Mittwochabend wurden die verschärften Grenzkontrollen verhängt, doch ob sie bereits zu Zurückweisungen von Asylsuchenden geführt haben, ist bislang unklar. „Die Bundespolizei wird zu gegebener Zeit Feststellungszahlen veröffentlichen“, heißt es von der Behörde auf Anfrage des SÜDKURIER.
Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hatte ein strengeres Kontrollregime angekündigt, das Schritt für Schritt erhöht werden soll. Am Donnerstag war es dann auch zu mehr Polizeipräsenz an einigen Grenzübergängen in Südbaden gekommen.
Eine Stichprobe zeigte jetzt: Am Freitag war am Autobahnübergang Konstanz/Kreuzlingen zwar weiterhin mehr Polizei sichtbar im Einsatz, an der kleineren Zollstation in Tägerwilen dagegen waren anders als noch am Donnerstag zumindest zeitweise keine Beamten zu sehen.
„Auch wenn dem Anschein nach keine uniformierten Kräfte vor Ort sein sollten, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Bundespolizei nicht präsent ist“, schreibt dazu eine Sprecherin der Bundespolizeidirektion in Stuttgart.
Dobrindt telefoniert offenbar mit der Schweiz
Versöhnliche Töne kamen dagegen aus der Schweiz. Bundesrat Beat Jans (SP) schrieb auf „X“ von einem „offenen und konstruktiven telefonischen Austausch“ mit Dobrindt, in dem er „den Standpunkt der Schweiz klar dargelegt“ habe. Das geltende Recht sei einzuhalten, so Jans.
Am Donnerstag hatte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, dem Jans vorsteht, noch in ungewöhnlich deutlichen Worten kritisiert, dass Deutschland die neuen Maßnahmen ohne Absprache getroffen habe. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD solche Abstimmung mit den Nachbarn eigentlich festgelegt.
Maßnahmen offenbar kaum vorbereitet
Offenbar wurde die Umsetzung der noch während des Bundestagswahlkampfes im Januar von Friedrich Merz (CDU) angekündigten Zurückweisungen an der Grenze kaum vorbereitet. Er sei in der Rückschau unsicher, ob Merz und die Union einen klaren Plan hatten, sagte der Konstanzer Asylrechtsexperte Daniel Thym in einem Podcast.
„Ich habe gehört, dass bis vor drei oder vier Tagen keine Kontakte zwischen Herrn Dobrindt und den zuständigen Personen im Innenministerium stattgefunden haben zu der Frage“, so Thym.
In einer Nachricht an den SÜDKURIER erklärt er auch das Chaos um die vermeintliche Ausrufung einer Notlage durch die neue Bundesregierung am Donnerstag. Dieser Schritt soll strengere Grenzkontrollen europarechtlich rechtfertigen. Über das Ausrufen der Notlage hatten Medien berichtet, wenig später dementierte Regierungssprecher Stefan Kornelius das aber.
Der damit gemeinte Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union müsse überhaupt nicht offiziell ausgerufen werden, erklärt nun Thym. Der Begriff des Notstands klinge „nach einem Staatskollaps oder Polizei auf den Straßen“, er spreche lieber von einer „Ausnahmeklausel“.
„Allerdings wäre die Bundesregierung gut beraten, möglichst einheitlich zu kommunizieren“, so Thym: „öffentlich gegenüber der Bevölkerung und den Nachbarstaaten, früher oder später aber auch juristisch mit einem ausgefeilten Dossier“, das den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an die Nachweispflicht für die Ausnahmeregelung genüge.
Denn Asylsuchende könnten rechtlich gegen ihre Zurückweisung vorgehen, weil die im europäischen Recht nicht vorgesehen ist – und bislang hatte die besagte Ausnahmeklausel noch nie Bestand vor dem EuGH.