Nahe an den Menschen und gründlich recherchiert. Unaufgeregt im Ton, aber klar in der Sache. Mit Blick auf den wirtschaftlichen Erfolg und in Verantwortung für die Gesellschaft: So stellen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer der erstmals ausgerichteten Konferenz „RED@work“ in Konstanz die Zukunft des Journalismus vor. Das wird nach eineinhalb Tagen deutlich, zu denen das SÜDKURIER Medienhaus Fach- und Führungskräfte aus Verlagen und Redaktionen eingeladen hatte. Rund 100 Gäste aus dem gesamten deutschsprachigen Raum waren zu diesem besonderen Branchentreffen angereist.

Ein Arbeitstreffen mit viel Praxisbezug: Diese Erwartung hat die erstmals ausgerichtete Konferenz „RED@work“ beim SÜDKURIER in Konstanz ...
Ein Arbeitstreffen mit viel Praxisbezug: Diese Erwartung hat die erstmals ausgerichtete Konferenz „RED@work“ beim SÜDKURIER in Konstanz in den Augen vieler Teilnehmender voll erfüllt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Sie beschäftigen sich am Bodensee vor allem mit der Frage, wie Journalismus in Zeiten des schnellen gesellschaftlichen Wandels relevant bleibt – vor dem Hintergrund des Siegeszugs der Künstlichen Intelligenz und des immer wichtigeren Ringens um den Erhalt der Demokratie. In Vorträgen, Diskussionen und Werkstattgesprächen geht es dabei auch darum, wie sich Redaktionen und die Arbeit dort verändern müssen, um mit den sich ändernden Erwartungen der Gesellschaft Schritt zu halten. Ein Schlüsselelement dabei ist Führung, denn die Zeit der allmächtigen Chefredakteure ist – auch das wurde deutlich – vorbei.

Eine von vielen Botschaften bei der Konferenz „RED@work“ im SÜDKURIER Medienhaus in Konstanz: „Am Anfang steht das Ende“, sagt Marina ...
Eine von vielen Botschaften bei der Konferenz „RED@work“ im SÜDKURIER Medienhaus in Konstanz: „Am Anfang steht das Ende“, sagt Marina Schakarian über die Gestaltung von Transformation. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Im Austausch sind bei „RED@work“ vor allem Menschen, die die Redaktionsentwicklung begleiten, und getragen sind sie von dem Willen, voneinander zu lernen und Wissen zu teilen. Damit erfüllt sich, wie viele Teilnehmende am Ende sagen werden, die Hoffnung der Organisatoren beim SÜDKURIER. Sie hatten ein dicht gepacktes Programm auf die Beine gestellt, so dass die Gäste mit vielen neuen Eindrücken und ganz praktischen Ideen aus dem kollegialen Austausch wieder in ihre Redaktionen zurückkehren können.

Unter den Gästen ist Miriam Scharlibbe, die jüngst zur Chefredakteurin des Mannheimer Morgen berufen wurde. Die Süddeutsche Zeitung ist mit Hannes Vollmuth vertreten, der Spiegel mit Stefan Schultz, die VRM (früher Verlagsgruppe Rhein-Main) mit dem stellvertretenden Chefredakteur Mario Geisenhanslüke und die Würzburger Main-Post unter anderem mit Chefredakteur Ivo Knahn. Sie alle loben den neuen Zusammenhalt in der Branche und die inzwischen große Bereitschaft, Wissen auch in strategischen Fragen zu teilen.

Miriam Scharlibbe, Chefredakteurin des Mannheimer Morgen.
Miriam Scharlibbe, Chefredakteurin des Mannheimer Morgen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz, der selbst eine Diskussionsrunde zum Thema Führung leitet, hebt hervor, wie wichtig in Zeiten der Veränderung größtmögliche Transparenz für die Mitarbeitenden ist. Mut und Befähigung nennt Lea Thies von der Augsburger Allgemeinen als zentrale Faktoren für die Gestaltung des Wandels, und Christina Norden von der Verlagsgruppe NOZ/mh:n Medien erklärt: „Wir brauchen Führungskräfte, die in der Lage sind, ihre Leute mitzunehmen.“ Julia Blust aus der SÜDKURIER-Chefredaktion zeigt sich „froh, dass die Branche so gut zusammengerückt ist in den letzten Jahren.“

Aus der SÜDKURIER-Chefredaktion: Stefan Lutz und Julia Blust.
Aus der SÜDKURIER-Chefredaktion: Stefan Lutz und Julia Blust. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Aber wie geht es weiter, damit Journalismus für die großen und kleinen Gemeinwesen relevant bleibt und seinem Anspruch wirklich gerecht wird, Grundpfeiler der Demokratie zu sein? Der Medienjournalist und Chefredakteur von Übermedien, Alexander Graf, zeichnet ein differenziertes Bild. Einerseits gebe es derzeit sehr viel engagierten Journalismus, andererseits müsse er sich aber frei machen von der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Plattformen, die nur auf Empörung abziele. Nur so biete Journalismus „den Mehrwert, für den die Menschen auch zu bezahlen bereits sind“.

Alexander Graf, Chefredakteur von Übermedien.
Alexander Graf, Chefredakteur von Übermedien. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Stefan Schultz vom Spiegel sieht das ähnlich und in „zuversichtlichen, konstruktiven Geschichten“ ein großes Potenzial. Die Zukunftsforscherin Simone Engelhardt wirbt dafür, sich konkrete Zukünfte vorzustellen, und die Journalismus-Trainerin Barbara Maas glaubt fest an die Bedeutung einer professionellen Berichterstattung: „Ich sehe unglaublich viele neue Formate und wahnsinnig viel Leidenschaft für den Beruf. Das unterscheidet die Branche von vielen anderen.“

Barbara Maas, Trainerin für Redaktionsentwicklung.
Barbara Maas, Trainerin für Redaktionsentwicklung. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Zugleich geht es aber auch darum, dass eine Branche wirtschaftlich handlungsfähig bleibt. „Geld verdienen ist die Voraussetzung dafür, dass wir großartigen Journalismus leisten können“, macht Miriam Scharlibbe aus Mannheim deutlich. Von „Herausforderungen“ spricht auch Lena Jakat, stellvertretende Chefredakteurin der Augsburger Allgemeinen. Die Konstanzer Tagung habe ihr „ganz viel Motivation“ für deren Bewältigung gegeben, sagt sie nach eineinhalb ausgefüllten Tagen. Und Miriam Schakarian, früher Redaktionsleiterin und jetzt selbstständige Coachin, ist überzeugt, dass Teams, die in ihrer Arbeit wirklich Sinn sehen, „über ihre Ziele hinaus wachsen können“.

Fach- und Führungskräfte sind beeindruckt von dem, was sie hören

Markus Wiegand, der für den Branchendienst Kress für die Tagung zum SÜDKURIER nach Konstanz gekommen war, lobt am Ende von „Red@work“ eine „tolle Veranstaltung, bei der die Menschen dabei waren, die die Transformation in den Maschinenräumen umsetzen“ und zeigt sich beeindruckt von den „vielen praxisnahen Beispielen, wie man es machen kann“.

Markus Wiegand von Branchendienst Kress.
Markus Wiegand von Branchendienst Kress. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Uli Hagemeier, der lange Zeit Chefredakteur der Allgäuer Zeitung war, lobt die neu ins Leben gerufene Konferenz als „wichtigen Impuls und Plattform für Menschen, die auch mal anders denken“. Ivo Knahn aus Würzburg betont, die Konferenz zeige, „dass es gute Wege gibt, die Veränderung zu gestalten und Menschen zu unterstützen, mit der Ungewissheit ihrer Zukunft umzugehen.“

Dass diese Zukunft gut sein kann, davon zeigt sich Mario Geisenhanslücke aus dem renommierten Mainzer Medienunternehmen VRM überzeugt. „Die Menschen kommen hierher nach Konstanz, weil bei dieser Tagung die Menschen sind, von denen man wirklich etwas lernen kann. Hier sind aus meiner Sicht die innovativsten und modernsten Regionalverlage zusammengekommen.“

Mario Geisenhanslüke, Verlagsgruppe VRM.
Mario Geisenhanslüke, Verlagsgruppe VRM. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Miriam Scharlibbe vom Mannheimer Morgen ist überzeugt, dass die Zukunft der Branche genau in solchen Austauschmöglichkeiten liege: „Wir können nicht nur viel voneinander lernen, sondern gemeinsam auch wirklich etwas bewegen.“

SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz betont zum Abschluss, wie wichtig auch ihm der Zusammenhalt in der Branche ist. „Wir müssen unseren Journalismus immer weiter entwickeln und immer besser auf die Bedürfnisse unserer Leserinnen und Leser hören. Dafür hat die Tagung, zu der wir eingeladen haben, einen guten Beitrag geleistet“, sagt er.

Und Stefan Lutz ist sich sicher: Der Wille zur Veränderung ist an vielen Stellen groß, auch wenn die Zeiten nicht einfacher sind. Wenn er sagt, dass in Zukunft vor allem „Überforderungsbewältigungskompetenz“ gefragt sei, lacht er zwar. Aber klar ist für ihn auch: Die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten war vielleicht noch nie so wichtig wie heute, aber ganz sicher auch noch nie so komplex.