Wie wird Radolfzell zum Touristenmagnet? Diese Frage stellten sich die Mitglieder des Hotelkreises, der Stadtverwaltung und Vertreter des Gemeinderates bei einem gemeinsamen Termin. Der Hotelkreis Radolfzell, in dem Hoteliers und Gastronomie-Betreiber der Stadt organisiert sind, hatte um dieses Treffen gebeten, um gemeinsam an Zukunftsperspektiven für den Tourismus zu arbeiten. Neben der grundsätzlichen Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Tourismusbranche in der Stadt wurde ein konkretes Projekt benannt, welches nun geprüft werden soll: ein Freizeitbad.

Pläne für ein Freizeitbad hatte es bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren im Streuhau gegeben, bis es jetzt vor Kurzem komplett unter Landschaftsschutz gestellt wurde. Geplant war dort eine Ferienanlage als Erweiterung des Bora-Hotels. Diese Expansion wurde zugunsten des Naturschutzes politisch verhindert. Für den Hotelkreis eine Fehlentscheidung und Anlass für die Diskussion, was man jetzt stattdessen machen könne.

„Es braucht ein Anziehungspunkt für Besucher und Einheimische aus der gesamten Region – auch bei schlechtem Wetter.“Markus Kümmerle, ...
„Es braucht ein Anziehungspunkt für Besucher und Einheimische aus der gesamten Region – auch bei schlechtem Wetter.“Markus Kümmerle, Inhaber Hotel K99 | Bild: Schneider, Anna-Maria

Markus Kümmerle, Mitglied des Hotelkreises und Inhaber des Hotels K99, erklärt die Idee: „Es braucht ein Anziehungspunkt für Besucher und Einheimische aus der gesamten Region – auch bei schlechtem Wetter.“ Diese Idee habe man Verwaltung und Gemeinderat vorgestellt. Doch bevor man nun über das Für und Wider eines solchen Großprojektes diskutiere, mahnt Kümmerle zu Pragmatismus. „Erst braucht es ein Grundstück, auf dem das überhaupt möglich wäre. Wenn wir das nicht finden, brauchen wir über diese Idee gar nicht sprechen“, so der Hotelbesitzer.

Der Hotelkreis hält es für den besseren Weg, mit einem geeigneten Grundstück auf einen Investor zuzugehen und es nicht schon im Vorfeld kaputt zu reden. Ein solches Projekt würde ohnehin enorme Investitionen benötigen. Das Konstanzer Schwaketenbad beispielsweise hat mehr als 41 Millionen Euro gekostet, das Sportbad in Friedrichshafen auch fast 40 Millionen Euro.

Stadt will Grundstücke prüfen

Die Stadtverwaltung habe den Prüfauftrag angenommen, nach Arealen zu schauen, die dafür infrage kämen. Also erste Idee brachte Kümmerle das Grundstück ins Spiel, welches für den Klinik-Neubau angedacht war. Der Krankenhausneubau des Gesundheitsverbundes ist nach Beschluss des Kreistages nach Singen verlegt worden. Radolfzell hatte damals zwei Grundstücke vorgeschlagen. Eines an der B33/B34, auf der Fläche einer ehemaligen Kiesgrube. Das zweite liegt in Radolfzell-Böhringen südlich der Bahnlinie und ist 14,3 Hektar groß.

Wichtig sei auch eine frühzeitige Beteiligung der Umweltverbände. „Ein Spaßbad klingt erst einmal nicht sonderlich nachhaltig, aber wir sind alle durchaus an einer nachhaltigen Lösung interessiert“, so Kümmerle.

Tourismus-Branche wird immer wichtiger

Im Gespräch sei keiner der Beteiligten ausdrücklich abgeneigt gewesen, so die Einschätzung des Hoteliers. Was er positiv bewerte, sei das Gefühl, dass jeder die Bedeutung der Tourismus-Branche sehe. Diese macht rund 30 Prozent der Wirtschaftskraft der Stadt Radolfzell aus. Doch sieht Kümmerle vor Ort noch viel Entwicklungspotenzial. Zumal es aktuell mehr Nachrichten über Schließungen in der Stadt gebe als Neueröffnungen.

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Dabei hat der Hotelkreis Vergleichszahlen ähnlich großer Städte wie Radolfzell zusammengestellt. Überlingen hat 22.700 Einwohner, aber ähnlich viele Hotels wie Radolfzell mit seinen 31.700 Einwohnern. In Überlingen gibt es zirka 33 Hotels und Pensionen, in Radolfzell 28, so die Recherche des Hotelkreises. Bei den Übernachtungszahlen vermeldet Überlingen mehr als 500.000 Übernachtungen, abzüglich der Übernachtungen, welche durch den Kur-Betrieb erwirtschaftet werden. In Radolfzell sind es ohne die Kurgäste nur 244.900 Übernachtungen, so die Berechnungen des Hotelkreises.

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Radolfzell müsse sich also besser am Markt positionieren und seine Alleinstellungsmerkmale besser vermarkten. Und dies könne durchaus ein naturnahes Seeufer sein, aber eben nicht nur dies. Verändern könne sich etwas, wenn man ein Gesamtkonzept umsetze, sowie das Ufer konsequent neu gestalte und besser vermarkte. Denn der See alleine reiche nicht mehr aus.

Bewusster Genuss und Entschleunigung

Die Vision des Hotelkreises umfasst beispielsweise einen neuen Markenkern für die Stadt, welcher explizit auf bewussten Genuss und Entschleunigung setze. Attribute, die auch die Bevölkerung an Radolfzell zu schätzen wisse. „Raum, Ruhe und Rhythmus“, so die Oberthemen. Oder auf Englisch: „Slow Life Capital am Bodensee“, übersetzt: Die Hauptstadt des langsamen Lebens. Wobei das langsame Leben keine Schwäche, sondern in der schnelllebigen, hektischen Welt der wahre neue Luxus sei.

Doch ähnlich wie bei dem Freizeitbad als Anziehungspunkt in der Region, unabhängig von Saison und Wetter, brauche es für solch ein Konzept politische Unterstützung. Es brauche schnellere Entscheidungen im Rat, damit könne man mehr bewegen, ist sich Kümmerle sicher. Der Hotelkreis wolle den aufgenommenen Gesprächsfaden mit Verwaltung und Gemeinderat fortsetzen und Schritt für Schritt Konzepte erarbeiten.