Die Verhandlung gegen AfD-Mann André Rehm vor dem Konstanzer Landgericht wirft weiterhin Fragen auf. Ihm wird gefährliche Körperverletzung, versuchte Nötigung, Bedrohung und Urkundenfälschung vorgeworfen. Hinzu kommt, dass Rehm kein Unbekannter im deutschen Justizsystem ist. Wie SÜDKURIER-Recherchen im Vorfeld der aktuellen Verhandlung in Konstanz ergeben haben, ist er bereits mehrfach vorbestraft.

Jetzt könnte ihm eine Haftstrafe von einem Jahr ohne Bewährung drohen – sollte das Landgericht in zweiter Instanz das Urteil des Singener Amtsgerichtes aus dem März 2024 bestätigen. Gleichzeitig steht er kurz davor, als neues Mitglied für den Singener Gemeinderat vereidigt zu werden. Er soll öffentlich „Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen“ schwören, wie es in der Verpflichtungsformel heißt.

Die Alternative für Deutschland hat bei der zurückliegenden Kommunalwahl im Juni 2024 drei Sitze im Singener Gemeinderat ergattert. Rehm soll für den ausgeschiedenen Ex-Stadtrat Thomas Frischmuth (AfD) nachrücken und am 3. Juni vereidigt werden.

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Doch dürfen Bürger mit Vorstrafen überhaupt für den Gemeinderat kandidieren? Wie hatte es André Rehm im Juni 2024 auf die AfD-Liste zur Kommunalwahl geschafft? Und welche Folgen hätte eine aktuelle Verurteilung Rehms für die AfD im Singener Gemeinderat? Wie der städtische Pressesprecher Stefan Mohr auf Nachfrage mitteilt, werde die Wählbarkeit mit Einreichen der Wahlvorschläge anhand des Melderegisters geprüft. „Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist, wer infolge eines Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt beziehungsweise verliert. Hierüber erhalten die Wahlämter entsprechende Informationen der Staatsanwaltschaften“, so Mohr weiter.

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In diesem Fall sei die Wählbarkeit Rehms im Juni 2024 laut Mohr gegeben gewesen. „Zum Zeitpunkt der Prüfung der Wählbarkeit (26. März 2024) lag uns keine Mitteilung der Staatsanwaltschaft über einen Wahlrechtsausschluss zu Herrn Rehm vor“, betont Mohr. Allerdings: „Über laufende Strafverfahren werden Wahlämter nicht informiert, ebenso wenig über Verurteilungen, die nicht zum Verlust des Wahlrechts oder der Wählbarkeit führen“, so Mohr weiter.

Der Singener André Rehm (rechts) im Konstanzer Landgericht. Neben ihm sitzt sein Anwalt Michael Busching.
Der Singener André Rehm (rechts) im Konstanzer Landgericht. Neben ihm sitzt sein Anwalt Michael Busching. | Bild: Graziella Verchio

Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage, dass die Stadt laut Gemeindeordnung bei Wegzug oder rechtlichen Gründen die Wählbarkeit entziehen könne. So seien Bürgerinnen und Bürger nicht wählbar, die infolge eines Richterspruchs in der Bundesrepublik Deutschland die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzen.

Laut OB Häusler verliere ein Bürger die Amtsfähigkeit sowie das passive Wahlrecht, wenn er wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werde. Und zwar auf die Dauer von fünf Jahren. „Der Verlust des Amtes und des Wahlrechts wird mit Rechtskraft des Urteils rechtswirksam“, so Häusler weiter.

Könnte also eine Verurteilung André Rehm daran hindern, sein Mandat im Gemeinderat anzutreten? Nicht, wenn man den Fall rein juristisch betrachtet, erklärt Mirja Poenig, Pressesprecherin beim Landgericht Konstanz. Denn um seine Amtsfähigkeit zu verlieren, muss die begangene Tat auch entsprechend gravierend sein.

Laut dem Strafgesetzbuch muss ein einziger der Tatvorwürfe bereits eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr nach sich ziehen. Im aktuellen Fall von André Rehm trifft dies allerdings nicht zu, weil auch ein Schuldspruch in zweiter Instanz mehrere Vorwürfe umfassen würde. „Die Tatvorwürfe der gefährlichen Körperverletzung, der Nötigung und der Bedrohung erfüllen diese Voraussetzungen nicht“, so Poenig.

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Selbst wenn das Landgericht das Urteil des Amtsgerichtes bestätigt und er auch in den folgenden Verhandlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt werden sollte – an seiner Amtsfähigkeit für den Singener Gemeinderat ändert das also nichts.

Außer, dass er den Sitzungen für die Dauer seiner Haft nicht beiwohnen könnte. „Sollte eine unbedingte Freiheitsstrafe ausgeurteilt und nach Rechtskraft vollzogen werden, stellt sich jedenfalls dann die Frage einer Tätigkeit im Stadtrat ja rein faktisch“, fasst die Sprecherin des Landgerichts zusammen.

Diese Folgen könnten der AfD bei einer Verurteilung drohen

Für die AfD-Gruppierung im Gemeinderat hätte die Verurteilung von Rehm aber durchaus Folgen. Denn sollte der Nachrücker ins Gefängnis müssen, wird sein Sitz im Gremium für mindestens ein Jahr verwaist bleiben. Dass die AfD jemand anderen in den Gemeinderat schickt, ist ausgeschlossen. Denn Rehm ist der letzte potenzielle Nachrücker auf der Liste der AfD. Am 6. Juni soll das Urteil vor dem Landgericht Konstanz gesprochen werden.

Rehm selbst wollte sich auch nach mehrfacher Anfrage durch den SÜDKURIER weder zum aktuellen Verfahren, noch zu seiner Vorbildfunktion als künftiger Stadtrat und zu den Vorwürfen im Allgemeinen äußern.

Anmerkung der Redaktion: Bis zum Richtspruch gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung. Normalerweise berichtet der SÜDKURIER bei Gerichtsverhandlungen anonym. Da André Rehm kurz davor ist, als Nachrücker in den Gemeinderat vereidigt zu werden und damit eine öffentliche Position bekleidet, gilt er als Person des öffentlichen Lebens. Deshalb hat sich die Lokalredaktion zur vollen Namensnennung entschieden.