Bernhard Sprengel, dpa und Kerstin Steinert

Aggressives Betteln ist in Deutschland verboten – es geht aber auch kreativer, als einfach demütig die Hand aufzuhalten. Manke etwa sitzt vor dem Hamburger Hauptbahnhof und zeigt eine große Tafel, die viele Passanten schmunzeln lässt. Die Aufschrift: „Brauche Geld für Gras!“ – daneben ist eine kleine rote Hanfpflanze zu sehen. Immer wieder bleiben Touristen stehen und wollen Bilder von oder mit dem jungen Mann und seinem Schild machen.

Manke, wie der 27-Jährige sich selbst nennt, braucht jeden Tag vier Gramm Marihuana – aus medizinischen Gründen, sagt er. „Ich bin manisch-depressiv.“ Von seinem Arbeitslosengeld könne er sich die 20 bis 40 Euro teure Tagesdosis nicht leisten. Als Bettler sieht er sich nicht. „Ich erniedrige mich nicht, ich schnorre“, betont er.

Vielleicht würde Manke damit sogar bei der Hamburger CDU auf Verständnis stoßen, die passives Betteln als Teil des Stadtbilds akzeptiert. Etwas völlig anderes sei aber die gewerbsmäßige Bettelei, erklärt der Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp. Osteuropäische Betteltrupps bedrängten immer wieder Passanten – nicht nur in Hamburg, sondern auch in Städten am Bodensee, Hochrhein und im Schwarzwald. Im Sommer kam es in Waldhut zu einigen Vorfällen. Aggressive Bettler bespuckten Passanten, wenn diese nicht spendeten. In Überlingen und Konstanz täuschen einige Bettler Krankheiten und Gebrechen vor.

Gegen die Bettelmafia, wie er es nennt, fordert Erkalp ein entschlossenes Vorgehen. Die Beamten schritten bei aggressivem Betteln ein, versichert ein Sprecher. Was darunter zu verstehen ist, variiert in Deutschland. Der Hamburger Polizeisprecher nennt als Beispiel die Klemmbrett-Masche. Dabei werden Passanten mit der Bitte um eine Unterschrift für einen guten Zweck abgelenkt, während ein Komplize des Sammlers den Interessenten bestiehlt. Anfang des Jahres sorgten die Klemmbrett-Sammler für Beunruhigung in der Hamburger Innenstadt, seit dem Sommer hat die Polizei aber keinen einzigen Fall mehr registriert.

In München fällt unter aggressives Betteln das Festhalten von Passanten, aber auch das Zurschaustellen von Wunden, wie Johannes Mayer vom Kreisverwaltungsreferat erklärt. In Frankfurt ist damit nach Angaben des Ordnungsdezernats „nachdrückliches oder hartnäckiges Ansprechen von Personen“ gemeint. In Stuttgart versteht man unter Betteln in aggressiver Form auch, wenn mit Kindern, Tieren oder in Demutshaltung um Geld in der Fußgängerzone gebeten wird.

Solche Sanktionen sind jedoch nicht ganz einfach durchzusetzen, wie Erfahrungen aus Frankfurt zeigen. Für den Nachweis aggressiven Bettelns brauche man Zeugen, die aber oft schon wegen des zeitlichen Aufwands zu keiner Aussage bereit seien, sagt Andrea Brandl, Referentin des Ordnungsdezernenten. Außerdem könne der Bescheid dann oft nicht zugestellt werden oder die Betroffenen seien zu arm. Daher seien in diesem Jahr erst zehn Verfahren mit der Zahlung eines Bußgeldes rechtskräftig abgeschlossen worden.

Dennoch kann ein verschärftes Vorgehen Wirkung zeigen, so in München. „Die Maßnahmen gegen die verbotenen Bettelformen haben einen deutlichen Erfolg gebracht, das sieht man auch auf den Straßen“, sagt Mayer vom Kreisverwaltungsreferat. Seit August 2014, als eine Allgemeinverfügung gegen aggressives und organisiertes Betteln in der Landeshauptstadt in Kraft trat, seien mehr als 1000 Anzeigen der Polizei bei der Behörde eingegangen. Besonders hart geht die Stadt Nürnberg gegen aggressive und organisierte Be ttler vor. Die Stadt verhängt nach einer Anzeige Geldbußen zwischen 50 und 550 Euro. Wer nicht zahlt, könne in Erzwingungshaft kommen, erklärt Polizeisprecherin Elke Schönwald.

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Bettler in der SÜDKURIER-Region

  • Singen: Wie viele andere Einkaufsstädte mit attraktiven Fußgängerzonen kämpft auch Singen am Hohentwiel mit einer zunehmenden Zahl von organisierten Bettlern, die meist in Gruppen auftauchen. Vor allem ältere Menschen werden massiv bedrängt. Die Stadtverwaltung setzt deshalb immer wieder Bettler-Streifen ein, die für Ordnung in den Innenstadtbereichen sorgen sollen. Diese Streifen werden von privaten Sicherheitsfirmen organisiert. Die Kontrolleure sind unbewaffnet, tragen blaue Sicherheitswesten und ziehen durch die City. (jöb)
  • Friedrichshafen: Im innerstädtischen Bereich Friedrichshafens kommt es immer wieder vor, dass Personen in der Fußgängerzone, betteln. "Dies ist uns bekannt und wird von uns beobachtet", gibt die städtische Pressesprecherin Andrea Gärtner Auskunft. Gemäß der städtischen Polizeiverordnung sei "das besonders aufdringliche Betteln" untersagt. Es sei jedoch schwierig Banden bei den Bettlern nachzuweisen. Allerdings gibt es dann Platzverweise. (lip)
  • Überlingen: Auch in Überlingen gibt es immer wieder Bettler. Solange diese still am Straßenrand sitzen, werden sie geduldet. Wer jedoch aufdringlich wird oder Minderjährige zum Betteln auffordert, erhält einen Platzverweis oder muss ein Bußgeld zahlen. Allerdings gibt es auch Betrüger unter den Bettlern. Diese geben vor stumm zu sein, sind es aber nicht. Solche Fälle bittet die Polizei zu melden. (sk)
  • Waldshut-Tiengen: Im Juni kam es in Waldhut zu einigen Vorfällen: Ein Straßenmusikant nötigte einen Gast in einem Straßencafé, Geld in den Hut zu werfen, beim Busbahnhof wurde eine Frau erst angepöbelt und dann bespuckt. Auch ein Wirt in seiner Gastätte wurde bespuckt. Die Männer und Frauen, die so aufgefallen waren, ordnete die Polizei einem osteuropäischen Clan zu, der in Waldshut an einem Bach campierte. Die Stadtverwaltung ließ das Camp räumen. Dennoch werden immer wieder aggressive Bettler in der Innenstadt gesichtet. Diese werden vom Gemeindevollzugsdienst angesprochen und die Personalien festgestellt, so Oberbürgermeister Philipp Frank. Danach wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Die Höhe des Bußgelds beträgt 100 Euro. Der Bettler erhält einen Platzverweis. (uma)
  • Villingen-Schwenningen: Aggressives betteln ist in Villingen-Schwenningen eigentlich kein Problem, so die Pressesprecherin Oxana Brunner. Ein Grund könnte sein, dass die Stadt das gewerbsmäßige organisierte Betteln als eine der ersten Städte in Deutschland untersagt hat. Seit vielen Jahren wird die Situation in den beiden großen Stadtbezirken daher verstärkt beobachtet und bei entsprechenden Bettlergruppen konsequent vorgegangen. Bislang wurden knapp 700 Aufgriffe verzeichnet (darunter etliche Mehrfachtäter) und entsprechende Verfahren geführt. (sk)