Im Kern von Petershausen fallen Ende des Jahres hundert Wohnungen eines Privatunternehmers aus der Pflicht zur niedrigen Miete (Sozialbindung). Winfried Kropp, Vorsitzender des Bodensee-Mieterbunds, fürchtet dann Mehrkosten für die Bewohner. Das Potenzial für Mieterhöhungen sei immens.
Zusammen mit dem Konstanzer SPD-Landtagskandidaten Frank Ortolf zeigt er bei einem Rundgang durch Petershausen, mit welchen Mitteln faire Mieten gesichert wären. Kropp und sein Vorgänger Herbert Weber prangern zudem ein System an, mit dem Schrottimmobilien vergoldet werden und der Staat dafür zahlt.
Zum Rundgang sind nur wenige Menschen erschienen, vielleicht auch weil es gleichzeitig eine Vielzahl anderer Veranstaltungen in Konstanz gibt. Frank Ortolf sagt: „Egal, wie viele Leute hier stehen, das Thema ist ganz wichtig für die Stadt und das Land Baden-Württemberg.“ Egal bei welcher Veranstaltung er als Landtagskandidat sei, früher oder später werde das Wohnen angesprochen.
„Es ist die soziale Frage schlechthin.“ Es treffe Familien, die ganz normal verdienen, aber keine Wohnung finden. Es treffe Betriebe, die für ihre Mitarbeiter Wohnraum suchen. „Das ist ein großes Thema in vielen Lebenslagen.“ Ortolf beklagt, dass die Landesregierung zu wenig macht, um sozialen Wohnraum zu fördern. Der Bund habe Milliarden Euro dafür freigegeben. Das Land müsse die Gelder entsprechend verwenden.
Bauen allein reicht nicht
Winfried Kropp fordert mehr gemeinwohlorientierte Mietwohnungen. „Bauen, bauen, bauen allein reicht nicht.“ Es sei auch die Frage, was da entstehe. Für jeden Euro vom Bund müsste das Land einen geben. Die Praxis sei aber eine andere. Tatsächlich sei die Kofinanzierung des Landes bisher immer viel zu niedrig ausgefallen. Dies müsse sich ändern.
Für 2025 seien zwar die Mittel für den sozialen Wohnungsbau im Landeshaushalt um 300 Millionen Euro erhöht worden, doch der Bedarf war viel größer. Schon zu Jahresanfang seien mehr Anträge auf Förderung vorgelegen, als das Land bedienen konnte. Deshalb müsse die Wohnungsbaugesellschaft Konstanz nun auch warten, bis sie ihr Projekt mit 200 Wohnungen zu fairen Mietpreisen auf dem Siemensareal anpacken kann.
Gibt es eine Lösung?
Kropp sieht den Schlüssel für bezahlbare Mietpreise in gemeinwohlorientierten Gesellschaften wie der Wobak oder dem Spar- und Bauverein. Die Städtebauförderung, eine Errungenschaft der sozial-liberalen Regierung, sei ein gutes Mittel, um Standards in einem Areal festzulegen.
Als Beispiel nennt er den Abzug der französischen Streitkräfte 1978 aus Konstanz. Die ehemaligen Kasernen und die umgebenden Gebiete wurden vielfältig und auch für den sozialen Wohnungsbau genutzt. Er bedauert, dass das Land nicht nachhaltig dafür gekämpft habe, dass die Pflicht zur günstigen Miete auch in den rund 100 privatisierten Wohnungen erhalten bleibt.

Die versteckte Wohnungsnot
Der Wohnungsbedarf sei nicht immer sichtbar, sagt Winfried Kropp. Er nennt einige Beispiele: Manchmal bleiben junge Menschen länger als geplant im Haus der Eltern, weil sie keine Wohnung finden. Manchmal schlafen junge Menschen mal hier, mal dort auf dem Sofa. Couchsurfing, heißt das dann. Man hat ein paar Wochen ein Dach über dem Kopf, dann zieht man zum nächsten Bekannten weiter.
Paare, die sich trennen, bleiben aus Not in einer Wohnung, weil sie nichts anderes zum Mieten finden. Ältere Menschen sind gefangen in ihrer Wohnung. Den barrierefreien Mietraum gibt es nicht oder er ist zu teuer.
Wer verdient an der Misere?
An dieser ganzen Misere ärgern ihn und seinen Vorgänger Herbert Weber ein System, bei dem der Staat viel Geld in Subventionen statt in den eigenen Wohnungsbau steckt. Letztlich helfe die öffentliche Hand mit den von Bürgern gezahlten Steuergeldern, Schrottimmobilien zu vergolden, in denen arme Schlucker wohnen müssen. „Die mit den schlechtesten Wohnungen verdienen an denen, die es am nötigsten haben“, sagt Weber.
Herbert Weber macht ein Beispiel: Auch in Konstanz gibt es heruntergekommene ehemalige Hotels oder andere Häuser, in denen einzelne Zimmer vermietet werden, und zwar immer zum Maximalpreis, den die öffentliche Hand gerade noch für diesen Wohnraum zahlt.
In der Regel leben dort Menschen, die auf dem freien Markt ansonsten keinen Wohnraum finden würden. Die Kommune ist froh, dass sie untergebracht sind. Unter dem Strich bekommt der Vermieter viel Geld, das er in der Regel nicht in die Sanierung des Hauses steckt.
Kropp und Weber sind überzeugt: Es wäre viel sinnvoller, wenn die öffentliche Hand das Geld in den Bau eigener Sozialwohnungen stecken würde, die sie in eigener Regie pflegen und verwalten kann. Winfried Kropp plädiert zudem für den Aufbau einer eigenen Landesgesellschaft für Wohnungsbau. „Das ist auch für die Landesbediensteten wichtig.“ Sonst drohen Orten mit Wohnungsnot, dass es beispielsweise an Polizisten mangele.
Das Land hatte in den 90er-Jahren seine Wohnungen privatisiert. In Konstanz finden Beschäftigte beim Land auch Wohnraum in Gebäuden der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Diese versorgt aber erst einmal Bedienstete des Bundes.