Zuweilen wähnt man sich als der Hauptdarsteller im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Darin spielt Bill Murray einen exzentrischen Wetteransager, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt: Den verregneten und lausig kalten „Tag des Murmeltieres“ in der Kleinstadt Punxsutawney in Pennsylvania, den er als Reporter besucht. So ergeht es zurzeit den Markdorfern, die seit einem knappen Jahr Tag für Tag denselben Blick auf den Stadtgraben haben: Eine Großbaustelle mit einem riesigen Kran, an dem sich Fußgänger und Verkehr vorbeiquälen, und auf der sich dem Augenschein nach nichts tut.
Dieser Anschein trügt natürlich. Es tut sich etwas auf der Baustelle, allerdings nur immer wieder mal und das im Schneckentempo. ‚Nadelöhr am Stadtgraben noch bis Mai‘ hatte der SÜDKURIER im Februar getitelt. Nun ist Mitte Mai und die Aussage war zu optimistisch, zum wiederholten Male an dieser Baustelle.

Bericht im Gemeinderat
Im Rathaus hat man angesichts des Dauerärgers längst einen dicken Hals. Über eine „sehr unerfreuliche Angelegenheit“ müsse er berichten, begann Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess unter dem Punkt „Verschiedenes“ seine Information an den Gemeinderat. Um das dicke Ende vorwegzunehmen: Geht es nach dem Bauherren, dürfte der Kran wohl noch weitere Monate bis in den Herbst hinein stehen bleiben.
Ein Novum in Markdorf: Dritte Verlängerung ist nötig
Dafür ist nun eine weitere Ausnahmegenehmigung zur Verlängerung der Baustelle nötig, die die Stadt erteilen muss. Es wäre sage und schreibe die dritte Verlängerung – solch einen Fall gab es in Markdorf noch nie. Geplant war im Juni vergangenen Jahres, dass das schmale Doppelhaus, das dort errichtet wird, zu Jahresbeginn 2025 fertig sein sollte. Tatsächlich ist die Geschichte der Baustelle jedoch eine voller haarsträubender Verzögerungen.
Hess versuchte nicht, sein Unverständnis über den Bauherren zu überspielen. Strenger Brandschutz, zusätzliche Erdbebensicherung, ein abgesprungener Holzbaubetrieb: Dies seien die Gründe, die der Bauherr für die fortwährenden Stillstandsphasen anführe, auch diesmal. Denn es sind auch dieselben Gründe, die vor den vorangegangenen Verlängerungen angeführt wurden. Bauherr sind ein Stuttgarter Architekt und sein in Friedrichshafen wohnhafter Bruder.

Der Stadt sind die Hände gebunden
Eine Ausnahmegenehmigung ist grundsätzlich befristet auf drei Monate. Die jetzige ist am 30. April ausgelaufen. Und der Stadt bleibt kaum anderes übrig, als eine weitere zu erteilen. Darauf wies Hess hin: „Eigentlich müssten wir jetzt unsere rechtlichen Möglichkeiten prüfen“, sagte er. Deshalb habe man sich ans Landratsamt gewandt, wo das dortige Straßenbauamt für die Baustelle zuständig ist. Die Antwort sei eindeutig gewesen: Die Stadt müsse eine weitere befristete Ausnahme gewähren, denn der Bauherr sei zwingend auf die öffentliche Straßenfläche angewiesen und er habe durch die gültige Baugenehmigung auch das Recht, seine Baustelle fertigstellen zu können. Dieses Recht, so Hess, überwiege das öffentliche Interesse an einer ungehinderten Nutzung der Straße. „Es ist ein Riesenärgernis, aber wir haben keine rechtliche Handhabe“, gestand Hess ein.
Bauherr lehnt kleineren Kran ab
Kann die Stadt überhaupt etwas machen? Wenig. „Wir können dem Bauherrn nur auf die Füße stehen und immer wieder vorstellig werden“, so Hess. Zudem müsse er nun nochmals eingehend begründen, weshalb er den großen Kran nach wie vor benötige.

Hier hakte auch FW-Rat Dieter Walliser ein. Ob man beim Bauherren nicht darauf einwirken könne, einen kleineren Kran einzusetzen. Dies habe die Stadt bereits mehrfach getan, entgegnete der Amtsleiter. Jedoch ohne Erfolg: Es heiße stets, der große Kran würde noch für schwere Lasten benötigt werden.

Bürgermeister: „Interessen der Stadt mit Füßen getreten“
Wie die Stimmungslage im Rathaus ist, verdeutlichte auch eine Aussage von Bürgermeister Georg Riedmann: Selten seien „die Interessen der Stadt so mit Füßen getreten“ worden. Angesichts dessen könnte man sich im Rathaus mal die Einführung einer Satzung für Sondernutzungsgebühren überlegen, sagte er. Dann wäre mit jeder Verlängerung eine Gebühr fällig.
Im Februar hatte der Bauherr auf Anfrage der Redaktion noch mitgeteilt, er hoffe auf ein Richtfest noch im Mai. Dazu wird es sicherlich nicht kommen. Im Gegenteil: Die nun nötige dritte Verlängerung dürfte nicht die letzte gewesen sein. Sie würde Ende Juli wieder auslaufen. Aktuell sieht es aber eher danach aus, dass die Baustelle wohl noch bis in den Herbst hinein bleiben wird.