„Triage“ steht über dem Eingang zu einer mobilen Rettungsstation, die gerade bei Rheinmetall Mobile Systeme (RMS) in Meckenbeuren gebaut wird. Der medizinische Container kommt bald in der Nähe der Front im Osten der Ukraine zum Einsatz. Dort, wo die ukrainische Armee sich gegen den russischen Angriffskrieg zur Wehr setzt. Ärzte werden darin dann vielleicht entscheiden müssen, welche Soldaten in welcher Reihenfolge mit welcher Hilfeleistung behandelt werden.

„Unsere Produkte retten Leben an der Front“, sagt Armin Krenn, Geschäftsführer vom RMS. „Aber auch in den großen Städten, wo man so die Akutbetreuung aufrechterhalten kann, wenn ein Krankenhaus zerschossen wird.“ OP-Saal, Röntgenraum, Intensivstation: „Alles, was ein stationäres Krankenhaus ausmacht, lagern wir mobil in Containersystemen“, sagt Krenn weiter. Dazu gehörten auch Zahnarztpraxen, Labore, Behandlungsräume oder eine Gynäkologie.

Armin Krenn (40), Geschäftsführer von Rheinmetall Mobile Systeme in Meckenbeuren
Armin Krenn (40), Geschäftsführer von Rheinmetall Mobile Systeme in Meckenbeuren | Bild: Tutschner

Vor der Fertigungshalle bei RMS in Meckenbeuren steht gerade eine nagelneue mobile Station, montiert auf Militärfahrzeugen. In den kommenden Wochen wird dieses medizinische System an die Ukraine ausgeliefert. „Unser Ziel ist es, pro Quartal eine Rettungsstation zu übergeben“, sagt Krenn. Die jetzt fertiggestellte sei die fünfte, geplant seien noch fünf weitere.

Ukrainische Soldaten würden zunächst in Meckenbeuren an den Geräten ausgebildet. Dabei geht es um Auf- und Abbau, sowie um die Bedienung der medizinischen Technik. Kurz darauf seien die Stationen im Einsatz an der Front. Die Container von RMS seien die Antwort auf die veränderte Kriegsführung. Früher habe man in der Nähe der Front eine komplette Lazarettstadt aufgebaut, was etwa drei Wochen gedauert habe. „Wenn sie heute so etwas in der Ukraine aufbauen, steht das nicht mal eine Stunde“, sagt der Geschäftsführer, „der Feind nimmt auf rote Kreuze auf den Dächern keine Rücksicht mehr.“

In 30 Minuten ist die Rettungsstation einsatzbereit

Heute benötige man kleinere Einheiten, die top ausgestattet, geschützt und höchst mobil sind. Schnelle Auf- und Abbauzeiten seien entscheidend. Wo es früher um Wochen ging, gehe es heute um Minuten: Die mobilen Rettungsstationen von RMS seien innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit. Im Ernstfall eines Angriffs könne man damit „einsteigen und abfahren. Der Ukraine-Krieg lehrt uns, dass man schnell, hoch geschützt und mobil sein muss“. Die Wände der Container können auch mit Panzerstahl ballistisch geschützt werden, sie halten also schweren Beschuss durch Maschinengewehre ab, nicht aber Raketen- oder Drohnenangriffe.

„Wir integrieren medizinische Geräte, wie zum Beispiel einen Computertomografen so, dass er auch frontnah eingesetzt werden kann“, sagt Krenn. Die Geräte seien schwingend gelagert, sodass sie auch Belastungen während der Fahrt und im Einsatz aushalten können. „Wir sind mit unseren mobilen Einheiten in wenigen Minuten bei den verwundeten Soldaten und können sofort eine Akutbehandlung durchführen.“ Das sei das große Know-how vom RMS: Dinge, die für ein Krankenhaus vorgesehen sind, so zu integrieren und zu lagern, dass sie mobil und frontnah einsetzbar sind.

Neben den mobilen Krankenhäusern gibt es bei RMS ein zweites großes Geschäftsfeld: Die sogenannten „Custom Made Shelter“. Dabei handelt es sich um mobile, militärische Einsatz- und Kommandozentralen, in denen vor allem Kommunikationstechnik untergebracht ist.

Was man früher als Fernmeldekabinen bezeichnete, hat sich mittlerweile zu geschützten High-Tech-Räumen entwickelt: Die Container sind laut Krenn hochfrequentdicht, sie können also von außen nicht abgehört oder gestört werden. „High-end-Aluminium-Bauweise“, sagt der Geschäftsführer. Vom Stromaggregat über die Arbeitsstation bis zum ABC-Filter werden die Kabinen komplett in Meckenbeuren ausgestattet.

Bei den Kommunikations-Containern gehe es schon heute und künftig noch viel mehr um den Einsatz von Drohnen, die ja von irgendwo gesteuert werden müssten. Etwa für das Rüstungsprojekt mit dem Kürzel Tawan seien die Container von Rheinmetall in Meckenbeuren der erste Ausgangspunkt. Tawan gilt als ein Schlüsselprojekt der Bundeswehr zur Digitalisierung und Vernetzung der Landstreitkräfte.

Hauptkunde ist die Bundeswehr

Man entwickle die mobilen Einsatzräume individuell für den Kunden, was Größe und Ausstattung angeht. Die Container sind auch ausziehbar und können ihr Volumen damit verdreifachen. Die Ausstattung bezieht RMS von Zulieferern und integriert sie in die Container.

In aller Munde ist aktuell das bodengestützte Luftabwehrsystem Iris-T von Diehl, das auch in der Ukraine eingesetzt wird. Dafür liefert RMS die Versorgungs- und Logistik-Container, sowie die für das Radar, das von Hensoldt in Ulm kommt. Das System soll auch wesentlicher Bestandteil des geplanten European Sky Shield Initiative (Essi) sein. „Wir sind stolz, dass wir für dieses System den ersten Baustein hier in Meckenbeuren legen“, so Krenn.

Für viele ist kaum bekannt, dass Rheinmetall (neben Rheinmetall Soldier Electronics in Stockach) einen weiteren Ableger am Bodensee hat. Denn erst 2021 hat RMS das Unternehmen Zeppelin Mobile Systeme (ZMS) hier übernommen. „Rheinmetall konnte sein Portfolio damit entscheidend erweitern“, sagt Krenn.

Durch die Übernahme durch den Rheinmetall-Konzern landen die Produkte aus Meckenbeuren mittlerweile in einem Vertriebsnetzwerk von 100 Niederlassungen weltweit. Man ist auf den großen Messen der Verteidigungsbranche präsent. Die Kunden kommen aus 40 verschiedenen Ländern, Hauptkunde ist die Bundeswehr.

Von etwa 100 Mitarbeitern bei der Übernahme ist das Unternehmen auf heute 153 angewachsen. „Und wir müssen weiter wachsen“, sagt Krenn, „wir sind ständig auf der Suche nach neuen Kollegen.“ Bei RMS geht es dabei vor allem auch um klassische Arbeiter in der Montage, vom Schweißer bis zum Maschinenführer oder Elektrotechniker.

RMS versuche derzeit regionale Partnerschaften in der Region zwischen Friedrichshafen und Ravensburg aufzubauen, um Spitzen in der Produktion abzudecken. „Wir nutzen derzeit die frei werdenden Kapazitäten im Automobilbereich“, sagt der Rheinmetall-Geschäftsführer.

Ziel sei es, in den kommenden Jahren auf etwa 250 festangestellte Mitarbeiter anzuwachsen. Die Produktion soll komplett in Meckenbeuren bleiben. Der Umsatz wächst laut Krenn seit der Übernahme durch Rheinmetall jedes Jahr zweistellig. Im laufenden Jahr plant man mit 50 Millionen Euro Umsatz. Mittelfristig peilt man 100 Millionen Euro an.