Er kandidierte im Juni 2024 für die Alternative für Deutschland (AfD), soll in wenigen Tagen als neuer Singener Stadtrat vereidigt werden – und er hat mächtig Ärger mit der Justiz. AfD-Mann André Rehm, der schon bald als Nachrücker in den Gemeinderat kommen könnte, muss sich aktuell vor dem Landgericht Konstanz verantworten. Damit bekommt ein Strafprozess eine in Singen bisher einmalige politische Dimension – das ist auch der Grund, warum der SÜDKURIER mit voller Namensnennung berichtet. Für ihn gilt wie immer in solchen Fällen die Unschuldsvermutung.
Die Anklageschrift ist lang. Ihm wird gefährliche Körperverletzung, versuchte Nötigung, Bedrohung und einfache Körperverletzung vorgeworfen. Hinzu kommt, dass Rehm kein Unbekannter im deutschen Justizsystem ist. Wie SÜDKURIER-Recherchen im Vorfeld der aktuellen Verhandlung in Konstanz ergeben haben, ist er schon mehrfach vorbestraft. Unter anderem wegen Urkundenfälschung, schwerer Körperverletzung, Diebstahl und illegalem Waffenbesitz. Rehm selbst wollte sich auch nach mehrfacher Anfrage durch den SÜDKURIER weder zum aktuellen Verfahren, zu seiner Vorbildfunktion als künftiger Stadtrat und zu den Vorwürfen im Allgemeinen äußern.
Die Frage, die nun im Raum steht: Darf und kann Rehm sein Mandat im Falle einer Verurteilung überhaupt antreten? Ein Schuldspruch im aktuellen Verfahren könnte laut SÜDKURIER-Informationen eine einjährige Haftstrafe ohne Bewährung zur Folge und auch Auswirkungen auf seine politischen Ambitionen haben. In erster Instanz hatte ihn das Singener Amtsgericht im März 2024 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Jetzt ist der Fall erneut vor dem Landgericht in Konstanz gelandet.
Würgemale am Hals und eine Waffe am Kopf? Das wird André Rehm vorgeworfen
Dass es ein langer Tag vor Gericht werden könnte, zeichnete sich schon vor der Verhandlung am Konstanzer Landgericht ab: Elf Zeugen sind geladen, um auszusagen. Zwei Zeugen haben sich entschuldigt, einer taucht nicht auf. Verhandelt werden zwei Vorfälle, in denen André Rehm als Täter beschuldigt wird.
Der erste Vorfall soll sich in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 2023 in der Singener Südstadt ereignet haben. Dabei soll Rehm der Staatsanwaltschaft zufolge zusammen mit einem weiteren Mann einen jungen Mann erst abgepasst, anschließend bedrängt und dann gewürgt haben. Dies schildert eine 17-jährige Zeugin vor Gericht. Ihrer Aussage nach soll der Geschädigte Würgemale am Hals und blaue Lippen gehabt haben. Ähnlich schilderte der damals anwesende Polizist den Fall. Der Geschädigte wurde zunächst medizinisch versorgt. „Die Würgemale waren deutlich zu sehen“, erinnert sich der Polizist.
Bei der Zeugenaufnahme soll der Geschädigte laut dem Polizisten angegeben haben, dass einer der beiden Männer, die ihn angegriffen haben, „Mocke“ gewesen sei. Das sei der Spitzname, unter dem André Rehm bekannt sei, erklärt der Polizist. „Der Angeklagte soll auf dem Parkplatz dem Geschädigten gesagt haben, dass, sollte er die Polizei rufen, er abgestochen wird“, so der Polizist weiter.
Der zweite Vorfall soll sich am 7. Februar 2024 in Radolfzell beim Hemdglonkerumzug zugetragen haben. Laut einer Zeugin soll es dort im Stadtgarten zu einer Auseinandersetzung zwischen Rehm und einer Gruppe von Jugendlichen gekommen sein. Dabei habe Rehm laut der Zeugin eine Pistole – mutmaßlich zur Tierabwehr – gezogen und sie ihrem Freund an den Kopf gehalten. Die habe er, weil sein Hund, ein Mischling, schon oft von größeren Hunden angegriffen worden sei, schildert Rehm vor dem Landgericht.
Zwei weitere Zeugen belasten Rehm ebenfalls. Der Angeklagte selbst streitet beide Vorfälle ab und liefert für beide möglichen Taten Alibis. Eine Freundin und ein Freund entlastet ihn vor Gericht.

Rehm hatte bereits mehrfach Ärger mit der deutschen Justiz. Laut Richter Tasso Bonath weist das Vorstrafenregister des Angeklagten aktuell 17 Einträge auf. Darunter finden sich Vergehen wie mehrfacher versuchter Diebstahl, mehrfach wurde er beim Fahren ohne Führerschein erwischt, illegaler Waffenbesitz, Urkundenfälschung, Beleidigung von Beamten, Anstiftung zur schweren Körperverletzung und schwere Körperverletzung. Auch ein Polizist, der als Zeuge vor dem Landgericht aussagt, sagt über Rehm: „Herr Rehm ist polizeibekannt und hat unter Jugendlichen einen gewissen Ruf.“
Die erste Verhandlung von André Rehm hatte am 26. März 2024 am Amtsgericht Singen stattgefunden. „Der Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter Nötigung, Bedrohung und wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgte nicht“, teilt das Amtsgericht Singen dazu auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. Laut Staatsanwaltschaft hat Rehm selbst gegen das Urteil des Amtsgerichtes Berufung eingelegt.
Und auch nach der Verhandlung in Konstanz geht es für Rehm juristisch weiter. In Bälde muss er sich erneut vor dem Amtsgericht in Singen verantworten – dieses Mal wegen Betrugs. Im jetzigen Verfahren vor dem Konstanzer Landgericht soll am 6. Juni das Urteil gegen AfD-Mann Rehm fallen.
Anmerkung der Redaktion: Bis zum Richtspruch gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung. Normalerweise berichtet der SÜDKURIER bei Gerichtsverhandlungen anonym. Da André Rehm kurz davor ist, als Nachrücker in den Gemeinderat vereidigt zu werden und damit eine öffentliche Position bekleidet, gilt er als Person des öffentlichen Lebens. Deshalb hat sich die Lokalredaktion zur vollen Namensnennung entschieden.