Ein rund 100 Quadratmeter großer Laden in 1a-Lage bekommt demnächst einen neuen Mieter: Die Vorwerk-Gruppe siedelt sich an der Marktstätte an. Zwischen der See-Apotheke und dem Restaurant Casablanca ist vor rund zwei Monaten ein Reisebüro ausgezogen. Derzeit wird das Ladenlokal von örtlichen Handwerkern umgebaut.
„Etwa Mitte November 2025 eröffnet der neue Showroom von Vorwerk“, sagt Marcus Frey, der in Konstanz Gewerbe-Immobilien vermittelt. Er steht mit Marco Horta und Lukas Mittag von Horta Immobilien im leergeräumten Laden und blickt nach oben. „Wunderbar, die Decke wurde schon entfernt, nun hat der Raum etwa vier Meter Höhe. Toller Loft-Style!“, lobt Frey.

Vermieter des Raums sowie Gebäudeverwalter ist Horta, während Marcus Frey die Kontakte zum neuen Mieter knüpfte. „Das Ladenlokal hat viel Potenzial, man muss es aus dem Dornröschenschlaf wecken“, so der gebürtige Konstanzer. Vorwerk werde hier einen Showroom einrichten, wahrscheinlich viel in Schwarztönen.
Das bedeutet: Kunden können dort keinen Thermomix kaufen, sich aber die Geräte vorführen und beraten lassen. Außerdem gebe es Zubehör für das Kochgerät sowie für die Staubsauger von Vorwerk. „Die Marke wird die Angebotsvielfalt in Konstanz bereichern und zur weiteren Belebung des Innenstadtbereichs beitragen“, so Frey.
Tatsächlich? Braucht es in Konstanz einen solchen Laden, wo sich zuletzt einige größere Ketten wie Zalando, Hans im Glück oder Decathlon ansiedelten und inhabergeführte Geschäfte zumindest gefühlt immer weniger werden? Marcus Frey hat dazu eine klare Meinung: „Ich möchte entschieden der oft gehörten Äußerung widersprechen, in Konstanz würde nur an vertikale Ketten wie Zara und H&M vermietet und die inhabergeführten Läden könnten sich die Mieten nicht mehr leisten.“
Es gibt sie, die kleinen Läden
Seine Aussage untermauert er bei einem Rundgang durch die Innenstadt. „Sehen Sie, mitten auf der Marktstätte hat sich die Bar Liesel angesiedelt“, so Frey. „Eine Konstanzer Familie hat das sehr liebevoll gestaltet.“ Wenige Schritte weiter, in der Salmannsweilergasse, verhalf er einem Friseur zu einem neuen Raum, und er nennt auch die Sauerteigbäckerei Brotalgut als Beispiel für inhabergeführte Geschäfte. „Es hängt immer vom Konzept und der Innovationskraft ab, ob sich jemand eine Miete leisten kann oder nicht“, so Frey.

Dennoch steht er klar dazu, dass es in Konstanz auch die teuren Marken benötige. Er habe den Outdoor-Spezialisten Mammut genauso in die Stadt geholt wie Lindt an die Marktstätte und Bugatti in die Wessenbergstraße. „Es braucht die Mischung aus wertigen Weltmarken, vertikalen Ketten und inhabergeführten Läden“, ist seine Meinung. Denn: „Die teuren Marken ziehen Kundschaft an, die dafür bewusst nach Konstanz kommen und dabei auch in den umliegenden Läden einkaufen.“
Einige alteingesessene Konstanzer Händler, etwa in der Modebranche, wünschten sich ausdrücklich im Umfeld ihrer Geschäfte mehr Wertigkeit, sagt Marcus Frey. „Nagelstudios haben wir schon genug.“

Was die Miete in der 1a-Lage Marktstätte pro Quadratmeter kostet, will der Experte nicht preisgeben. Das hänge ohnehin vom Vermieter und weiteren Faktoren ab. Nur so viel: „Beim Gewerbe haben wir in Konstanz, im Gegensatz zu Wohn-Immobilien, noch längst keine Preise wie in München, Düsseldorf oder Hamburg.“
„Konstanz hat bundesweit eine Sonderstellung“
Obwohl der Einzelhandel seit Jahren über zurückgehende Kaufkraft und wirtschaftsfeindliche Kommunalpolitik klagt und sich auch wegen der Herabsetzung der Bagatellgrenze für das Einführen von Waren in die Schweiz Gedanken machte, sieht der gelernte Einzelhandelskaufmann Frey wenig Anlass zur Sorge.
„Konstanz hat bundesweit eine Sonderstellung im Einzelhandel. Wir haben selbst viel Kaufkraft, dazu eine riesige Zahl an Besuchern und die Schweizer Kunden. Das ist einmalig und man sieht, dass die Innenstadt nach wie vor brechend voll ist.“ Und was ist mit dem Leerstand?
Derzeit sind beispielsweise die ehemaligen Flächen des Fotogeschäfts Sonnenbild leer, auch der einstige Laden von Magic Mount an der Laube ist geschlossen und die insolvente Modekette Gerry Weber hat ihren Laden in der Rosgartenstraße ebenfalls dicht gemacht. In die Räume von Kenny S. an der Ecke Rosgartenstraße/Neugasse zog nur vorübergehend ein Kunstsupermarkt ein, Ende September 2025 ist damit wie geplant Schluss.

„Wir haben in der Innenstadt nicht viel Leerstand“, sagt Marcus Frey. „Selbst, wenn Geschäfte mit Folie verklebt sind, haben sie oft schon einen neuen Mieter, der sich die Fläche erstmal sichert, um dann in Ruhe umzubauen.“ Wichtig sei ihm als Konstanzer eine „behutsame, sorgfältige Vermietung“ der Flächen. Das nennt er „kuratierte Vermittlung“.
„Wenn irgendwo ein Geschäft auszieht, wende ich mich an bis zu fünf Marken, die ich mir an dieser Stelle gut vorstellen könnte“, sagt Frey, der früher Expansionsmanager in der Modebranche war. Diese Auswahl sei je nach Straße eine andere. „In der Zollernstraße passt zum Beispiel keine Kette rein, da stehen die Inhaber selbst im Laden.“

Und was ist mit der Konkurrenz Internet? Kann der stationäre Handel auch künftig mithalten? „Ich bin ein Fan der Läden vor Ort mit guter Beratung und Kundenbindung“, sagt Marcus Frey. „Die Leidenschaft, mit der die Verkäufer im Geschäft stehen, kann das Internet nie bieten.“ Im Netz sei man wegen des Überangebots auch oft überfordert.
Wenn er durch die vollen Straßen schlendert, müsste sein Herz also aufgehen. „Naja“, sagt Marcus Frey und lacht. „Das ist Fluch und Segen zugleich. Auch ich meide samstags die Innenstadt. Aber natürlich freue ich mich, dass der Konstanzer Handel floriert.“