Auf dem Obsthof Pfleghaar in Ittendorf-Reute ist die Personalsituation angespannt. „Es geht grad so“, sagt Landwirt Erich Pfleghaar, „eigentlich haben wir genügend Mitarbeiter, aber von zweien sind Angehörige gestorben, sie mussten kurzfristig in ihre Heimatländer zurück. Bei einem kleinen Team von acht bis zehn Leuten ist das dann ein Problem.“

„Die körperliche Arbeit ist den meisten zu anstrengend.“
Erich Pfleghaar, Landwirt, Ittendorf-Reute

Da die ganze Familie, inklusive seinem Vater und seiner Mutter – beide über 80 Jahre – mit anpacken, gehe es trotzdem, sagt Pfleghaar. So schnell und kurzfristig würde er keine neuen Leute bekommen und Einheimische schon gar nicht. „Die körperliche Arbeit ist den meisten zu anstrengend“, sagt der Landwirt.

Erich Pfleghaar setzt zur Schädlingsbekämpfung bei den Erdbeeren Nützlinge ein. Er ist gespannt, ob Kunden die notwendigen ...
Erich Pfleghaar setzt zur Schädlingsbekämpfung bei den Erdbeeren Nützlinge ein. Er ist gespannt, ob Kunden die notwendigen Preissteigerungen akzeptieren werden. | Bild: Heike Gumsheimer

Pfleghaars Team kommt aus Osteuropa: Polen, Rumänien und Montenegro. Im Moment hat er mehr Frauen als Männer. „Das ist leider auch schwierig, denn für viele Aufgaben, zum Beispiel die Montage der Gewächshäuser, brauche ich Arbeiter, die Schweres halten können“, erklärt er. Den Frauen fehle dazu einfach die Kraft.

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Auf dem Bio-Obsthof Brielmayer in Markdorf-Riedheim ist die Situation aktuell entspannter. „Wir haben glücklicherweise genügend Erntehelfer“, sagt Karl Brielmayer. Seine Leute haben in den vergangenen Wochen die Bäume ausgedünnt, sind im Moment zurück in Polen und kommen Mitte August zur Ernte wieder, beschreibt der Landwirt seine Situation. „Die meisten von ihnen kommen seit vier, fünf Jahren und länger. Wenn einer nicht mehr kann, besorgen die anderen in der Heimat neue Arbeiter“, erklärt Brielmayer. Das habe bisher gut geklappt. Einheimische arbeiten auch beim Bio-Obsthof nicht mehr, wie Brielmayer erzählt.

Bio-Landwirt rechnet mit geringerer Marge

Was die Auswirkungen durch die Mindestlohn-Erhöhung angeht, ist Karl Brielmayer sehr gespannt. „Wir sind ein Bio-Betrieb, unsere Preissituation ist insgesamt ein bisschen besser, als bei normalen Betrieben, aber die Marge wird natürlich geringer und ich weiß noch nicht, ob sich das dann noch rechnet“, sagt der Landwirt.

Karl Brielmayer hat sich einer Marktgemeinschaft angeschlossen, dort wird abgerechnet, sobald eine Sorte verkauft ist. Das passiert mit einem Zeitversatz von fast bis zu einem Jahr, daher könne er erst im nächsten Jahr sauber beurteilen, wie sich die Preiserhöhungen auswirken werden und wie gut sich dann noch alles rechnet. „Es ist ja nicht nur die Lohnerhöhung, mit der wir klar kommen müssen, auch Dünger und Diesel kosten viel mehr. Das ergibt in Summe schon eine extreme Teuerung“, kalkuliert Brielmayer.

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Nach Brielmayers Erfahrung hat sich das Konsumverhalten in den vergangenen zwei Jahren auch stark verändert. „Insgesamt sparen die Deutschen stark bei den Lebensmitteln und weichen schnell auf günstigere, ausländische Produkte aus“, meint er.

Verkauf größtenteils über Hofladen

Erich Pfleghaar findet den Mindestlohn grundsätzlich gut, aber auch er ist skeptisch und fragt sich, ob der Konsument die Preissteigerungen akzeptieren wird. „Wenn ich die Lohnkosten umlege auf den Kilopreis zum Beispiel von Himbeeren, werden die Leute die Nase rümpfen. Wenn ich es selbst auffange, weiß ich nicht, ob sich das Geschäft noch rechnet“, sagt Pfleghaar. Bei Vertrieb über einen Großmarkt kann er sich nicht vorstellen, dass es sich noch lohnt. Pfleghaar allerdings verkauft den größten Teil seiner Waren im Direktvertrieb über seinen Hofladen.

Sorge, dass Mitarbeiter in Industrie abwandern

Noch seien seine Leute sehr loyal, erzählt Pfleghaar. Einer der Mitarbeiter ist seit 18 Jahren, zwei andere seit 15 Jahren bei ihm. „Sie gehören für mich zur Familie, aber wenn die Gehaltsschere zwischen Industrie und Landwirtschaft zu groß wird, reicht am Ende vielleicht auch die Loyalität nicht mehr“, beschreibt er seine Sorge angesichts der vielen Jobmöglichkeiten in der Industrie der Region. Erst im Herbst wird auch Pfleghaar final Bilanz ziehen können, wie sich die Mindestlohnkosten auf das Geschäft auswirken.