Es galt ohnehin als unwahrscheinlich, aber nun steht es eindeutig fest: Keine der beiden Parteien – also weder der Anwalt des Angeklagten noch die Staatsanwaltschaft – legte Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz von Montag, 15. September, ein. Das bedeutet, dass der 55-jährige Physiotherapeut aus Allensbach rechtskräftig verurteilt ist. Er war wegen des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses nach Paragraf 174c des Strafgesetzbuches (StGB) angeklagt worden.
Mehrere Frauen gaben an, dass der Physiotherapeut sie während der Behandlung im Intimbereich oder an der Brust berührte, obwohl dies nicht medizinisch notwendig war. Eine Frau küsste er außerdem ungewollt auf den Mund. Sieben Geschädigte traten als Nebenklägerinnen auf, die Vorfälle erstreckten sich über einige Jahre.
Bewährungsstrafe und Berufsverbot
Nun ist der Physiotherapeut vorbestraft. Er wurde zu einem Jahr und elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem darf er fünf Jahre lang nicht seinen Beruf ausüben. Das Berufsverbot wird nicht durch das Gericht überwacht. „Wie bei jedem Berufsverbot fällt ein Verstoß nur auf, wenn es zu einer entsprechenden Meldung durch Dritte kommt“, erläutert Mirja Poenig, Richterin und Pressesprecherin am Konstanzer Landgericht.
Die Bewährungszeit dauert drei Jahre. In diesem Zeitraum muss der Verurteilte dem Gericht jeden Wohnungswechsel mitteilen und darf nicht erneut straffällig werden, ansonsten kann das Gericht die Bewährung widerrufen. Das bedeutet, dass die ursprünglich ausgesetzte Freiheitsstrafe im Gefängnis verbüßt werden muss. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, dass das Gericht zusätzliche Auflagen anordnet, um die Bewährung doch noch aufrechtzuerhalten.

Außerdem wurde der 55-Jährige von der Kammer angewiesen, den geschädigten Frauen innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Entschuldigung über deren Anwälte zukommen zu lassen. Dies hielt Staatsanwältin Julia Hellmann in der Verhandlung vor dem Landgericht für nicht ausreichend. Sie forderte, dass der Therapeut sich noch während des Prozesses mündlich bei den Geschädigten entschuldigen soll. Nur dann würde sie dem Vorschlag zustimmen, dass es bei einer Bewährungsstrafe bleibt.
Nach ursprünglicher Ablehnung dieser Forderung ließ der 55-Jährige sich doch darauf ein und entschuldigte sich zweimal im Gerichtssaal bei den Frauen, ohne sie dabei anzuschauen. Anschließend einigten sich die Prozessbeteiligten darauf, dass auf eine Gefängnisstrafe verzichtet wird. Der nun Verurteilte musste aber im Gegenzug gestehen, dass er sich des sexuellen Missbrauchs schuldig machte. Damit endet nach einigen Jahren ein vielbeachteter Prozess, die ersten Anzeigen gegen den Mann waren bereits im Sommer 2022 erstattet worden.