Es war ein bizarrer Auftritt, den Kurt Künz bei der offiziellen Kandidatenvorstellung in Aach hingelegt hat. Erst kündigt er an, dass er seinen Konkurrenten und Amtsinhaber Manfred Ossola eliminieren will, dann teilt er den Zuhörern in der Sporthalle in Aach mit, dass er eine Waffe habe, und beginnt in seinem Rucksack zu wühlen. Letztlich hat er keine Waffe, sorgt mit seinem Verhalten aber mindestens für Verwunderung. Eine SÜDKURIER-Recherche zeigt, dass Kurt Künz schon länger für Angst und Schrecken sorgt.

Der Redaktion liegt ein Schreiben vor, das Kurt Künz schwer belastet. So soll der 61-jährige Frührentner aus Hilzingen bereits mehrere Jahre wegen mehrfachen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz im Gefängnis gesessen haben. Zudem soll das Landratsamt in Konstanz ihn für so gefährlich gehalten haben, dass es über mehrere Monate einen Sicherheitsmitarbeiter eingestellt hat. „Hier ist nicht nur ein Kandidat am Start, sondern ein Mensch, der seine Interessen zumindest in der Vergangenheit mit Gewalt durchzusetzen versuchte“, heißt es in dem Schreiben.

Musste Kurt Künz tatsächlich ins Gefängnis?

Und in der Tat: Auf der Kandidatenvorstellung gibt Künz selbst zu, dass er zweieinhalb Jahre in Freiburg hinter Gittern saß. Seine Frau werfe ihm seinen Angaben zufolge vor, „sie aus dem Eigenheim geprügelt zu haben“. Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Konstanz bestätigt, dass Kurt Künz ein verurteilter Gewalttäter ist. Laut Staatsanwalt und Pressesprecher Andreas Mathy wurde Künz 2020 zu zwei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, diese Strafe habe er inzwischen abgesessen.

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Zudem habe Künz eine ganze Reihe an weiteren Verurteilungen. Allesamt wegen ähnlicher, allerdings kleinerer Vergehen, wie Mathy weiter schildert. „Zum Zeitpunkt der Anfrage sind gegen Kurt Künz allerdings keine weiteren Ermittlungen anhängig“, so Mathy.

Hatte das Landratsamt Angst vor Kurt Künz?

Kurt Künz gab bei der Kandidatenvorstellung einen kurzen Lebenslauf wieder: Er wurde nach eigenen Angaben 1964 geboren. Er sei in Hilzingen aufgewachsen und habe die Hauptschule besucht. Beruflich startete er mit einer kaufmännischen Ausbildung und leistete danach seinen Wehrdienst ab. Es folgten mehrere Jahre Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Nach dem dortigen Abschluss habe er unter anderem mehrere Jahre im Landratsamt Konstanz im Bereich Wohnbauförderung gearbeitet, bis das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde.

Letzteres bestätigt das Landratsamt Konstanz auf SÜDKURIER-Nachfrage, könne aber keine weiteren Details nennen. Aber: Kurt Künz hat sich 2019 bereits für die Landratswahl beworben. „Der Besondere Beschließende Ausschuss zur Wahl des Landrats des Landkreises Konstanz hat seine Kandidatur nicht zugelassen“, heißt es dazu.

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Auf die Anfrage, ob das Landratsamt tatsächlich einen Sicherheitsdienst beauftragt habe, um Kurt Künz den Zugang zum Landratsamt zu verwehren, macht das Landratsamt keine Angaben. Dazu heißt es lediglich: „Gefahrenbeurteilungen von Personen obliegen der Polizei.“

Ist Kurt Künz wirklich noch Beamter?

Bei der offiziellen Kandidatenvorstellung der Gemeinde Aach verweist Kurt Künz immer wieder auf seine Ernennungsurkunde als Beamter. Eine Nachfrage beim Landratsamt, ob Künz noch Beamter sei, bleibt ergebnislos. Doch Künz spricht bei der Kandidatenvorstellung selbst am Mikrofon davon, dass er Frührentner sei. Eine entsprechende Berufsbezeichnung enthalten laut dem Aacher Hauptamtsleiter Florian Rapp auch die Bewerbungsunterlagen.

Als Beamter hätte Künz allerdings einen Anspruch auf Pension – das könnte darauf hindeuten, dass Künz seinen Beamtenstatus verloren hat.

Wieso durfte Kurt Künz überhaupt kandidieren?

Laut Hauptamtsleiter Florian Rapp habe die Bewerbung von Kurt Künz in Aach alle Vorgaben erfüllt. Das hänge auch damit zusammen, dass der Urteilsspruch gegen Künz schon mehr als fünf Jahre zurückliege – wenn auch denkbar knapp. Laut Rapp dürfe eine Gemeinde einen Bewerber nur dann nicht für eine Bürgermeisterwahl zulassen, wenn die Verurteilung zu einer Haftstraße von mindestens einem Jahr noch nicht älter sei als fünf Jahre. „Dies war hier nicht der Fall“, so Rapp.

Das Landratsamt bestätigt das und verweist darauf, dass Künz‘ Bewerbung alle formalen Voraussetzungen erfüllt habe. Dazu zähle etwa die geforderten zehn Unterstützungsunterschriften durch Aacher Bürger und die Wählbarkeitsbescheinigung der Wohnortgemeinde.

Kandidiert Kurt Künz in mehreren Orten?

Auch hier liefert Kurt Künz die Antwort selbst: „Ich habe mich in Volkertshausen beworben. Die Bewerbung steht.“ Zudem habe er sich in Steißlingen bewerben wollen, wie er am Rednerpult mitteilt, doch angesichts der starken Konkurrenz habe er seine Bewerbung zurückgezogen.

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Was stand in der Mail, die Kurt Künz verschickt hat?

Die auf dem Podium in Aach verschickte Mail liegt dem SÜDKURIER vor. Kurt Künz hat sie an mehrere Adressen verschickt – darunter mehrere Medien, aber auch Hegauer Bürgermeister wie Manfred Ossola (Aach) und Thomas Auer (Gailingen). Die Sätze sind größtenteils zusammenhanglos. Im Kern werfen sie Amtsinhaber Manfred Ossola Amtsmissbrauch vor. Da Künz dem Landratsamt seine Legitimität abstreitet und die Gemeinde Aach unter ihrem Bürgermeister Kreisumlage gezahlt habe, wolle Künz Ossola seines Amtes entheben – und zwar zum 1. Oktober. „Wegen einer verantwortlich unzulässiger Unterstützung einer hochkriminellen verfassungsfeindlichen Bandenorganisation“, wie Künz darin schreibt.

Zur Erinnerung: Am Rednerpult hatte Künz sich immer mehr in Rage geredet. Bis die Worte fielen: „Ich habe eine Waffe dabei.“ Dann ging er zu seinem Rucksack am Rednerpult, öffnete diesen, holte aber letztlich nur ein Smartphone heraus und sendete nach eigenen Angaben eine E-Mail ab. Das kommentierte er folgendermaßen: „Herr Ossola wird ab 1. Oktober kein Bürgermeister mehr sein.“ Kurz danach verließen mehrere Zuhörer zum Teil fluchtartig die Halle.

Wieso rief niemand die Polizei?

Der Gemeindewahlausschuss hat im Vorfeld der Veranstaltung Sicherheitskontrollen angewandt, wie Hauptamtsleiter Florian Rapp auf Nachfrage bestätigt. Dabei sei auch der Rucksack von Künz kontrolliert worden. „Als er nach dem Satz mit der Waffe an den Rucksack ging, wussten wir, dass dort keine Waffe drin sein konnte“, so Rapp weiter.