Herr Ministerpräsident, die Grünen sind bundespolitisch im Höhenflug. Wie lässt sich diese hohe Zustimmung sichern?
Man muss es so machen wie wir in Baden-Württemberg. Wir hatten 30 Prozent bei der letzten Landtagswahl. Um erfolgreich zu sein, muss man klare Grundsätze haben, diese aber pragmatisch umsetzen. Man muss immer anschlussfähig sein an die Gesellschaft und an die anderen demokratischen Parteien. Der Höhenflug bei uns hat nach den Jamaika-Verhandlungen in Berlin begonnen. Da haben alle gesehen, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Bei unserem Kernthema Klimaschutz sind wir hart geblieben, haben aber an anderen Stellen nachgegeben. Die Leute wollen wissen, wofür man steht, aber man darf nicht verbohrt und stur sein.
Wie haben es die Grünen geschafft, geschlossen aufzutreten?
Wir haben unsere Führung erstmals nicht nach Flügelproporz gewählt, sondern geschaut, wer die richtigen Leute für solch einen Job sind. Die Bevölkerung interessiert sich nicht für Flügelkämpfe.
Beim Bruch der GroKo könnten sich neue Machtoptionen in Berlin bieten. Sollten die Grünen dann über Jamaika verhandeln – oder dies erst nach Neuwahlen machen?
Wir haben nichts gegen Neuwahlen. Aber die anderen, die gerade im Tiefflug sind, habe sicher Angst davor. Die Regierung ist erst mal gewählt und soll was hinbekommen. Wenn sie scheitert, sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Sind die Grünen das Gegengewicht zur AfD?
Unser aktueller Erfolg hat viele Gründe. Ja, wir sind sowas wie das gesellschaftspolitische Gegenmodell zur rückwärtsgewandten und rechtspopulistischen AfD. Wir lassen uns auch von deren Populismus nicht infizieren. Aber man profitiert natürlich auch immer von der Schwäche anderer. Man muss ein überzeugendes Programm haben. Doch das alleine reicht nicht aus, wenn die Personen fehlen, die bereit sind, bei der Umsetzung der politischen Ziele Kompromisse einzugehen. Das Modell der alten Volksparteien wirkt nicht mehr und ich bin überzeugt, dass sich das so schnell nicht ändert. Keine Partei hat mehr große Stammwählerschaften. Es ist viel in Bewegung, die Parteiensysteme in der ganzen Welt sind sehr unbeständig geworden.
Ist es noch ein Vorteil, wenn man regiert?
Es ist immer besser zu regieren, als in der Opposition zu landen. Allerdings ist der Irrglaube in der Politik weit verbreitet, dass man für das, was man Gutes getan hat, belohnt wird. Das ist für viele Abgeordnete frustrierend. Da kommt plötzlich irgendeine Stimmung auf und es interessiert nicht mehr, was du schon Gutes getan hast. Die Wähler honorieren verlässliches Regieren. Sie verlangen zu Recht eine schlüssige und vertrauensvolle Arbeit und honorieren glaubwürdige Versprechen für die Zukunft.
In Sachen Luftreinhaltung ist vieles in Bewegung. Werden Sie die Situation noch einmal neu bewerten, bevor die Fahrverbote in Stuttgart endgültig in Kraft gesetzt werden?
Wir liegen in Stuttgart noch immer so dramatisch über den Grenzwerten, dass wir um die Fahrverbote für Euro-4-Diesel ab Januar nicht mehr rumkommen. Wir liegen in Stuttgart auch weit über den 50 Mikrogramm, die in der Bundesregierung neuerdings als Grenze der Verhältnismäßigkeit gesehen werden. Für Autos mit Euro 5 sieht es anders aus. Da überprüfen wir noch mal, ehe Fahrverbote erlassen werden. Die Luft wird von Jahr zu Jahr besser, aber bisher nicht schnell genug.
Innenminister Strobl ist mit der Verschärfung des Polizeigesetzes nach vorne geprescht – und hat die Grünen vor den Kopf gestoßen. Wie sehr stört das die Zusammenarbeit in der Koalition?
Mich hat es erstmal nicht so gestört. Jedes Ministerium hat das Recht, Vorschläge zu machen. Meine Fraktion hat sich etwas überfahren gefühlt. Das hat zu heftigen Irritationen geführt, das verstehe ich.
Die Grundfrage ist doch, ob man überhaupt eine gesetzliche Verschärfung braucht . . .
Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht so pauschal entscheiden. Allerdings haben wir zurzeit ein wesentlich akuteres Problem, das mit der Reform des Polizeigesetzes nicht direkt zu tun hat. Wir können Asylsuchende, die uns Probleme bereiten, oft erst packen, wenn sie schwere Straftaten begehen. Ich habe pauschal von Tunichtguten gesprochen. Damit meine ich auch Asylsuchende, die stehlen oder andere Menschen anpöbeln. Dafür kommt man nicht ins Gefängnis. Trotzdem können wir solche Dinge nicht dulden. Auch Asylsuchende müssen sich an unsere Regeln halten. Ein anderes Problem hat die Polizei, wenn sie in einer Flüchtlingsunterkunft durchsucht. Sie darf nur in das Zimmer des Verdächtigen. Die sind schon so schlau, dass sie ihr Zeug in anderen Zimmern, bei den vielen Asylsuchenden, die sich nichts zuschulden kommen lassen, verstecken. Man muss sehr präzise angucken, ob da gesetzliche Korrekturen nötig sind. Aus jedem Vorfall kann sich der Bedarf an Änderungen ergeben.
Was halten Sie von dem Vorschlag, straffällige Jugendliche auf dem Land konzentriert unterzubringen?
Problematisch wird es immer, wenn nicht Einzelne eine Straftat begehen, sondern eine Gruppe. Salopp gesagt ist das Gefährlichste, was die menschliche Evolution hervorgebracht hat, junge Männerhorden. Solche testosterongesteuerte Gruppen können immer Böses anrichten. Die Vergewaltigung in Freiburg ist ein schlimmes Beispiel. Solche Gruppen muss man trennen und an verschiedenen Orten unterbringen. Das ist eine höchst sinnvolle Maßnahme.
Was ist nach Ihrer Meinung zu tun, um die Dinge zu verbessern?
Eine Konzentration solcher Männer ist nicht so einfach zu realisieren, weil jede betroffene Kommune einen veritablen Aufstand machen wird. Und vielleicht auch falsch, weil sie dann immer noch zusammen sind und sich gegenseitig aufstacheln und bestärken. Man muss sie trennen und wahrscheinlich auch schauen, dass man solche Leute aus den Großstädten rausnimmt. Großstädte sind für solche Leute wegen der Anonymität attraktiv und weil sie dort Gleichgesinnte treffen. Der Gedanke, dass man da welche in die Pampa schickt, ist nicht falsch. Das sind Dinge, die wir gerade überlegen.
Solche Überlegungen haben wir schon vor dem Freiburger Fall angestellt, auch in der Konferenz der Ministerpräsidenten. Wir können nicht zulassen, dass eine kleine Minderheit eine große Zahl von rechtschaffenen Asylsuchenden diskreditiert. Es ist doch absurd, dass Leute hierher kommen, weil ihre Heimat nicht sicher ist, und sie dann unser Land unsicher machen. Ich finde, diese Personen haben ihr Gastrecht dann verwirkt. Es sind übrigens die integrationswilligen Flüchtlinge, die als erste sagen, das könnt ihr nicht zulassen, denn sie müssen das ausbaden.
