Ein Jugendhaus ohne Kinder und Jugendliche? Eigentlich unvorstellbar. In der Zeit des Lockdowns wegen der Corona-Pandemie Mitte März war das in den Jugendhäusern in Singen Realität. Auch im Blauen Haus in der Singener Innenstadt. „Es war ja am Anfang so, dass für Jugendhäuser keine Verordnungen gab“, berichtet Jugendhausleiterin Selina Brix. Die Mitarbeiter hätten in der Zeit versucht, mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben und haben unter anderem Kreativpakete nach Hause gebracht. Mitte Juni durften dann wieder Kinder unter Einhaltung des Hygienekonzepts kommen. „Das war einfach schön, als die Kinder wieder reingestürmt sind und Leben im Haus war“, erinnert sich Brix. Die Kinder seien einfach sehr dankbar gewesen, dass wieder etwas angeboten wurden. Auch in den Betreuungswochen der Sommerferien waren die Kinder begeistert und konzentriert bei der Sache.
In die Hausaufgabenbetreuung von 13 bis 15 Uhr dürfen derzeit zwölf angemeldete Kinder der Ekkehard-Realschule kommen, die in zwei Gruppen Mittag essen und Hausaufgaben machen. Es gilt wie in der Schule Maskenpflicht. Ab 15 Uhr sind dann wieder zwölf Plätze zu vergeben. Je vier Kinder und Jugendliche dürfen sich in einem Raum aufhalten: Es gibt den Musikraum, den Mädchenraum, die Werkstatt, den Matten-Raum und den Boxautomat, der heiß begehrt ist. Vor Corona kamen rund 50 Besucher pro Tag ins Jugendhaus. Der Treff am Nachmittag ist offen. „Wir haben viel versucht. Anfangs mit Anmeldung, aber wenn die Kinder sich dann nicht abgemeldet haben, war der Platz nicht besetzt und das war schade für die, die gern gekommen wären“, so Brix. Es sei für die Mitarbeiter sehr frustrierend, wenn sie jemand abweisen müssten. Für diejenigen, die dringenden Gesprächsbedarf haben, gibt es „Das offene Ohr“. Das ist ein Fenster im Jugendhaus, an das geklopft werden und auch ein Termin für ein Einzelgespräch vereinbart werden kann. Das werde bisher selten genutzt, erklärt Brix. Ihr sei aber bewusst, dass viele Kinder und Jugendliche, die Probleme haben, sich zurückziehen und keine Hilfe suchen. Wenn die Mitarbeiter im Jugendhaus merken, dass ein Kind Probleme in der Schule hat, informieren sie mit dessen Einverständnis die Schulsozialarbeit, die wiederum Kontakt mit den Eltern aufnimmt. „Wir sind da immer in einem guten Austausch“, so die Jugendhausleiterin.
Und wie geht es den Kindern und Jugendlichen mit den Einschränkungen? „Wenn die Verhältnisse Zuhause schwierig sind, wissen viele nicht wohin“, erklärt Brix. Viele Familien lebten in beengten Verhältnissen. Durch Kurzarbeit und geschlossene Schulen waren plötzlich alle Zuhause: „Das zehrt an den Nerven.“ Gerade Jugendliche müssten dann raus und dass sie sich derzeit nicht gemeinsam zum Fußball oder Basketball spielen treffen dürften, würden viele nicht verstehen. „Wir sagen: Das sind die Regeln, auch wenn sie nicht immer nachvollziehbar sind“, sagt Brix. Diese Regeln werden im Jugendhaus von den Besuchern bereitwillig eingehalten.
Kinder sind extrem dankbar
Gerade die Jüngeren könnten oft gar nicht benennen, was die Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung mit ihnen machen. Sie seien nur total froh, im Jugendhaus gemeinsam spielen und turnen zu dürfen. „Mich hat zum Beispiel gewundert, was es mit den Kindern macht, dass sie in der Schule nicht mehr singen dürfen“, erzählt Brix. Deshalb würden sie oft für sich singen, wenn sie im Jugendhaus unterwegs sind. Auch die Kontaktaufnahme unter Jugendlichen sei erschwert: Jungs würden gern Mädchen kennen lernen und umgekehrt. Vielen fehle die körperliche Nähe einer Umarmung.
„Ältere Menschen schützen“
Mia Rösch, 11 Jahre, geht in die sechste Klasse der Ekkehard-Realschule und sagt zur Maskenpflicht in der Schule und im Jugendhaus: „Es nervt zwar manchmal, aber um ältere Leute zu schützen, ist es mir das wert.“ Was sie seit Corona am meisten vermisst ist, dass sie sich nicht mit mehreren Freunden treffen und nicht mehr so oft Oma und Opa besuchen kann. Anastasia Marincovic, 11, geht in die fünfte Klasse der Ekkehard-Realschule und sie nervt, dass ihre Maske im Unterricht so schnell nass ist und sie meist ihre Ersatzmaske vergessen hat. Sie vermisst es, gemeinsame Ausflüge und Feste mit der Klasse zu machen. Fabian Weißhaar, pädagogischer Mitarbeiter, findet die Einschränkungen nicht toll, aber sie seien zur Sicherheit aller da. Die eingeschränkte Besucherzahle hätte den Vorteil, dass er mehr auf die einzelnen Kinder eingehen könne. Luana Theurich, 11, kommt mit der Maskenpflicht meist ganz gut zurecht: „Mal so mal so“, sagt sie, während sie eifrig ihre Hausaufgaben erledigt. Unterstützt wird sie dabei von Celine Wittmeyer, die eine Ausbildung zur Erzieherin macht. „Wenn man von sieben bis fünf Uhr Schule hat, ist es mit der Maske schon anstrengend“, berichtet sie aus eigener Erfahrung.
Hoffnung auf das Frühjahr
Ein Ende der Einschränkungen sieht Jugendhausleiterin Selina Brix über den Winter nicht: „Wir haben alle Weihnachtsfeiern abgesagt.“ Zu Nikolaus dürfen die Kinder im Jugendhaus einen Stiefel basteln, der dann gefüllt nach Hause gebracht wird. Brix hofft, dass im Frühjahr wieder größere Gruppen ins Jugendhaus kommen können. Dann könnten sie auch wieder mehr Angebote im Freien mit mehr Kindern machen.