17. November 2020: Die Scheffelhalle, Singens Wahrzeichen und Narrenschopf, geht gegen 1.15 Uhr in Flammen auf. Fassungslos müssen die Singener zusehen, wie ihre denkmalgeschützte Halle niederbrennt. Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk beobachtet das Geschehen vom Stadtgarten aus mit Tränen in den Augen. „Wir haben unsere Heimat verloren“, sagt er – und ist damit nicht der einzige Singener, der so fühlt.

Die Scheffelhalle in Singen steht am 17. November 2020 in Vollbrand.
Die Scheffelhalle in Singen steht am 17. November 2020 in Vollbrand. | Bild: Feuerwehr Singen

Die Tage danach: Am Morgen nach dem Feuer steht nur noch die vordere Fassade. Rauchschwaden ziehen von den Schuttbergen gen Himmel. Viele Singener kommen an die Brandstelle und teilen ihre Erinnerungen an den Ort für viele Feste. Viele wünschen sich einen Neubau: Die rasch ins Leben gerufene Online-Petition für den Wiederaufbau der Halle hat innerhalb kurzer Zeit bereits mehr als 1500 Unterschriften.

26. November 2020: Gut eine Woche nach dem Brand leiten Staatsanwaltschaft und Polizei eine Fahndung ein. „Es ist davon auszugehen, dass die Singener Scheffelhalle gewollt oder versehentlich in Brand gesetzt worden ist“, erklären sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Ein Unbekannter soll sich in dem Bereich aufgehalten haben, in dem der Brand ausgebrochen ist. Das sorgt in Singen für Fassungslosigkeit.

Von oben zeigt sich das Ausmaß der Zerstörung.
Von oben zeigt sich das Ausmaß der Zerstörung. | Bild: Gerhard Plessing

April 2021: Die Polizei hat einen Tatverdächtigen festgenommen. Der Mann ist zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt, sitzt in Untersuchungshaft und hat gestanden. Auf die Spur des Mannes kamen die Ermittler aufgrund kleinerer Brandlegungen in jüngster Zeit. Dabei seien Papiermülltonnen in der Nähe der Scheffelhalle in Brand gesetzt worden, wodurch sich die Hinweise immer mehr verdichtet hätten.

Mai 2021: Der Abriss beginnt und innerhalb weniger Tage verschwindet die Brandruine des historischen Gebäudes gänzlich aus dem Stadtbild. Zumindest, was die großen Mauern angeht. Denn an manchen Stellen wird es aufwändig – Asbest sei Dank sind Schadstoffsanierer bis zum Jahresende beschäftigt.

Ziemlich genau ein Jahr nach dem Brand der Scheffelhalle werden die Reste abgebrochen. Dafür braucht es eine Spezialfirma, die auch mit ...
Ziemlich genau ein Jahr nach dem Brand der Scheffelhalle werden die Reste abgebrochen. Dafür braucht es eine Spezialfirma, die auch mit dem Asbest umgehen kann. | Bild: Arndt, Isabelle

November 2021: Am 9. November steht der Singener Brandstifter erstmals vor Gericht und legt direkt ein Geständnis ab. Er habe eine Papiermülltonne in unmittelbarer Nähe zur Halle angezündet und sei dann nach Hause gegangen. Der Singener ist kein Unbekannter: 2013 kam er schon einmal ins Gefängnis, damals hatte er ein Feuer in einer Scheune gelegt. Und: Der Mann ist Ex-Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr.

Der Angeklagte verbirgt im Prozess um die Brandstiftung an der Scheffelhalle sein Gesicht hinter einem Aktenordner.
Der Angeklagte verbirgt im Prozess um die Brandstiftung an der Scheffelhalle sein Gesicht hinter einem Aktenordner. | Bild: Hanser, Oliver

Am 15. November 2021 wird er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten wegen fahrlässiger Brandstiftung und Sachbeschädigung in vier Fällen verurteilt. Beim Brand der Scheffelhalle geht das Landgericht Konstanz von Fahrlässigkeit aus – dass das Gebäude abbrennt, sei keine Absicht gewesen.

14. Dezember 2021: Nach einem eindeutigen Votum im Gemeinderat steht fest: Die Stadt Singen bekommt ihre Scheffelhalle zurück. Die Stadtverwaltung rechnet mit Baukosten von rund 6,3 Millionen Euro. Ein Teil der Kosten werde durch die Summe der Versicherung getragen, die mindestens 2,4 Millionen Euro zuzüglich 270.000 Euro für Ausstattung und Elektronik übernehmen soll.

August 2022: Es braucht nach einiger Überlegung doch keinen Architektenwettbewerb, denn die Stadt weiß sehr genau, wie die neue Scheffelhalle aussehen soll – genauso wie die alte. Wenig später hat die Scheffelhalle dann ihren Architekten. Den Wiederaufbau soll ein Singener planen: Ben Nägele von der Solar System Haus GmbH. Mit dem SÜDKURIER sprechen er und sein Partner Alexander Kionka über ihr Vorhaben.

Februar 2023: Die ersten Pläne zeigen die neue Scheffelhalle, die der alten erstaunlich ähnlich sieht. So findet sich die Empore mit ihren zwei Zugängen ebenso in den ersten Entwürfen wieder wie die Giebelfassade, die ausgeklügelte Konstruktion des Dachstuhls, die Toilettenanlagen sowie die Bühne im Saal unten und das Foyer im vorderen Bereich. Aber es gibt auch Neuerungen, etwa eine Loggia.

Erste Pläne zeigen das Innere der neuen Scheffelhalle.
Erste Pläne zeigen das Innere der neuen Scheffelhalle. | Bild: Ben Nägele/Solar-System-Haus

März 2023: Das Bauprojekt soll nun fast 10 Millionen Euro kosten – in denen allerdings mehr enthalten ist als die bloße Halle. Das lässt manch ein Ausschussmitglied vernehmlich schlucken. Nichtsdestotrotz fällt der Gemeinderat Ende März 2023 eine finale Entscheidung – und stimmt mit großer Mehrheit zu.

August 2023: Der Zeitplan steht fest – und zur 100-Jahr-Feier der Scheffelhalle soll diese tatsächlich wieder stehen. Als Fertigstellungstermin ist bei störungsfreiem Bauverlauf das zweite Quartal 2025 geplant. Bis dahin müssen erstmal alle Gewerke vergeben werden.

November 2023: Pünktlich zum Jahrestag gibt es gute Neuigkeiten, denn der Wiederaufbau startet. Am 24. November ist offizieller Spatenstich. Dabei gibt es viele strahlende Gesichter, Mitglieder des Fördervereins Freunde der Scheffelhalle haben sich sogar in festliche Fracks geworfen mit schwarzen Zylindern. Auch Vertreter der Poppele-Zunft und des Männerchor Singens sind dabei – und haben eigens ein Lied geschaffen.

Glückliche Gesichter beim Spatenstich (von links): Die Architekten Ben Nägele und Alexander Kionka sowie OB Bernd Häusler, Peter Adrian ...
Glückliche Gesichter beim Spatenstich (von links): Die Architekten Ben Nägele und Alexander Kionka sowie OB Bernd Häusler, Peter Adrian Gäng, Vorsitzender des Fördervereins, und der damalige Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk. | Bild: Matthias Güntert

Auch für Oberbürgermeister Bernd Häusler ist es ein Freudentag. Er macht deutlich, wie sehr die Stadt und der Gemeinderat sowie zahlreiche Bürger für den Wiederaufbau der Scheffelhalle gekämpft haben. Ein Beispiel seien die harten Verhandlungen mit der Versicherung. Laut Häusler betrug im März 2021 die Zusage der Versicherung 2,3 Millionen Euro. „Wir haben nachgehakt und zum Teil auch mit der Versicherung gestritten“, so Häusler. Dadurch sei die Summe auf 3,2 Millionen Euro gestiegen.

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Sommer 2024: Mittlerweile ist die Scheffelhalle deutlich zu erkennen. Die hölzerne Front der neuen Halle steht und dahinter nimmt der Holzbau immer mehr an Form an. Doch im August gibt es auch schlechte Nachrichten, denn die Arbeiten sind um etwa drei Wochen verspätet. Als Grund nennt der Architekt das unbeständige Wetter und eine länger dauernde Vormontage des aufwändigen und stützenlosen Tragwerks.

September 2024: Erste Einblicke ins Innere bekommen erst Gemeinderäte, dann rund 800 Besucher des Richtfests. Dabei wird in Erinnerungen geschwelgt und viel gelobt: Die Dachkonstruktion werde sehr bewundert, ja gar als sensationell bezeichnet. Auch der Vorsitzende des Fördervereins der Freunde der Scheffelhalle, Peter Adrian Gäng, zeigt sich „geplättet“ darüber, was alles erreicht wurde und dass schon zehn Monate nach dem Spatenstich das Richtfest gefeiert werden kann.

Im September 2024 macht die Baustelle der Scheffelhalle deutliche Fortschritte.
Im September 2024 macht die Baustelle der Scheffelhalle deutliche Fortschritte. | Bild: Freißmann, Stephan

Dezember 2024: An der neuen Scheffelhalle geht es sichtbar voran, ab Oktober 2025 soll sie vermietet werden. Der zuständige Gemeinderatsausschuss legt die Mietpreise fest und fixiert dabei auch, dass Vereine Vergünstigungen bekommen.

Mai 2025: Es stehen nur noch die letzten Arbeiten aus, etwa Boden, Küche und Türen. Trotz einiger Verzögerungen und Herausforderungen liegt der Bau laut städtischem Pressesprecher Stefan Mohr im Zeitplan. Die Halle soll Mitte bis Ende Juni fertig sein und im Herbst in Betrieb gehen.

Juli 2025: Auch wenn es in der Halle noch ein wenig nach Baustelle aussehe, sei der Innenausbau größtenteils fertig, erklärt Architekt Alexander Kionka. Zeitlich sei die Halle im gesteckten Rahmen geblieben – und finanziell auch, der Neubau kostet rund 10 Millionen Euro. Dazu trägt auch das Engagement des Fördervereins bei.

So sieht die neue Scheffelhalle kurz vor der Eröffnung aus.
So sieht die neue Scheffelhalle kurz vor der Eröffnung aus. | Bild: Weiß, Jacqueline

19. September 2025 steht die Wiedereröffnung an. Die Karten dafür waren flott ausverkauft, doch am 20. September ist die Scheffelhalle im Zuge der Museumsnacht Hegau-Schaffhausen zugänglich. Außerdem sind für die Zeit danach bereits einige Veranstaltungen geplant.