Seit nunmehr 20 Jahren ist der Heinrich-Weber-Platz mit der Einrichtung der Singener Tafel eine Anlaufstelle für Menschen mit einem kleinen Geldbeutel. Dies wurde nun mit einem Tag der offenen Tür mit allen Beteiligten und Gästen gefeiert, bei dem die Historie des Vereins vorgestellt wurde.
Nachdem der im Januar 1999 gegründete Verein Singener Tafel e.V. zunächst in den Gemeindesälen der drei Innenstadtkirchen zum Mittagstisch geladen hatte, musste mit dem Abriss des Saales der Lutherkirche die Suche nach einer Alternative aufgenommen werden. Da zudem der Tafelladen in der Ekkehardstraße mit der steigenden Kundenzahl an seine Kapazitätsgrenze kam, wuchs der Wunsch, Laden und Mittagstisch künftig an einem Standort zu betreiben.
Dass die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten nicht einfach war, daran erinnerte der Vorsitzende der Tafeln im Landkreis Konstanz, Udo Engelhardt, in seiner Begrüßung zum 20-jährigen Jubiläum der Singener Tafel am Heinrich-Weber-Platz. Mal waren die Mietforderungen zu hoch, mal waren die Gebäude nicht dazu geeignet, um die Idee, einen Ort der Begegnung zwischen Menschen mit eher schmalem Geldbeutel und solchen, denen es wirtschaftlich besser ging, zu verwirklichen.
Schließlich kam das Angebot der Awo, deren Restaurant Awocado anzumieten. Obwohl die Räumlichkeiten zur Realisierung beider Aufgaben, Tafel und Mittagstisch, zunächst auch zu begrenzt erschienen, überwogen doch die positiven Aspekte, und der Entschluss, das Angebot anzunehmen, wurde in den vergangenen 20 Jahren nie bereut, so Engelhardt.
Wichtiger Baustein in der sozialen Infrastruktur
Glückwünsche zum Jubiläum von Seiten der Stadtverwaltung überbrachte Marcus Röwer. Er freute sich besonders, seine erste Rede in seiner seit dem 1. September neuen Funktion als Sozialbürgermeister der Stadt bei der Tafel halten zu dürfen. „Für dieses Projekt der Zivilgesellschaft ist die Stadt zu großem Dank verpflichtet“, so Röwer.
Die Tafel sei ein wichtiger Baustein in der sozialen Infrastruktur Singens. Ob sich sein Traum einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der Tafelläden nicht mehr notwendig sind, je realisieren wird, sei mal dahingestellt, aber „träumen ist ja nicht verboten“, schloss Röwer.
Die Vorteile der räumlichen Nähe von Tafel und Awo betonte deren Geschäftsführerin Regina Brütsch. Die Angebote der Arbeiterwohlfahrt kommen auch für viele Tafelkunden in Frage, die dann schnell und unbürokratisch übergeleitet werden.
Bei einer Führung durch den Tafelladen und das Restaurant wurde den Jubiläumsgästen gezeigt, wie ein Einkauf abläuft, welche Waren und Lebensmittel den Menschen angeboten werden, und wie sichergestellt wird, dass möglichst alle Kunden gerecht und gleichermaßen davon profitieren.
Derzeit haben etwa 600 Haushalte in Singen die Berechtigung, im Laden einzukaufen, womit bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,5 Personen etwa 1500 Menschen zu den Begünstigten zählen. Clemens Gnädinger, der Leiter des Singener Tafelladens, geht von rund 250 Kunden aus, die regelmäßig ein- oder zweimal in der Woche das Geschäft frequentieren.
Beeindruckend auch die Logistik, die der Tafel mittlerweile zur Verfügung steht. Großpackungen von Reis oder Gewürzen von der Maggi werden von dem Team um Christine König-Ghazouani, die für die Verwaltung des Lagers in Worblingen verantwortlich ist, in haushaltsübliche Behältnisse umgepackt und entsprechend etikettiert. Dabei sind selbstverständlich auch sämtliche hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu beachten.
Zu einem gelebten Ort der Begegnung hat sich das Tafelrestaurant entwickelt. In sehr ansprechend gestalteten Räumlichkeiten erfahren hier wirtschaftlich schwache Menschen den Respekt und die Anerkennung, wie sie jedem Menschen zusteht. Ein Aspekt, der Andrea Fink-Fauser, Pfarrerin der Luthergemeinde und Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, besonders wichtig ist.
Tafelkunden bekommen hier für 2,50 Euro eine vollwertige Mahlzeit. Aber auch besser situierte Menschen können für 5 Euro den Mittagstisch genießen. Udo Engelhardt warb besonders dafür, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen. Ein Anliegen der Tafel ist es eben auch, Menschen zusammenzuführen und ein gegenseitiges Verständnis füreinander zu entwickeln, gerade in einer Zeit, in der Aus- und Abgrenzung die Gesellschaft immer mehr zu spalten drohe.
Die Tafel lebe aber auch von den Menschen, die tagtäglich den Betrieb am Laufen halten. Dazu gehören Bettina Moser, die bereits seit 15 Jahren mit großer Leidenschaft alle denkbaren Aufgaben im Laden schon übernommen hat, und Samah Houimli, die seit Juni dort einer Beschäftigung nachgeht. Beide schätzen das kollegiale Miteinander, die menschliche Atmosphäre, das Gefühl, gebraucht und nicht ausgegrenzt zu werden.
Bei angeregten Gesprächen, Kaffee und Kuchen wurde das Erreichte gefeiert an einem Tag, an dem deutlich wurde, was möglich ist, wenn das Miteinander und Zusammenhalt das Denken und das Handeln bestimmen.