Claudia Rindt, Jörg-Peter Rau, Oliver Hanser

Erst hört sie russische Flüche, dann sieht sie die schwarze Rauchfahne am Dach des Schwaketenbads. Physiotherapeutin Jenny Liedtke ist wohl der erste Badegast an diesem Samstagmorgen, der das Feuer entdeckt. Es war kurz vor halb elf, und Jenny Liedtke steht auf der Liegewiese des Bads. Später berichtet sie dem SÜDKURIER: Bauleute, die gerade an der Modernisierung des Bads arbeiteten, hätten in ihrer Nähe eine Pause eingelegt. Dann seien sie auf Russisch fluchend aufgesprungen. Als sie den Blicken der Männer folgte, sah sie den Rauch und wenig später Flammen. Dann stürzte Jenny Liedtke in die Schwimmhalle, informierte die Bademeisterin, ebenso Mann und Kind.

Als das Team des Schwaketenbads Alarm auslöst und alle 52 Badegäste sicher über die Liegewiese ins Freie geleitet, wissen sie noch nicht, wie schrecklich dieser Brand werden wird. Die Besucher müssen gehen, wie sie sind. In Badeanzug und Badehose, barfuß. Schlüssel, Portemonnaie und Kleider bleiben zurück. Drei Stunden später wagt sich ein Feuerwehrteam unter Atemschutz ins Gebäude, um die persönlichen Sachen aus den Spinden zu holen. Bis es so weit ist, werden Badegäste, die nicht bei Verwandten oder Bekannten unterkommen, im nahen Post-Telekom-Sportverein von Helfern des Malteser Hilfsdiensts mit Getränken, Keksen und Windeln versorgt.

Jenny Liedtke und die anderen Badegäste können nach Hause – die Feuerwehr aber noch lange nicht. Sie sieht am Einsatzort ein in Flammen stehendes Dach, fordert sofort Zusatzkräfte an. Von zwei Seiten nehmen sie den Brand in die Zange. Nach einer Dreiviertelstunde sind die sichtbaren Flammen gelöscht. Doch unter dem Dach schwelen weiter Glutnester. Wenn Einsatzkräfte die Innenräume betreten, hören sie es knistern.

Von außen sehen sie immer wieder Rauchfahnen. Die Einsatzkräfte halten dann die Wasserrohre genau auf diese Stellen. Sechs Stunden lang geht das so in glühender Hitze. Die normale Außentemperatur liegt bei 36 Grad, am angebrannten Dach des Schwaketenbads ist sie noch viel höher. Die Hitze unter den Schutzanzügen und Schutzmasken muss unerträglich sein. Spätestens nach einer halben Stunde Einsatz brauchen die Atemschutzträger dringend eine Pause und ganz viel Wasser.

Um Bauart und Statik beurteilen zu können, wird Axel Mothes vom städtischen Baurechtsamt hinzugezogen. Er bringt bündelweise Baupläne mit, die wohl ein brisantes Detail enthalten. Im Bad soll Asbest verbaut worden sein. Freigesetzte Fasern können dem Menschen gefährlich werden. Eine Sondergruppe rückt an, und baut nahe der Brandstelle eine Spezialdusche auf, in der sich Einsatzkräfte von möglichen Fasern befreien können.

Doch das ist nur ein kleines Problem. Das große Problem bleiben die Brandnester im Dach. Trotz aller Anstrengungen von rund 70 Einsatzkräften zu diesem Zeitpunkt gelingt es der Feuerwehr einfach nicht, sie zu ersticken. Sie weiß nicht, was genau im Dach vorgeht. Sie weiß nicht, wie viele Glutnester es überhaupt gibt, sie will endlich Klarheit.

„Wir hatten keine Alternative. Wir wussten, dass unter dem Dach noch Glutnester sind, wir mussten da ran“, sagt Feuerwehrsprecher Klaus Menge. Viel zu gefährlich sei es gewesen, eine Person abzuseilen, um das Dach zu öffnen. So holt die Feuerwehr einen Spezialgreifer des Technischen Hilfswerks. Der Plan ist, das Dach vorsichtig zu öffnen und gleichzeitig ganz viel Wasser einzusetzen. Der Plan geht nicht auf. Unter dem Dach haben sich Rauchgase gebildet. Mit Sauerstoff bilden sie ein hoch riskantes Gemisch. Es entzündet sich explosionsartig, Feuerwehrleute sprechen später von einem Flashover – so ziemlich das Gefährlichste, was es an einer Brandstelle gibt.


Wenige Minuten später steht das gesamte Bad in Flammen. Eine riesige schwarze Rauchsäule steigt über der Brandstelle auf. Sie ist weit über Konstanz hinaus zu sehen. Die Feuerwehr muss Einsatzkräfte, die nach stundenlanger Arbeit erschöpft ihren Dienst beendet hatten, wieder zurück rufen. Sie alarmiert die Kreuzlinger Wehr zur Unterstützung. Von Drehleitern und vom Boden aus hält die Feuerwehr gegen das Feuer.

Bald ist klar: Dieses Bad ist nicht mehr zu retten. Jetzt geht es nur noch darum, ein Ausbreiten der Flammen auf den nahen Wald und die Wohnbebauung zu verhindern. Das Bad selbst verbrennt im Flammeninferno. Menschen laufen zusammen, wollen nicht glauben, was sie sehen. Rußteile vom Brand fliegen weit über Wollmatingen. Die Feuerwehr muss immer neue Leitungen von benachbarten Straße anzapfen, um überhaupt noch genügend Wasser zu bekommen.

Am Tag danach qualmt und stinkt es noch immer an der Brandstelle. Dort war auch schon Johannes Briechle. Mit dem Schwaketenbad ist für ihn wie für viele andere Konstanzer ein Stück Heimat verbrannt. Der stellvertretende Vorsitzende des Schwimmclubs Sparta war schon als Bub dabei, als 1980 das Bad neu eröffnet wurde, als Jugendlicher traf er sich dort mit Freunden, als Erwachsener blieb er dem Schwimmsport treu. Für die 700 Mitglieder seines Vereins war das Schwaketenbad die wichtigste Anlaufstelle.

Geht nun mit dem Bad auch der Verein unter? Johannes Briechle ist sich sicher, dass dies nicht passieren wird. Er geht eher davon aus, dass der Club enger zusammen rücken wird. „Ich glaube, das schweißt uns zusammen.“ Und noch etwas mischt sich am Sonntag mit dem Entsetzen über den Brand: Das Wissen, dass kein Mensch ernstaft zu Schaden gekommen ist.