Düstere Zukunft für all jene, die bald in Rente gehen. Schon jetzt ploppen die Probleme auf. Die 24-Stunden-Pflege im Luisenheim schließt. Der Mangel an Pflegekräften macht sich schon längst bemerkbar. Träger reißen sich nicht darum, Alten- und Pflegeheime zu bauen, und bezahlbare, altersgerechte Wohnungen sind ebenfalls ein rares Gut. Die Stadt kann nicht zaubern. Gibt es Wege aus diesem Dilemma?
Das wohl Tragische: „Im Gegensatz zu Kitas sind Pflegeeinrichtungen von Gesetzes wegen keine Pflichtaufgabe der Kommune“, stellt Alfred Kaufmann, Leiter des Sozial- und Jugendamtes, fest. Im Grunde könne eine Stadt lediglich Grundstücke zur Verfügung stellen, allerdings sei sie darauf angewiesen, dass es einen Träger gebe. „Wir können es also nicht konkret steuern“, so Kaufmann. Grundsätzlich würden bei der Planung von Neubaugebieten entsprechend Flächen reserviert.
Problem: Es gibt Verhinderer
Als Genehmigungsbehörde würde die Stadt Planungsverfahren positiv begleiten, ergänzt Bürgermeister Andreas Osner. Das große Problem aber sei „nachbarschaftlicher Verhinderungslobbyismus“, wobei Osner an das Pflegeheim in der Jungerhalde denkt. „Zehn Jahre Verzögerung – das ist alles andere als gemeinwohlorientiert“, stellt er fest.
Auch beim Pflegeheim Zoffingen „gab es eine Flamme des Widerstands, die aber nicht so tragfähig war, dass sie es verhindern konnte“, so Osner, der sich mehr Uneigennützigkeit, Ehrlichkeit und Verständnis in der Stadtgesellschaft wünscht.
Hoffnung ruht auf Ehrenamtlichen
Aber auch Positives hebt Andreas Osner hervor: „Ein Drittel der Konstanzer Bürger sind akademisch geprägt. Sie haben die Tendenz, gesünder zu leben und im Alter gesünder und aktiver zu sein. Das ist eine große Chance.“ Die Chance, dass sich die Senioren dann bürgerschaftlich engagieren. Dies seien Ressourcen, die es zu heben gelte, denn das würde „uns bei den großen Herausforderungen helfen“, meint Osner.
An einer solchen Stellschraube wird bereits gedreht. Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung verbringen, dort leben und versorgt werden. Etabliert ist die ehrenamtliche Wohnberatung des Stadtseniorenrats. Wohnberater Rüdiger Salomon gibt Interessierten hilfreiche und praktische Tipps, wie die Wohnung altersgerecht umgestaltet werden kann, sodass die Bewohner noch länger in ihren eigenen vier Wänden verbleiben können.
Baustein: Nachbarschaftshilfe und mehr
Für ambulante Pflege braucht es ausgebildete Fachkräfte. „Sie leisten originär die pflegerische und medizinische Versorgung“, stellt Petra Böhrer von der Altenhilfe der Stadt Konstanz fest. Was ist aber mit der Versorgung mit Essen, Einkaufen, Begleitung bei Arztbesuchen? Die Altenhilfe beteilige sich an dem Modellprojekt Einzelhelfende im Vor- und Umfeld von Pflege, „was verstetigt werden soll“, so Böhrer. Dies sei ein Baustein, um eben diesen Hilfebedarf ein Stück weit zu decken.
In den Konstanzer Teilorten ist diesbezüglich schon seit langem einiges im Gange. Die Litzelstetter Nachbarschaftshilfe leistet bereits seit vielen Jahren erfolgreich diesen Beitrag direkt vor Ort. Die Gründung von Nachbarschaftshilfe in der Kernstadt hat sich die Altenhilfe auf die Fahne geschrieben. „Wir geben derzeit Impulse in die Quartiere und sind hoffnungsfroh, dass in den nächsten Jahren etwas entsteht“, berichtet Petra Böhrer.
Aktivierung von Wohnraum und alternative Wohnformen
Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Aber: „Es gibt viele ältere Menschen, die noch in einem Haus wohnen“, so Petra Böhrer. Zur Aktivierung ungenutzten Wohnraums gebe es vom Land Baden-Württemberg auch ein Beratungsprogramm.
Ein Architekt schaue sich das Haus oder die große Wohnung an und mache Vorschläge, wie der Wohnraum teilbar wäre und altersgerecht umgebaut werden könne, berichtet Böhrer. Sie merkt an, dass bereits in Allmannsdorf zu diesem Thema ein Informationsabend stattgefunden habe.
Darüber hinaus gehe es vermehrt um alternative Wohnformen. „Pflege-Wohngemeinschaften“, gibt Petra Böhrer das Stichwort und erklärt: Die Senioren sind Mieter einer gemeinsamen Wohnung, es ist eine Alltagsbegleiterin da und der Pflegedienst werde individuell dazugeholt.
Aktuell gebe es in Konstanz fünf Pflege-WGs mit insgesamt 44 Bewohnern. „Alle sind belegt“, so Böhrer. Die Firma Ravensberger habe bei ihrem Neubauprojekt vor, mit dem Malteser Hilfsdienst als Träger eine weitere WG zu schaffen, sagt Petra Böhrer.
Bislang gebe es vorwiegend WGs in professioneller Trägerschaft. „Selbstverwaltete WG ist etwas, was praktisch nicht zum Tragen kommt“, stellt Alfred Kaufmann fest. Dabei könnten Senioren sich zusammentun und eben eine solche WG gründen, auch wenn ein solches Vorhaben aufgrund der Bürokratie durchaus aufwendig sei.
„Wir sind Weltmeister im Verdrängen“, stellt Alfred Kaufmann fest und rät eindringlich dazu, sich rechtzeitig mit dem Thema Leben im Alter auseinanderzusetzen. „Wir müssen bei uns anfangen und uns frühzeitig im Bekanntenkreis und in der Nachbarschaft verständigen, dass wir uns umeinander kümmern, sonst wird es nicht funktionieren“, so Kaufmann.