An fast jedem Tag ist im Kulturhaus im Fallenbrunnen Programm geboten. Theater, Jazz, Lesungen, zwei Ausstellungen, Kabarett, Konzerte, Partys: 15 verschiedene Angebote stehen allein im Februar auf dem Plan der Caserne gGmbH als Veranstalter. „Es gibt kein anderes Haus in Friedrichshafen, das ein kulturelles Angebot in dieser Bandbreite für alle Altersgruppen abdeckt“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Claus-Michael Haydt.
Und das mit Erfolg: Im vergangenen Jahr zählte das Kulturhaus 44.000 Besucher bei über 400 Veranstaltungen, so viel wie noch nie. Doch schwingt im 30. Jahr des Bestehens auch große Sorge mit. „So, wie es heute ist, gebe ich dem Haus keine fünf Jahre mehr.“
Sanierung kostet rund 25 Millionen Euro
Es gibt zwei zentrale Probleme: Die Caserne muss eigentlich von Grund auf saniert werden, vor allem das Dach. Und das kostet Geld, sehr viel Geld. Claus-Michael Haydt spricht von rund 25 Millionen Euro. Die Stadt ist Eigentümerin, lässt den Gebäudekomplex aber langsam verrotten. Dabei beschloss der Gemeinderat vor fünf Jahren, 4,4 Millionen Euro als erste Tranche für die Sanierung bereitzustellen. Passiert ist augenscheinlich wenig. Ganz im Gegenteil: Im Oktober 2020 untersagte das Rathaus monatelang die Nutzung und verordnete der Kulturstädte eine Zwangspause.

Das Kino „Studio 17“ und der Club „Metropol“ sind seither dauerhaft zu, weil es an Fluchtwegen oder Brandschutz mangelt. Während für das Programmkino im Karl-Maybach-Gymnasium eine alternative Spielstätte gefunden wurde, gibt es für junge Leute seit der Schließung des „Gerrix“ am anderen Ende der Stadt nun gar keine Diskothek mehr. Woran hängt die mehrfach versprochene Wiedereröffnung? Fürs Metropol brauche es neue Toiletten, eine neue Treppe zum Künstlerbereich und dessen Sanierung im Obergeschoss sowie Akustik-Arbeiten an der Decke der Disko und der Einbau einer Lüftungsanlage, so die Stadt.

Baugenehmigung fehlt
Klingt machbar, wird aber seit fünf Jahren nicht gemacht, obwohl Geld da ist. Auf Anfrage erklärt das Rathaus: Einzelne Maßnahmen vorzuziehen sei weder sinnvoll noch rechtlich möglich, weil es für die Sanierung der Caserne im Ganzen eine Baugenehmigung brauche. Denn für die Stadt ist das Gebäude-Karree eine Versammlungsstätte und müsse auch so betrachtet werden. Mit anderen Worten: Bevor irgendetwas saniert wird, braucht es einen genehmigten Plan für den gesamten Komplex. Erst dann könne man schrittweise loslegen. Warum dann 4,4 Millionen Euro für „erste Sanierungsarbeiten“ bereitgestellt wurden, erschließt sich nicht.

Von dieser Summe stehen aktuell noch rund 3,8 Millionen Euro zur Verfügung. Der Differenzbetrag, also rund 600.000 Euro, flossen nach Angaben der Stadt in die Vorplanung für Umbau und Sanierung sowie Sofortmaßnahmen, zum Beispiel Dachsicherung oder Behebung von Wasserschäden und statischer Mängel. Seit 2019 habe die Stadt insgesamt rund 1,17 Millionen Euro einschließlich Bauunterhalt für die Caserne ausgegeben.
2023 Suche nach Investor beschlossen
Größere Maßnahmen wurden 2023 allerdings zurückstellt. Für die Caserne gibt es seit Jahren ein neues Nutzungskonzept. Der erste große Schritt soll die Neugestaltung und Sanierung des Längsflügels zur Straße hin werden. Zu teuer, befindet das Rathaus. „Die dafür notwendigen Mittel übersteigen die 2020 beschlossene Summe um ein Vielfaches“, antwortet eine Sprecherin auf Anfrage.
Und nun? Vor zwei Jahren gab die Stadt grünes Licht für die Suche nach einem Investor – ohne Erfolg. „Aktuell spricht die Verwaltung mit der Kulturhaus Caserne gGmbH über die Möglichkeit einer Übernahme des Gebäudes durch die gGmbH“, bestätigt das Rathaus. Die Rede ist von Erbpacht. Die noch vorhandenen 3,8 Millionen Euro könnten so im Rahmen eines Modernisierungsvertrags ans Kulturhaus gehen. Vorteil: Die Sanierung ginge schneller, weitere Gelder könnten über Crowdfunding und Sachspenden akquiriert werden. Außerdem sei privates Bauen in der Regel günstiger als öffentliches Bauen.
Betrieb läuft am Limit
Claus-Michael Haydt bestätigt die Gespräche. Doch so einfach sei die Sache nicht. „Personell laufen wir am Limit“, erklärt der Caserne-Chef. Vergleichbare Häuser wie etwa der „Spielboden“ in Dornbirn hätten das Doppelte an Mitarbeitern und Budget bei diesem Veranstaltungsangebot. Ohne den Freundeskreis im Hintergrund sei das auch nicht mehr zu schaffen. Parallel noch eine Riesen-Baustelle zu planen und zu betreuen, brauche Fachpersonal.
Außerdem geht es für ihn nicht nur um die Sanierung der Caserne, sondern auch um den Bauunterhalt. „Wir brauchen die Ressourcen. Allein die Dachsanierung ist mit 6 Millionen Euro veranschlagt“, sagt Claus-Michael Haydt. Wie mit 3,8 Millionen Euro der gesamte Gebäudekomplex flott gemacht werden soll, was die Stadt mit ihren Mitteln in den letzten 20 Jahren nicht geschafft hat, dafür fehlt es ihm an Vorstellungskraft. „Ich hoffe auf unseren neuen OB und dass er Wort hält“, sagt er.
Stadt sieht „keine Spielräume“
In diesem Jahr feiert die Caserne das 30-jährige Bestehen. Was tut die Stadt, damit das Kulturhaus bis zum 35. Geburtstag nicht wegen Baufälligkeit komplett geschlossen werden muss? „Die Möglichkeiten der Stadt sind finanziell und personell begrenzt. In den kommenden Haushaltsjahren wird es kaum Spielräume geben“, stellt die Sprecherin klar, „gerade in Zeiten von Pflicht vor Kür“. Die Übergabe in Erbpacht sei „eine große Chance“. Es klingt wie das letzte Angebot.