprung keltisch sein könnte – in Teilen ausgegraben wurde eine Großsiedlung (Oppidum) bei Jestetten-Altenburg mit zwei erhaltenen Wällen, die beide Rheinschleifen abgrenzen und deren Innenbereich das heutige Rheinau umfasste. Die Stadt wurde beim Eintreffen der Römer zerstört – sie wurde nicht abgebrannt, sondern 'planiert', sodass in Verschüttungen vielerlei Funde gemacht wurden – auch ein römischer Militärbecher, der die Annahme der Zerstörung 15 vor Christus ausmacht.
Vermutlich hat die XIX. Legion das Land bis zur Wutach als Aufmarschbasis ausgebaut. Die Wutach („Wütende Aach“) war ein oft reißender Fluss, der beim Unterlauf (Wutöschingen-Lauchringen) damals das Gebiet versumpfte. Auf dem Plateau des Küssenbergs stand wahrscheinlich ein römischer Wach- und Signalturm. Der nächste, nach Norden vorgeschobene Turm befand sich ebenso wahrscheinlich an der Stelle des Bergfrieds von Schloss Hohenlupfen oberhalb Stühlingens. Die für den Bau ungewöhnlich mächtigen Fundamente sind noch heute im Tordurchgang zu sehen.
Dazu kamen – für differenziertere Mitteilungen oder Befehle – die Meldereiter, die über, in entsprechenden Abständen eingerichtete, Stationen die Pferde wechselten oder sich ablösten. Eine solche „Herberge“ soll sich im 1795 ausgegrabenen (und wieder zugedeckten) „Heidenschloss“ beim heutigen Heideggerhof nahe Geißlingen befunden haben.
Kommunikation und Straßenbau in der Antike
Systematisch ausgebaut war bereits 400 vor Christus das Signalturmsystem im Perserreich. Hier kamen auch Sonnenspiegel zum Einsatz. Noch während des Feldzuges ließ Alexander der Große die persische Technik übernehmen. Seine Nachfolger und vor allem die Römer entwickelten die Nachrichtenübermittlung weiter, im Mittelmeer auch mit Schnellseglern. Im 4. Jahrhundert nach Christus bauten die Römer am südlichen Hochrheinufer eine Linie von Wachtürmen in Sichtverbindung.
Auch am Hochrhein ging 15 vor Christus den Meldeeinrichtungen der Straßenbau voran. Dieser war im römischen Reich Grundlage für die militärischen Erfolge und hoch entwickelt. Die Wegeverbindungen waren jedoch von den Kelten bereits vorgespurt. Auffallend in der Region ist, dass sich an markanten Übergängen mehrfach Menhire befinden – bekannt ist der Stein auf der Anhöhe zwischen Erzingen und Degernau und der „Langenstein“ bei Tiengen an einem alten Wutachübergang. Nur spekulativ sein kann bei Bechtersbohl der Verdacht auf einen zurecht gehauenen Menhir als Sockel des Wegekreuzes vor dem Friedhof. Eine ähnliche Kombination befindet sich auf dem Höhenweg von Stühlingen nach Schwaningen bei der Kapelle. Diese Verbindungen wären damit jahrtausendealt.
Auch die Römer bauten somit nur einen uralten Weg aus, doch die über Bechtersbohl geführte „Heeresstraße“ war auf einer das ganze Imperium umspannenden Straßenkarte eingezeichnet, die in einer mittelalterlichen Kopie erhalten blieb. Diese in Wien liegende sogenannte „Peutingerkarte“ zeigt die Straße grafisch entlang des Schwarzwalds, der „Silva Marciana“ benannt ist. Auch die Namen unserer regionalen Römerstädte sind dort (und nur dort) zusammen mit einer Entfernungsangabe überliefert. Zurzach ist als „Tenedone“ und Schleitheim/Stühlingen als „Juliomago“ eingetragen, ihr Abstand beträgt „XIIII“ gallo-römische Leuggen (à 2,2 Kilometer) und entspricht somit 30,8 Kilometern.
Nachdem der Brückenkopf zwischen Rhein, Wutach und Randen noch vor der Jahrtausendwende eingerichtet war, scheiterte der von Gallien her geführte Versuch, Germanien bis zur Elbe zu erobern, 9 nach Christus im Teutoburger Wald. Diesen Fehlschlag hatte noch Augustus zu verantworten – sein Nachfolger Tiberius nahm die Front für die nächsten Jahrzehnte wieder auf die Rheinlinie zurück. Die eigentliche Eroberung Südwestdeutschlands fand erst im „Schwarzwaldfeldzug“ in den Jahren 73/74 nach Christus unter Kaiser Vespasian statt – es war hauptsächlich ein Straßenbauunternehmen: Die Heerstraße über Bechtersbohl und Juliomagus wurde nach Arae Flaviae (Rottweil) fortgeführt und kreuzte die Verbindung von der oberen Donau durchs Kinzigtal nach Straßburg (Argentorate).
Danach wurde Süddeutschland bis zum Main-Donau-Limes 150 Jahre lang römisch kultiviert – durch ein Netzwerk von Städten und auf dem Land von Gutshöfen. Die Region nördlich des Hochrheins war noch Jahrzehnte den in mehreren Wellen anstürmenden Alamannen entzogen. 260 nach Christus wurden die Lande bis zu den Alpen von ihnen verwüstet, doch 368 nach Christus bauten die Römer eine neue Steinbrücke zwischen Zurzach und Rheinheim. Es gab noch eine längere Koexistenz um die Flusslinie, bis sich die römische Militär- und Staatsordnung Mitte des fünften Jahrhunderts auflöste. Ungeachtet dieser Entwicklungen blieben die Straßenverbindungen erhalten – die alte Passstraße über Bechtersbohl wurde noch bis 1870 benutzt und erst dann von der heutigen Landstraße abgelöst.
Literatur: K. F. Wernet in: Heimat am Hochrhein, 1965/66; Jürgen Trumm in: Heimat am Hochrhein, 2002; Jürgen Trumm: Die römische Besiedlung des Klettgau; Jost Bürgi (CH) in: Die Römer am Hochrhein, 1984.