Die Deutschen bekommen weniger Kinder – im Schnitt nur noch etwa 1,35, wie das Statistische Bundesamt im Juli vermeldete. Nina Fouchs aus Lörrach wird diesen Schnitt nicht steigen lassen. Für sie ist die Familienplanung schon abgeschlossen. Mit nur 21 Jahren hat sie sich sterilisieren lassen.

Ihr Traummann? Will keine Kinder

Fouchs macht eine Ausbildung, hat ihr Fachabi. Sie liest viel, spielt Querflöte, macht Kraftsport, fährt Motorrad. Erste Dating-Erfahrungen sammelte sie mit 15. Aktuell sei sie Single. Was ist, wenn sie ihren Traummann kennenlernt, der aber Kinder will? „Dann ist es nicht mein Traummann“, sagt Fouchs selbstsicher.

Nina Fouchs musste einige Zeit nach einem Arzt suchen, der den Eingriff bei ihr durchführte.
Nina Fouchs musste einige Zeit nach einem Arzt suchen, der den Eingriff bei ihr durchführte. | Bild: Marina Schölzel

Dass sie keine Kinder möchte, sei ihr schon klar gewesen, als sie noch mit Puppen gespielt habe. Aufgrund einer chronischen Erkrankung habe ihr Arzt außerdem von Kindern abgeraten. Erfahrungen mit sexueller Gewalt haben bei ihrem Entschluss zusätzlich eine Rolle gespielt, sagt sie.

Mit zwölf Jahren sei ihr die Pille verschrieben worden. Mit 18 setzte sie die ab. Vertragen habe sie die Hormone nie, andere Verhütungsmittel seien keine Option gewesen.

Also hatte Nina Fouchs Angst. Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft. „Und ich wollte nicht mein ganzes Leben mit dieser Angst verbringen.“

„Diese Entscheidung trifft man nicht einfach so.“

Zwei kleine Schnitte unter dem Bauchnabel und Unterbauch habe die ambulante Operation in Vollnarkose erfordert. Ob sie Angst vor der Operation hatte? „Ja. Ich wurde sonst nur einmal an den Mandeln operiert“, sagt Fouchs. „Ich habe mich vor dem Eingriff aber extrem informiert. Diese Entscheidung trifft man nicht einfach so.“

Mittlerweile habe sie zum ersten Mal seit der Sterilisation ihre Periode bekommen. Hormonell habe sich nichts bei ihr geändert, sagt sie. Psychisch aber so einiges: „Nach der Operation bin ich wach geworden und mir eine große Last von den Schultern gefallen.“

Für Frauen ist es schwierig

Zum Zeitpunkt des Interviews mit dem SÜDKURIER sei ihre Sterilisation erst zwei Wochen her, erzählt sie. Fouchs spricht ganz ungeniert über ihren Entschluss, will sogar ihre Narben am Bauch zeigen. Sie möchte Frauen ermutigen: „Wenn ihr das wollt, gibt es die Option.“

Deshalb hat sich der Verein „Selbstbestimmt steril“ gegründet. Zweck des Vereins sei die Verbesserung der Situation für Frauen mit Sterilisationswunsch, da die meisten Frauenärzte den Eingriff erst ab einem fortgeschrittenen Alter, nach der Geburt mehrerer Kinder, mit einer gefestigten Beziehung und psychologischem Gutachten durchführen, heißt es dazu in der Satzung. Auf Instagram folgen dem Verein knapp 17.000 Menschen.

Der Verein bietet eine Karte mit Anlaufstellen für Ärzte, die bei jüngeren Frauen Sterilisationen durchführen – Werbung dafür machen, ...
Der Verein bietet eine Karte mit Anlaufstellen für Ärzte, die bei jüngeren Frauen Sterilisationen durchführen – Werbung dafür machen, will der Verein aber nicht, wie auf der Internetseite betont wird. | Bild: Screenshot Marina Schölzel

Der Verein führt eine Karte mit Anlaufstellen für junge Frauen. Laut dieser gibt es in Südbaden und Schwarzwald lediglich drei Frauenarztpraxen, die Frauen unter 30 sterilisieren – nur eine davon behandelt schon ab 18.

Auch Fouchs hat so ihren behandelnden Arzt gefunden, über 70 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt.

Sterilisation sei das sicherste Verhütungsmittel

Dass der Wunsch nach Sterilisationen zunehme, sei in seiner Praxis beobachtbar, klärt einer der Ärzte auf. Namentlich will er nicht genannt werden – zu sehr sei seine Praxis schon ausgelastet. Früher habe er etwa einen Fall pro Woche behandelt. „Inzwischen sind wir voll ausgelastet mit den Terminen, bis ins kommende Jahr“, sagt er.

Gründe für die Beliebtheit des Eingriffs sieht er in der sich wandelnden Gesellschaft, der Skepsis gegenüber hormonellen Verhütungsmitteln, aufgrund wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten. Er kenne die für die Frauen traumatische Situation einer ungewollten Schwangerschaft, „der sicherste Weg, um zu verhüten, ist einfach die Sterilisation.“

Er sterilisiert Frauen unter 30 nur mit einer Bedingung: mehrere Beratungsgespräche und sechs Monate Bedenkzeit. „Wenn ich den Eindruck habe, die Frau habe die innere Reife, ist bei klarem Verstand und unter keinem Druck von außen, dann machen wir das. Egal in welchem Alter. Bei Frauen, die noch 20 Jahre Zeit haben, in der sie schwanger werden können, sehe ich mich als Arzt in der Verantwortung, die Entscheidung nicht vorschnell zu treffen.“

Sahera Semaan von der Beratungsstelle Pro Familia in Konstanz merke keine erhöhte Nachfrage nach Sterilisationen.

Sahera Semann von Pro Familia in Konstanz. Auch zu ihr kommen Frauen, die sich sterilisieren lassen wollen.
Sahera Semann von Pro Familia in Konstanz. Auch zu ihr kommen Frauen, die sich sterilisieren lassen wollen. | Bild: ProFamilia Konstanz

Bei Verhütungsberatungen kläre sie die Frauen auch dazu auf. „Wir beraten neutral und ergebnisoffen“, sagt sie, „klären aber auch darüber auf, dass eine Sterilisation meistens endgültig ist.“

Warum sich viele Ärzte weigern, schon junge Patientinnen zu sterilisieren, weiß Semaan nicht. „Die Ärzte sind dazu nicht gezwungen“, sagt sie, viele seien auch der Überzeugung, die Frau wolle später doch noch Kinder.

Sterilisation – eine feministische Entscheidung, für Fouchs

Fouchs will definitiv keine. „Kinder sind Aufopferung und haben die besten Eltern der Welt verdient. Ich will mich nicht aufopfern und wäre definitiv keine gute Mutter. Lieber bereue ich die Sterilisation als ein Kind.“

Im Fall eines Kinderwunsches, könne sie sich künstlich befruchten lassen oder adoptieren, sagt sie. Die Operation musste sie selbst zahlen – 1800 Euro. Auch krankgeschrieben wurde sie nicht.

Als sie ihre Sterilisation auf Social Media veröffentlichte, sei sie von Frauen angeschrieben worden, die selbst seit 15 Jahren auf der Suche nach dem richtigen Arzt dafür waren, sagt sie. Das findet sie unfair: „Es sollte nicht so sein, dass wir für etwas kämpfen müssen, was wir so sehr wollen, nur weil wir Frauen sind. Wir müssen ständig beweisen, dass wir es ernst meinen.“

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Ihre Entscheidung sei auch eine feministische, sagt sie: „Noch vor nicht mal 100 Jahren hatten wir keine Wahl. Wir mussten heiraten, wir mussten Kinder kriegen. Jetzt können wir uns entscheiden. Wir können Karriere machen und uns selbst finanzieren. Ich wünschte, Frauen vor uns hätten dazu auch die Wahl gehabt.“