Herr Hermann, in wenigen Tagen soll Klarheit bei den Hardware-Nachrüstkosten für alte Diesel herrschen. Unklar ist noch immer, wer bezahlt. Kann sich die Bundesregierung bei den Autobossen nicht durchsetzen?

Von einem selbstbewussten Verhalten der Politik auf Bundesebene gegenüber der Autoindustrie kann keine Rede sein. Es ist nur ein ständiges Verstehen der Anliegen der Automobilbranche – und die Kunden sind zweitrangig. Zur Frage, wer die Kosten der Nachrüstung übernehmen soll, ist für mich völlig klar: Die Automobilindustrie hat Fahrzeuge mit viel zu hohem Schadstoffausstoß geliefert und muss deshalb auch für die nachträgliche Abgasreinigung aufkommen. Die Bundesregierung muss den Konzernen endlich mal klare Grenzen aufzeigen.

Warum sollte sie das tun?

Die Autoindustrie hat einen extremen Imageschaden für die deutsche Wirtschaft angerichtet und ist weltweit in Verruf geraten. Mit welcher Branche geht man so mit Samthandschuhen um, wenn sie so betrügerisch gehandelt oder getrickst hat? Wir sind auf dem Weg zur Digitalisierung und Elektrifizierung – und die Konzerne kleben noch an den alten Dieseln, die man angeblich nicht nachrüsten kann.

Gibt es Unterschiede an den verschiedenen Produktionsstätten?

Interessant ist ja, dass die deutsche Autoindustrie in Kalifornien oder in China wegen der großen Konkurrenz und der Auflagen der Politik bereit ist, mehr in die Elektromobilität zu investieren. Und in Deutschland erzählt man, dass die Elektrifizierung nicht so schnell geht. Ich habe den Eindruck, hierzulande macht man das Geschäft mit teuren schweren Dieselfahrzeugen und SUVs und finanziert so die Transformation des eigenen Konzerns, aber nicht zum Nutzen in Deutschland. Man hat Schwierigkeiten, ein deutsches Elektrofahrzeug in diesem Jahr zu erwerben, weil die Autobauer nicht lieferfähig sind. Wenn sie nicht liefern können, wird man halt anderswo E-Autos kaufen. Zum Beispiel haben Renault oder Mitsubishi Fahrzeuge, die auch für den normalen Bürger erschwinglich sind.

Porsche steigt als erster deutscher Konzern aus dem Diesel aus. Ein gutes Signal?

Absolut, ich war begeistert, als ich das gehört habe. Das zeigt übrigens auch, was die Unternehmen langfristig planen. In ihren Plänen sind sie längst auf dem Weg zur emissionsarmen Mobilität. Aber hier erzählen sie, das würde nicht gehen.

Hat die Politik die Zunahme des Individual- und öffentlichen Verkehrs zu lange unterschätzt?

Die Bundesregierung hat zu lange gehofft, dass durch neue Autos automatisch die Luft besser wird. Tatsächlich ist jedoch vieles schlechter geworden. So geht es beispielsweise bei der Modernisierung der Schiene nicht voran. Wir als Land haben ein Elektrifizierungskonzept für die Bahn vorgelegt. Der Bund hat dies auch im Koalitionsvertrag stehen. Aber es passiert nichts Substanzielles: kein Konzept und keine Finanzierung im Haushalt.

Was nehmen Sie von Ihrer Delegationsreise nach Kalifornien und Kanada mit?

„Think big“. Wenn du nicht groß denkst, dann erreichst du nichts Großes. Hier in Deutschland und auch in Baden-Württemberg hat man den Eindruck, man versucht den möglichst kleinsten Nenner zu finden. Hier in Stuttgart muss man um jeden Meter Radweg und um jede Busspur kämpfen. Groß denken wäre: Radnetz und Busspuren für die ganze Stadt. Das heißt: Mobilität für alle verbessern.

Auf dem Landesparteitag der CDU hat sich die Basis gegen großräumige Fahrverbote ausgesprochen. In Stuttgart setzt die CDU in der Regierung diese bald um. Ein Widerspruch?

Ich muss klar sagen: Es gelten die Gesetze, weil wir ein Rechtsstaat sind. Die CDU-Basis fällt ihrer eigenen Landtagsfraktion in den Rücken. Diese hat viele wirksame Maßnahmen und damit auch die Fahrverbote für Euro 4 Diesel in Stuttgart mitbeschlossen. Das zeigt: Ein Großteil der CDU ist nicht auf der Höhe der Zeit, wenn es um Klima- und Umweltschutz geht.

Wie sollen die Fahrverbote kontrolliert werden?

Die Polizei wird die Kontrollen machen müssen. Aber natürlich ist es ein Problem, dass wir bis jetzt keine blaue Plakette haben, was die Kontrollen erleichtern würde. Aktuell arbeiten Regierungspräsidium, Landespolizei und Kommunalbehörden an Lösungen. Das Kontrollkonzept muss spätestens an Weihnachten stehen.