Die Kirschbäume sind in den Streuobstwiesen am Dorfrand von Schlatt am Randen – kurz vor der Schweizer Grenze – zwischen Äpfel- und Birnenbäume nicht zu übersehen. Und immer zu Sommerbeginn stehen an den Bäumen lange Leitern. Dann ist die Kirschenernte in vollem Gange. Doch nur ein Teil der Früchte wird an Privatleute abgegeben. Ein weiterer Teil der Kirschen wird von vier Brennereien im Dorf für die Herstellung von Schnaps und Likör eingeschlagen.

Die Brennerei hat landwirtschaftlich eine wesentliche Bedeutung, um die Ernte zu verwerten, weiß Ulrich Müller vom badischen Kleinbrennerverband. Rund um den klassischen Obstler sind in jüngster Zeit allerlei Variationen entstanden – vom Schwarzwald-Whiskey bis zum Gin aus badischen Landen. „Viele Kleinbrenner können ihrer Kreativität bei der Herstellung dabei mit den verschiedenen Botanicals freien Lauf lassen. Nicht selten wird auch Obst mitverarbeitet – sicherlich eines der Merkmale unseres Gins“, erklärt der Verbandsvorsitzende Müller. In Badens Brennkesseln landen immerhin jährlich rund 45.000 Tonnen Kernobst, darunter 10.000 Tonnen Kirschen.

„So wie die Bäume in diesem Jahr voll hingen, konnten wir viele Fässer füllen“, sagt Brenner Alfons Zipperer. Er bewirtschaftet 750 Streuobstbäume und kann an 50 Kirschbäumen ernten.

Hoch hinauf heißt es bei der Kirschenernte: Immer zu Sommerbeginn stehen die langen Leitern an den Obstbäumen im Hilzinger Ortsteil ...
Hoch hinauf heißt es bei der Kirschenernte: Immer zu Sommerbeginn stehen die langen Leitern an den Obstbäumen im Hilzinger Ortsteil Schlatt am Randen. | Bild: Elisabeth Stauder

Einen neuen Großabnehmer beliefert er besonders gern: seinen Sohn Fabian. Dieser stellt zusammen mit Mihael Tivadar in der Brennerei des Vaters seit vier Jahren unter der Verwendung von Schlatter Kirschen Gin her. „Wir benötigen für die Herstellung von mittlerweile fünf verschiedenen Sorten Gin rund 1000 Kilogramm Kirschen“, erklärt Fabian Zipperer. Wie wichtig Kirschen im Hegaudorf Schlatt sind, zeigt sich auch an den Narren im Ort: Sie nennen sich ‚Schlatter Chriesi‘ und ihr Häs mit Holzmaske stellt eine Kirsche dar.

Hauptberuflich ist Zipperer als Bautechniker im Baumanagement tätig. Die Herstellung des Gins machen er und Tivadar nebenher, ist also noch Hobby. Während Tivadar der kreative Kopf des Teams ist und ein Händchen fürs Design hat, ist Zipperer fürs Brennen und die technische Umsetzung zuständig. Das hat er von seinem Vater Alfons gelernt, der 35 Edelbrände und Liköre herstellt, alle mit Früchten von den eigenen Streuobstwiesen.

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Im Januar 2020 haben die beiden Gin-Liebhaber, die sich bei einer Weihnachtsfeier kennengelernt hatten, in der Brennerei in der Schlatter Zollstraße losgelegt. Knapp ein Jahr wurde bei 36 Bränden und 100 Chargen experimentiert, bis die beiden mit dem Ergebnis zufrieden waren. Der Shlata Gin, jetzt wird er Double Distilled genannt, war das erste Produkt. Er wird ein zweites Mal gebrannt, was für eine Gin-Produktion untypisch ist. Dabei wurde festgestellt, dass sich so die Kirschkomponente besser entfaltet.

Damit überzeugen sie auch Kritiker: „Meine leichten Vorurteile gegenüber Gin mit Kirsche konnte ich dank des Shlata Hegau Finest Gin ablegen. Eine wirklich feine Rezeptur und somit ein Gin, der mir richtig gut gefällt“, beschreibt Gin-Testerin Daniela Uehleke aus Bad Urach in ihrem Online-Blog.

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1000 Kilogramm Kirschen in sechs Gefriertruhen

„Die Kirschen werden von unserer Familie am Baum ohne Stiel geerntet, wobei natürlich die Früchte begutachtet werden, also handverlesen sind. Da wir die Früchte für den Gin süß und unvergoren brauchen und während der Kirschenernte keine Zeit fürs Brennen ist, werden die Früchte rechtzeitig und gesund geerntet und zunächst eingefroren und zu einem späteren Zeitpunkt gebrannt“, sagt Fabian Zipperer. Das Einfrieren habe keine Auswirkungen auf die Qualität. In sechs Gefriertruhen ruhen die Kirschen. Dafür werden die 1000 Kilogramm auf Zwei-Kilo-Beutel verteilt.

Die Kirsche ist die Grundlage für die mittlerweile fünf Sorten des Schlatter Gins.
Die Kirsche ist die Grundlage für die mittlerweile fünf Sorten des Schlatter Gins. | Bild: Anja Rauwolf

Die beiden Gin-Hersteller möchten mit ihren Produkten die Verbundenheit zur Region, dem Hegau, zum Ausdruck bringen. Die Rezepturen beinhalten fast nur heimische Botanicals, wie die würzenden Zutaten genannt werden, die dem Gin sein Aroma geben. Und dazu zählen eben die Schlatter Kirschen, die vor über 100 Jahren vom Urgroßvater von Fabian Zipperer nach Schlatt gebracht wurden.

Die Kunst des Brennens hat Fabian Zipperer von seinem Vater Alfons (von links) gelernt. Hier wird die Kirsche beim Brennvorgang in die ...
Die Kunst des Brennens hat Fabian Zipperer von seinem Vater Alfons (von links) gelernt. Hier wird die Kirsche beim Brennvorgang in die hochmoderne Brennanlage eingefüllt. | Bild: Elisabeth Stauder

„Wir haben uns bei unseren Gins auf die Geschmacksrichtung Kirsche spezialisiert. Gesetzlich vorgeschrieben müssen für die Herstellung 96-prozentiger Neutralalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs sowie mindestens Wachholderbeeren als entscheidende Botanical verwendet werden. Der Gin muss vorherrschend nach Wachholder schmecken. Bei uns kommt dann neben weiteren Botanicals die Kirsche hinzu. Die Kirsche gibt unserem Gin eine fruchtige und sanfte Note“, so Brenner Fabian Zipperer. „Wir wollten ein Produkt mit Charakter herstellen.“

2023 wurde der Markenaufbau neu konzipiert. Es gab neue Flaschen, ein neues Logo, neue Namen und neue Etiketten. Von 22 bis zu 80 Euro reicht die Preisspanne für die Produkte aus dem Schlatter Ginwerk. Der klassische London dry Gin double Distilled liegt bei 44 Euro.

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