Andreas Stoch gibt sich kampfeslustig. Das muss er wohl auch, die Landtagswahlen im März 2021 sind nicht mehr allzu fern. Und der SPD-Landesvorsitzende greift da an, wo er es am besten kann: Als früherer Kultusminister und Vorgänger der CDU-Bildungsministerin Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der Partei, ist Angriffsfläche geboten.

Während Eisenmann zum Weltlehrertag noch die Verdienste der Lehrer lobt und betonte: „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Schüler ihre Lehrer brauchen – und zwar persönlich und direkt.“ Die Coronakrise hat die Defizite in der baden-württembergischen Schule aufgezeigt wie wohl seit der Pisa-Studie nicht mehr, meint dagegen Stoch.

„Frau Eisenmann verteidigt den Status Quo der Vergangenheit“, sagt Stoch im Redaktionsgespräch mit dem SÜDKURIER. Derzeit tourt der SPD-Fraktionsvorsitzende durch das Land, er will Ideen sammeln und den Austausch suchen mit Eltern und Lehrern, für Schulkonzepte, die krisenfest sind.

„Riskieren, das alles zusammenbricht“

„Derzeit sind die Schulen zurück im Vollbetrieb, aber die Infektionszahlen steigen. Wir riskieren, dass alles wieder zusammenbricht“, sagt Stoch. Er selbst wirbt seit Mai mit einem Papier für Alternativen. So könnten Schüler, die zu Hause keine oder nicht ausreichende technische Ausstattung für digitalen Unterricht haben, in die Schule kommen, während jene, die ausgestattet seien, zu Hause unterrichtet werden könnten – zugeschaltet ins Klassenzimmer.

Andreas Stoch beim Redaktionsbesuch im SÜDKURIER-Medienhaus im Gespräch mit Politikchef Dieter Löffler und Chefredakteur Stefan Lutz.
Andreas Stoch beim Redaktionsbesuch im SÜDKURIER-Medienhaus im Gespräch mit Politikchef Dieter Löffler und Chefredakteur Stefan Lutz. | Bild: Moll, Mirjam

Auch für den Lehrermangel auf Grundschulebene hat er ein Konzept. So könnten Lehrer aus der Sekundarstufe in die Primarstufe wechseln, zeitlich befristet. In der gleichen Zeit könnte der Überschuss an Gymnasiallehrern auf Real- und Werkschulen verteilt werden.

Im Schuljahr 2018/19 unterrichteten insgesamt 136.282 Lehrkräfte an öffentlichen und privaten allgemeinbildenden bzw. beruflichen Schulen, wie aus einer Erhebung des Landesstatistikamts hervorgeht.

Lehrermangel hat verschiedene Gründe

Tatsächlich machten angehende Gymnasiallehrer unter den etwa 4400 Absolventen der vergangenen beiden Semester den größten Teil aus. 38 Prozent entfallen auf das Gymnasiallehramt. Dagegen steht eine zunehmend höhere Quote von Studienabbrechern, besonders bei Grundschullehrern.

Sie liegt den Angaben zufolge inzwischen bei etwa 45 Prozent, wie aus einer Studie des Kultusministeriums von 2019 hervorgeht. Darin wurde auch der Lehrerbedarf bis 2030 errechnet: Demnach würden mehr als 10.000 Stellen gebraucht. Gleichzeitig kämpft das Schulsystem mit einer Pensionierungswelle.

Andere Fortbildung gefordert

Zudem müsste das Fortbildungssystem der Lehrer reformiert werden. Eisenmann sagt, die Lehrkräfte widmeten sich „mit großem Engagement den Herausforderungen der heutigen Zeit: Fernlernen, Digitalisierung und Integration sind nur einige Schlagwörter.“ Stoch sieht das anders: „Wir brauchen ein dezentraleres Verständnis von Fortbildung“, fordert Stoch.

Der frühere Kultusminister will solche Fortbildungen direkt in den Schulen umsetzen, nicht nur einen, sondern mehrere Lehrer daran beteiligen. Mehr denn je sei es notwendig, sich mit digitalen Unterrichtsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. „Ein Teil der Lehrerschaft hat die Digitalisierung aber nicht mitgemacht“, bemängelt Stoch. Gerade diese Lehrkräfte müssten nun schnell viel nachholen, verlangt der SPD-Politiker.

Viele Regelungen an den Schulen seien nicht mehr zeitgemäß: So seien Lehrer nach wie vor dafür eingeteilt, die IT der Schule zu pflegen, obwohl sie gar nicht dafür ausgebildet seien. „Das ist eine Aufgabe für das nichtlehrende Personal an den Schulen“, sagt Stoch.

Andreas Stoch beim Redaktionsbesuch im SÜDKURIER Medienhaus.
Andreas Stoch beim Redaktionsbesuch im SÜDKURIER Medienhaus. | Bild: Moll, Mirjam

Kultusministerin Eisenmann hält Stoch vor, sie habe in der Krise nicht gehandelt. „Eisenmann interessiert sich gar nicht für das Thema Schule, sie denkt nur an ihren Wahlkampf„, kritisiert ihr Amtsvorgänger. Ein zentraler Ansatz habe gefehlt, die Schulen waren auf sich gestellt, bemängelt er. „Wer auf Vorgaben aus dem Kultusministerium wartet, der wartet heute noch“, schimpft der SPD-Mann. So aber sei es von Schule zu Schule unterschiedlich gewesen, ob und wie der Unterricht während der Krise stattfand.

Eisenmann würde wohl das im März eingeführte Lern-Management-System Moodle anführen, gerade erst hat der verschlüsselte Instant-Messenger-Dienst Threema den Zuschlag bekommen als Teil der digitalen Bildungsplattform, in die das Land investiert. 20.000 Lehrer nutzten den Dienst bereits, teilte das Ministerium Ende September mit.

Hoffnung auf Rot-Grün

In Stochs Augen hat Eisenmann aber zu wenig konkrete Vorgaben für die Schulen gemacht – insbesondere in Zeiten von Corona. Der SPD-Fraktionschef will im März jedenfalls nicht mehr Oppositionsführer sein. Er hofft auf eine grün-rote Koalition. Zwischen Grünen und SPD gebe es größere Schnittmengen als zwischen Grünen und Union, sagte Stoch. Der frühere Kultusminister spekuliert auf sein einstiges Amt. Ideen hat er ja.