Knapp fünf Monate nach dem gewaltsamen Tod eines 36-jährigen Mannes im Konstanzer Viertel Pfeiferhölzle werden neue Details bekannt. Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat inzwischen ein Sicherungsverfahren beim Schwurgericht des Landgerichts beantragt. Sie wirft dem Beschuldigten Mord vor, hält ihn jedoch für schuldunfähig. Statt einer Gefängnisstrafe strebt die Behörde also seine dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an.
Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift erhebt, verstören: Der inzwischen 50-jährige Jordanier soll am 31. Januar dieses Jahres in der Wohnung des Opfers im Viertel Am Pfeiferhölzle 72 Mal mit einem Messer auf den 36-jährigen Bewohner eingestochen haben. Laut Obduktion verblutete das Opfer in seiner Wohnung. Erst Tage später, am 4. Februar, entdeckte die Polizei die Leiche. Eine Bekannte des Mannes hatte Alarm geschlagen, weil sie den Mann nicht erreichen konnte.
Hat er ein Organ seines Opfers gegessen?
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Konstanz soll der Beschuldigte im Wahn gehandelt haben. Er soll geglaubt haben, das Opfer könne seine Gedanken lesen – eine Fähigkeit, die er auf einen früheren Sexualkontakt mit dem Mann zurückführte. Um wieder Kontrolle über sich zu gewinnen, habe er die Leber des Opfers herausschneiden und verzehren wollen.
Auch sei der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft bei der Tat von der wahnhaften Idee geleitet worden, sich so von seiner Homosexualität, zu der er nicht habe stehen wollen, befreien zu können. Ob es dabei tatsächlich zu einem Verzehr des Organs kam, werde die Hauptverhandlung zeigen, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage.
Festnahme durch SEK
Die Ermittler fanden das Opfer mit zahlreichen Stichverletzungen in seiner Wohnung. Hinweise auf einen Einbruch gab es zunächst nicht. Am 9. Februar nahm ein Spezialeinsatzkommando den Verdächtigen in seiner Wohnung fest. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Eine Haftrichterin erließ tags darauf einen Haftbefehl wegen Totschlags.
Erst am 10. Februar – sechs Tage nach dem Leichenfund – informierten Polizei und Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit. Zur Begründung hieß es, es habe keine unmittelbare Gefahr für Dritte bestanden. Für die Ermittler sei es entscheidend gewesen, vor einer öffentlichen Mitteilung einen zeitlichen Vorsprung zu haben – bevor Täterwissen bekannt wird. Zudem habe man den Tatverdächtigen zügig und ohne öffentliche Aufmerksamkeit ermitteln und festnehmen wollen.
Beschuldigter hat viele Vorstrafen
Nach SÜDKURIER-Recherchen hat der Mann eine lange Vorstrafenliste, unter den 16 Eintragungen sind bisher nur Eigentumsdelikte und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, jedoch keine Gewalttaten. Am Tatort und im Umfeld sicherten die Ermittler der Sonderkommission umfangreiche Spuren, darunter ein mögliches Tatmesser. In den ersten Wochen suchte die Kriminalpolizei nach weiteren Beweismitteln in einem nahen Waldstück.
Eine Nachbarin des Toten beschrieb den 36-Jährigen als freundlichen, netten Mann, der allein in seiner Wohnung lebte. Bis zur Corona-Pandemie habe er in der Pflege gearbeitet, später wechselte er die Branche. „Was ihm passiert ist, hat er sicher nicht verdient“, sagt die Frau. In seiner Wohnung habe er oft mit anderen gefeiert. Dass der gebürtige Ungar schwul war, sei kein Geheimnis gewesen. Eine Auseinandersetzung habe sie im fraglichen Zeitraum nicht wahrgenommen.
Prozess im Herbst geplant
Das Landgericht Konstanz hat inzwischen die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft zugelassen, und den Eröffnungsbeschluss erlassen. Nach aktuellem Stand soll die Verhandlung am 13. Oktober beginnen. Fünf Verhandlungstage sind angesetzt, ein Sachverständiger wird hinzugezogen. Ein Urteil soll demnach am 23. Oktober verkündet werden.