Sophie Z. steht vor dem Hegau-Tower in Singen. Sie ist nervös: Um zehn Uhr hat sie im achten Stock des verglasten Gebäudes einen wichtigen Termin. Dann werden ihre Blutwerte und ihre Fruchtbarkeit untersucht, denn im achten Stock des Hegau Towers befindet sich das Kinderwunschzentrum von Andreas Heine. „Ich werde richtig durchgecheckt“, sagt sie lächelnd.
Sophie Z. ist 33 Jahre alt. Sie lebt in der Schweiz, in der Nähe von Winterthur. Sophie Z. ist Single. Mutter werden will sie aber trotzdem – und zwar bald, mithilfe einer Samenspende. Vor einigen Jahren war das Thema Kinderwunschbehandlung für sie noch weit weg. Immer dachte sie, dass sich schon noch jemand finden werde.
Doch nach ihrer letzten Enttäuschung mit einem Mann hatte sie es satt. Sie wollte keine Zeit mehr verschwenden, „den Richtigen“ für eine Familiengründung zu suchen.
Bis man dafür jemanden kennengelernt hat, dauert es einige Zeit. Zeit, die sie nicht mehr hat, sagt Sophie Z. Eines Tages stellte sie sich die alles entscheidende Frage: „Wieso fange ich nicht einfach selbst mit meinem Leben an?“
Ja, sie kann das und ja, sie will das
Die Erkenntnis, dass sich das klassische Bild einer Familie – also Vater, Mutter, Kind – für sie nicht erfüllen soll, sei eine Art „Trauerprozess“ gewesen. Schließlich werde einem dieses Bild regelrecht eingetrichtert. Seit einem Jahr denkt sie intensiv darüber nach, trotzdem eine Familie zu gründen. Sie hörte in sich hinein: „Will ich das? Kann ich das?“ Dann stand für sie fest: Ja, sie kann das und ja, sie will das.
„Single Moms by Choice“, also freiwillige Solomamas, nennt man Frauen, die ohne Partner oder Partnerin eine Familie gründen wollen. In der Schweiz ist eine Kinderwunschbehandlung für Solo-Frauen verboten.
Sophie Z. rechnete damit, für ihr Wunschkind bis nach Dänemark reisen zu müssen. In einer privaten Facebook-Gruppe mit 2700 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg suchte sie nach Rat – und wurde auf das Kinderwunschzentrum in Singen aufmerksam gemacht.
Schweizer Patienten machen 20 Prozent des Umsatzes aus
Bei der Praxiseröffnung 2011 hoffte Andreas Heine bereits auf Schweizer Patienten. Die Rechnung ging auf – mittlerweile machen Schweizer rund 20 Prozent des Umsatzes aus.

Laut Heine liegt das einerseits an der rechtlichen Lage in der Schweiz, andererseits auch am Geld: Die Kinderwunschbehandlung ist in Deutschland für Schweizer rund ein Drittel günstiger. Bei verheirateten Paaren zahlt die Krankenkasse in Deutschland einen Teil der Behandlung.
Patienten aus der Schweiz, Single-Frauen und unverheiratete Paare müssen die Behandlung selbst bezahlen. Das kostet – je nach Methode – zwischen 1500 Euro und 4500 Euro pro Versuch.
Rund 750 Punktionen, also Entnahmen von Eizellen bei der Frau, führt Heine im Jahr durch. Erst seit knapp zwei Jahren behandelt Heine Solo-Frauen mit Kinderwunsch. Diese Entscheidung habe er gut abwägen müssen, sagt er. Das gezeugte Kind sei schließlich von Anfang an Halbwaise, macht der Arzt klar.

Heine merkte aber, dass sich die Gesellschaft verändert. Gleichgeschlechtliche Paare wollen Kinder, Trans-Personen wollen Kinder, warum dann nicht auch Solo-Frauen? Frauen seien beim Kinderwunsch ohnehin benachteiligt, ab circa 35 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit ab – „und dann den richtigen Partner auf Kommando zu finden, ist schwierig“, sagt Heine.
Frauen müssen sich einer Beratung unterziehen
Bevor die Solo-Frauen in Andreas Heines Praxis die Kinderwunschbehandlung starten, müssen sie sich einer rechtlichen und einer psychosozialen Beratung unterziehen. Das sei Andreas Heine wichtig, für das Kindeswohl.
Dabei werden wichtige Fragen geklärt und den Frauen Hilfestellungen gegeben: Was passiert mit dem Kind, wenn ich krank werde oder einen Unfall habe? Ist mein soziales Netz stark genug? Wie erzähle ich meiner Familie von meinen Plänen? Wie sage ich es meinem Kind, wenn es später fragt, wo es herkommt?
Die Solo-Frauen in seiner Praxis treffen ihre Entscheidung mit großer Sorgfalt, weiß Heine aus zahlreichen Gesprächen mit seinen Patienten. Erstgespräche wie das mit Sophie Z. führt er ausschließlich vor Ort: „Ich will die Menschen persönlich sehen, im persönlichen Gespräch kann man auch unangenehme Themen ansprechen“, sagt der Arzt.

Außerdem muss die Solo-Frau über die Rechte und Pflichten der Samenspender aufgeklärt werden. In Deutschland ist eine Samenspende nicht anonym, in der Schweiz auch nicht. Das bedeutet, dass Kinder aus einer Samenspende ein Recht darauf haben zu erfahren, wer ihr Spender ist. In Deutschland ist das laut dem Samenspenderregistergesetz ab 16 Jahren möglich, in der Schweiz mit der Volljährigkeit.
Die Entscheidung hat sie bewusst getroffen
Sophie Z. hat die Beratungen bereits hinter sich. Vieles hat sie sich natürlich schon vorher überlegt, sagt die 33-Jährige. Sie hat sich selbst einen klaren Rahmen gesteckt, sagt sie, will nur so weit gehen, wie es ihr gut tut.
Auch sie habe ihre Entscheidung ganz bewusst getroffen: „Ich wünsche mir dieses Kind. Was kann denn besser sein für ein Kind als eine Mutter wie mich, die so viel dafür in Kauf nimmt?“, sagt sie. Eine Freundin von ihr sei mit 40 Mutter geworden. Das einzige, was diese bereut habe, war nicht schon früher Mama geworden zu sein, erzählt Sophie Z.
Ein Samenspender, der ähnlich tickt wie sie
Andere Familienmodelle, die es ermöglichen sollen, auch ohne einen Partner ein Kind zu bekommen, seien für sie nicht in Frage gekommen. Mit Freunden habe sie etwa über das Co-Parenting gesprochen.
Co-Parenting bezeichnet ein Familienmodell zweier Erwachsener, die miteinander ein Kind zeugen und erziehen, ohne dabei in einer romantischen oder sexuellen Beziehung miteinander zu sein – nichts für Sophie Z: „Ich will nicht für immer an einen Mann gebunden sein, da kann ich auch in einen Club gehen“, sagt sie schmunzelnd.
Was den Samenspender angeht, will sie einen, der die gleichen Werte vertritt wie sie, ähnlich tickt und ihre Hobbys teilt. Davon, einen Samenspender zu wählen, weil sie den Mann sehr attraktiv findet, sei ihr abgeraten worden. Blond soll er vielleicht sein, sagt sie.
Eine Samenspende kostet zwischen 800 und 1000 Euro, laut Andreas Heine. Der Samen kommt entweder aus einer deutschen Samenbank oder aus Dänemark. In Dänemark kann man den Spender sogar anhand eines Bildes auswählen, in Deutschland gibt es nur eine Liste mit den groben Daten wie Augenfarbe, Beruf oder Blutgruppe.

Unterstützung kommt aus dem Freundeskreis
Apropos Freunde: Diese stärken Sophie Z. den Rücken. Seit vergangenem Sommer wissen sie Bescheid, finden ihre Entscheidung toll und mutig. Sophie Z. geht offen mit ihrem Vorhaben um. Für sie ist es wichtig, dass ihre engen Freunde davon wissen. Mit ihnen will sie die Freude teilen, aber auch die Trauer, wenn es nicht wie geplant klappt. Das nehme ihr den Druck, sagt Sophie Z.
Auch ihre Schwester und Mutter wissen Bescheid. Diese habe anfänglich verhalten reagiert, aber das sei okay für sie: „Ich gebe jedem genug Zeit das zu verdauen, das ist völlig in Ordnung.“
Im Sommer soll es losgehen
Sorgen hat Sophie Z. natürlich trotzdem. Sie wird viel arbeiten müssen, als Solo-Mutter ist sie die Alleinverdienerin der Familie. Die Schweiz hat nur einen gesetzlichen Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen und was macht sie, wenn das Kind krank ist?
Außerdem hat sie Angst, dass es mit der Schwangerschaft nicht so schnell klappen wird und außerdem Angst, dass es zu schnell klappt: „Macht das Sinn?“, fragt sie lächelnd.
Ob sie sich auch darum sorgt, dass ein Kind ihr zukünftiges Dating-Leben erschweren wird und ein zukünftiger Partner vom Kind abgeschreckt sein könnte? Das dementiert sie. „Der Mann, den ich brauche, der findet das gut und akzeptiert mich, so wie ich bin“, sagt sie bestimmt. „Ich hoffe, dass man im Jahr 2025 so weit ist, dass das für Männer in Ordnung geht.“

Im Sommer will Sophie Z. mit der Behandlung loslegen. Davor hat sie noch einiges geplant, lacht die 33-Jährige. Die Lieferzeit des Spenders betrage laut ihr ohnehin zwischen vier und acht Wochen, sagt sie, damit wäre sie perfekt in ihrem Zeitplan.
Ein paar Tage nach ihren Untersuchungen im Kinderwunschzentrum schickt die 33-Jährige dann ein Update per WhatsApp: „Alles lief gut, die Ärztin war gut, passt.“