Enten gibt es am Bodensee wie Sand am Meer. Doch eine größere Gruppe fällt Tina Bühler am Ufer vor Friedrichshafen auch heute immer sofort auf. Es sind die Enten, die sie in den vergangenen Wochen aufgezogen hat – bei sich zu Hause.

So fängt alles an

Im Frühjahr findet die 41-Jährige auf einem Boot in Friedrichshafen 13 verlassene Enteneier. In der Hoffnung, dass die Enteneltern zurückkehren, lässt sie das Nest über Nacht unberührt. Vergeblich.

„Die Eier waren eiskalt“, erinnert sich Bühler. In den Nächten sinken die Temperaturen auf unter zehn Grad. Ihr wird schnell klar: „Ich kann die Eier hier nicht einfach liegen lassen.“

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Nach Absprache mit dem Tierschutz und -heim in Friedrichshafen nimmt sie die Eier mit nach Hause – unter einer Bedingung: „Es war von vornherein klar, dass wir die Enten wieder auswildern.“

Nach vier Wochen schlüpfen die ersten Küken

Erfahrung mit Enten hat Tina Bühler nicht – wohl aber mit Hühnern. Die erste Nacht verbringen die Eier auf einer Wärmflasche. Wenig später leiht ihr ein Freund einen Brutautomaten aus. „Darin haben wir die Eier dann vier Wochen lang hin und geschaukelt“, sagt sie.

Über fünf Tage lang schlüpfen die Entenküken aus den Eiern. Von 13 schaffen es am Ende 10 Enten.
Über fünf Tage lang schlüpfen die Entenküken aus den Eiern. Von 13 schaffen es am Ende 10 Enten. | Bild: Tina Bühler

Dann ist es endlich soweit: Die ersten beiden Entenküken schlüpfen. Wie sich im Nachhinein herausstellt, handelt es sich bei den Beiden um eine schnell wachsende Rasse. „Die haben später auch ein wenig die Mutter- und Vaterrolle für die anderen Kleinen eingenommen“, erzählt Tina Bühler.

Aus süß wird schnell viel Arbeit

Fünf Tage lang schlüpft ein Küken nach dem anderen. Am Ende sind es zehn gesunde kleine Enten. Und für Familie Bühler beginnt ein völlig neuer Alltag. Besonders pflegeleicht sind Enten nämlich nicht. Täglich müssen die Kleinen gefüttert, gebadet und gesäubert werden.

Wenige Wochen nachdem sie geschlüpft sind, ziehen die Enten in den Garten.
Wenige Wochen nachdem sie geschlüpft sind, ziehen die Enten in den Garten. | Bild: Tina Bühler

„Ähnlich wie bei einem Neugeborenen“, sagt Tina Bühler lachend, die selbst dreifache Mutter ist. Zunächst wohnen die Küken im Haus – mal im Keller, mal in der Küche. Später bekommen sie ein eigenes Gehege mit Wasserbecken im Garten.

Eine Familie hilft der anderen

„Ich hab mir das alles so romantisch vorgestellt“, sagt Tina Bühler rückblickend. Als Familientherapeutin habe sie sich gedacht: „Jetzt müssen wir halt dieser kleinen Familie helfen.“ Eine verletzte Ente, ein Ausfall der Wärmelampe am Samstagabend nach Ladenschluss – es gibt viele Momente, die die Familie auf die Probe stellen.

Mehr als nur süß sein: Die kleinen Entenküken bedeuten viel Arbeit.
Mehr als nur süß sein: Die kleinen Entenküken bedeuten viel Arbeit. | Bild: Tina Bühler

Umso dankbarer ist Tina Bühler auch heute noch für die Hilfe von Freunden, Bekannten und Nachbarn. Die einen stelle, Futter zur Verfügung, die anderen übernehmen die Pflege, wenn Familie Bühler im Urlaub ist.

Nach sieben Wochen naht der Abschied

Auch innerhalb der Familie gibt es viel Unterstützung – besonders Tochter Lena ist mit vollem Herzen dabei. „Sie hat immer viel geholfen und dabei gelernt, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Tina Bühler stolz. Doch trotz der Fürsorge achtet die Familie darauf, den direkten Kontakt zu den Tieren auf das Nötigste zu beschränken. „Uns war wichtig, dass sie später in der Natur zurechtkommen.“

Tochter Lena hat sich viel um den Entennachwuchs gekümmert. Beim Aussetzen am See ist sie dabei.
Tochter Lena hat sich viel um den Entennachwuchs gekümmert. Beim Aussetzen am See ist sie dabei. | Bild: Tina Bühler

Nach sieben Wochen ist es dann soweit: der Moment des Abschieds. An einem ruhigen Morgen Mitte Juli bringt die Familie die Enten in einer Transportbox nach Seemoos ans Ufer. Jede Ente wird einzeln verabschiedet. Besonders für Tochter Lena ist der Abschied schwer. Ihr waren die Tiere über die vergangenen Wochen sehr ans Herz gewachsen.

Regelmäßig gibt es ein Wiedersehen

Anfangs zögert die Gruppe. Gerade mal einen Meter trauen sich die Enten raus und gehen vorsichtig ins Wasser. Doch schon am nächsten Tag schwimmen die Enten fleißig im Bodensee – erst in Ufernähe, dann weiter hinaus. Dort sind sie auch heute noch regelmäßig zu sehen. „Wir entdecken sie ganz oft zusammen“, sagt Tina Bühler. Denn die Gruppe sticht nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch eine einzelne weiße Ente heraus.

Nach sieben Wochen sind die Küken zu richten Enten herangewachsen und ziehen in den Bodensee.
Nach sieben Wochen sind die Küken zu richten Enten herangewachsen und ziehen in den Bodensee. | Bild: Tina Bühler

Auch anderen Spaziergängern geht es scheinbar so. „Mittlerweile sind sie eine richtig bekannte Entenfamilie geworden“, sagt Tina Bühler. „Ich sehe ganz oft Fotos und Videos bei Instagram oder in einem WhatsApp-Status.“

Der erste Kontakt mit dem Bodensee Video: Tina Bühler

Ob sie sich ein solches Abenteuer noch einmal vorstellen kann? Bei dieser Frage überlegt Tina Bühler etwas länger. „Ja, doch schon“, sagt sie und lacht. „Aber vielleicht nicht gleich in nächster Zeit.“