Herr Rülke, Sie gehen jetzt zum dritten Mal als Spitzenkandidat in die Landtagswahl. Dazu sind sie jetzt auch noch FDP-Landeschef und Fraktionschef. Haben denn die Liberalen im Land gar kein anderes Personal mehr als Sie?
Haben wir, jede Menge. Aber sie haben sich für mich entschieden. Auf dem Parteitag waren 89 Prozent für mich.
Aber es stand gar niemand anderes zur Wahl, oder?
Es hat sich niemand anderes beworben. Offensichtlich waren die anderen, die das auch könnten, davon überzeugt, dass ich es am besten kann.
Oder will sich‘s keiner antun? Der Spaßfaktor ist ja bei der FDP derzeit überschaubar.
Es war nicht so, dass man die Kandidaten für die aussichtsreichen Listenplätze mit dem Lasso fangen musste. Es gab da reichlich Wettbewerb. Offensichtlich rechnen schon etliche damit, dass man zumindest in den Landtag kommen kann auf der Liste der FDP.
Im Moment sehen die Umfragewerte sehr knapp aus. Das geht dann ja, wenn die FDP den Wiedereinzug verpassen sollte, voll mit ihnen heim. Nehmen Sie gerne auf das gerne auf sich oder sorgt Sie das?
Ich kenne das. Ich bin 2015 bei 3 Prozent gestartet und bei 8,3 Prozent rausgekommen. 2020 bin ich bei 5 Prozent gestartet und bei 10,5 Prozent rausgekommen. Jetzt starte ich wieder bei 5 bis 6 Prozent.
Sie haben es schon angedeutet beim Parteitag neulich, dass die kommende Landtagswahl im März 2026 die Mutter aller Wahlen sei. Nach dem Motto: Wenn es da nicht klappt, dann ist mit der FDP vorbei. Das ist eine krasse Aussage.
Ja.
Wollen Sie damit Ihre Anhängerschaft mobilisieren oder sehen Sie wirklich so schwarz?
Ich halte es für relativ wahrscheinlich, dass wir bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg oberhalb von fünf Prozent landen, aber es ist nicht sicher. Und natürlich muss man was dafür tun. Und in der Tat, ich will die Partei mobilisieren, ich will auch die Wählerschaft mobilisieren, weil ich bin davon überzeugt, dass es viele Menschen gibt, die der Meinung sind, dass wir in unserem Parteienspektrum eine liberale Partei brauchen, eine Partei der Sozialen Marktwirtschaft, eine Partei, bei der das Individuum vor dem Staat kommt.

Auf Bundesebene jedenfalls hat der Wähler sich anders entschieden. Wie konnte denn das mit Blick auf den eigenen Laden so weit kommen?
Da gibt es vielfältige Gründe. Zum einen ist es so, dass unsere Wählerschaft eine lagerübergreifende Koalition mit zwei linken Parteien in erheblichem Maße abschreckt. Was man niemals hätte machen dürfen, ist, das Gebäudeenergiegesetz am Ende doch noch zu verabschieden. Das hätte man einstampfen müssen, nicht retten. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, möglicherweise schon zu Beginn des Ukrainekriegs, hätte man den Koalitionsvertrag neu verhandeln müssen, weil die Geschäftsgrundlage der Koalition nicht mehr gegeben war. Auch auf die Gefahr hin, dass die Koalition da schon scheitert.
Ich glaube, das wäre der FDP eher verziehen geworden als das Scheitern im November 2024. Man hätte auf gar keinen Fall als Bundestagsfraktion Ende Januar 2025 so auseinanderfallen dürfen in der Migrationsfrage. Und dass offensichtlich in der Parteizentrale der FDP Pläne für den Ausstieg geschmiedet wurden – das sogenannte D-Day-Papier – kam bei den Wählern auch nicht gut an.
War es richtig, dass Christian Lindner sich danach aus der Politik zurückgezogen hat? Oder haben Sie das bedauert?
Es ist in einer solchen Situation alternativlos, wenn man eine Partei in einen Wahlkampf führt und an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.
Hören Sie noch was von ihm? Mischt er noch mit?
Also Christian Lindner ruft jetzt nicht an und sagt: Macht dies und das. Aber wir stehen persönlich in Kontakt.
Wie geht es ihm? Was macht er?
Ich habe den Eindruck, es geht ihm persönlich gut. Ich habe letzte Woche mit ihm telefoniert. Er freut sich sehr an seiner Tochter. Ich glaube, dass er für sich entschieden hat, sich in der nächsten Lebensphase einerseits auf die Familie zu konzentrieren und dann eher freiberuflich tätig zu sein, Bücher zu schreiben und Vorträge zu halten.

Zurück zur anstehenden Landtagswahl. Was ist der Kern Ihrer Kampagne?
Der Kern ist eine bürgerliche Wende. Die Grünen nach 15 Jahren in die Opposition zu schicken und eine bürgerliche Koalition zu bilden, mit bürgerlicher Politik. Das ist meine Aussage. Am liebsten mit der CDU. Aber wenn das nicht reicht, in einer Deutschland-Koalition mit CDU und SPD. Das ist, glaube ich, für unsere Wählerschaft deutlich attraktiver als die Ampel.
Der jüngste BaWü-Check der baden-württembergischen Tageszeitungen hat gezeigt, dass Manuel Hagel, was die Bekanntheit angeht, schlecht abschneidet gegenüber Cem Özdemir. Aber die Themen, die die Menschen beschäftigen, werden laut Umfrage alle von der CDU mit größerer Kompetenz bearbeitet.
Nach meiner Erfahrung spielt der Personalfaktor bei Landtagswahlen ohnehin eine sehr eingeschränkte Rolle, wenn kein Ministerpräsident sich wieder bewirbt.

Also es ist völlig egal, wen die CDU aufstellt?
Nicht ganz. Es spielt schon eine Rolle, wenn Sie jemanden haben, der völlig unmöglich ist oder der schwere Fehler macht. Ich glaube, dass nur ein Ministerpräsident, der sich wieder bewirbt, eine Landtagswahl nachhaltig mit einem Personalfaktor beeinflussen kann. Und bei dieser Wahl wird es keinen sich wieder bewerbenden Ministerpräsidenten geben.
Apropos, wird Winfried Kretschmann Ihnen eigentlich fehlen?
Sagen wir mal so: Gelegentlich trägt er schon dazu bei, dass die Landespolitik so was Heimeliges hat.
Was meinen Sie damit?
Also es gibt wenige Ministerpräsidenten, die in der Corona-Krise den praktischen Lebensratschlag gegeben haben, das Duschen durch einen Waschlappen zu ersetzen.