Bei Trigema in Burladingen pendelt die Stimmung am Donnerstag irgendwo zwischen Schockstarre und Erleichterung. Erleichterung, weil klar ist, dass es dem Firmenpatriarchen Wolfgang Grupp, über dessen Gesundheitszustand zehn Tage lang Unklarheit herrschte, besser geht. Schockstarre, weil öffentlich wird, was an jenem Montagmorgen, dem siebten Juli, in der Villa Grupp wirklich passiert ist.
In einem Brief an die Belegschaft, aus dem zuerst die „Bild“ zitierte und der auch dem SÜDKURIER vorliegt, lüftet Grupp Senior selbst das Schweigen. Er leide an Altersdepressionen, schreibt der 83-Jährige und da mache man sich Gedanken, ob man überhaupt noch gebraucht werde. „Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden“, schreibt Grupp.
Grupp würde es gerne ungeschehen machen
Er bedauere sehr, was geschehen ist und würde es gerne wieder ungeschehen machen, schreibt Grupp und bedankt sich „ganz herzlich“ für die zahlreichen Genesungswünsche und Nachrichten, die ihn in den vergangenen Tagen erreicht hätten. Sein Dank gelte auch allen Ärzten, Rettungs- und Pflegekräften. Es könne nun etwas länger dauern, „bis ich wieder ganz gesund bin“, schreibt er.
Zu den Umständen des Suizidversuchs äußert sich Grupp, der den T-Shirt- und Tennisbekleidungshersteller vom Pleitekandidaten zu einer der wohl schillerndsten Textilmarken der Republik entwickelte, nicht.
Klar ist aber, dass der Hobbyjäger Grupp im Besitz von Waffen ist. Unbestätigten Berichten zufolge waren an jenem Montag vor zehn Tagen, als Grupp in eine Klinik eingeliefert wurde, Schüsse im Umfeld des Unternehmens gehört worden.
Beim Unternehmen selbst laufen Telefonanrufe an diesem Donnerstagnachmittag ins Leere und auch im Büro des Betriebsrats ist kurz nach Bekanntwerden der Nachricht niemand mehr erreichbar. Irgendwie gelingt es, einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen, der aber nicht mit Namen genannt werden will. Natürlich sei man erleichtert, nach so vielen Tagen voller Ungewissheit, sagt er. Im Unternehmen atme man auf, dass es dem Senior-Chef gut gehe.
Um ihm Respekt zu zollen, tun die Mitarbeiter das, was er wohl auch getan hätte, wenn es die Lage zuließe. „Wir sind am Arbeitsplatz und arbeiten“, sagt der Mitarbeiter noch. Dann muss er weiter.
Es hatte Spekulationen gegeben
In den vergangenen Tagen waren Spekulationen ins Kraut geschossen. Nur direkt nach dem Vorfall hatte sich Trigema kurz geäußert und bekannt gegeben, dem Senior-Chef gehe es „altersentsprechend gut“. Weitere Anfragen beantworte man nicht. Indes bestätigte die Polizei einen Einsatz in Burladingen an jenem Montag. Demnach wurde ein verletzter Mensch aus einer Privatwohnung mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht.
Wenig später hieß es, eine Fremdbeteiligung werde ausgeschlossen. Auch sei keine Straftat festgestellt worden, weswegen für weitere Ermittlungen kein Anlass bestehe. Wenige Tage vor dem Vorfall hatte Grupp bei einem Tag der offenen Tür in Burladingen noch Gäste empfangen und sie bei der Büroarbeit über seine Schulter blicken lassen. Alles schien normal.
Allerdings hatte der 83-Jährige kurz zuvor „Focus Online“ ein Interview gegeben, das im Nachhinein weitere Spekulationen nährte. Er habe alles verschenkt an seine Frau und seine Kinder, sagte er damals. „Man kann jetzt nur noch auf das Ende warten. Das ist so, und damit muss man sich abfinden.“ Er sei an einem Punkt, wo er nicht mehr sagen könne, er mache in 15 Jahren noch mal eine Reise. „Das Leben geht zu Ende.“
Jetzt ist klar: Grupp ist offenbar wieder auf dem Weg der Besserung. Er habe versucht, sein ganzes Leben in den Dienst von Trigema und den Kampf für die Interessen der Wirtschaft und des Mittelstands in Deutschland zu stellen, schreibt er in seinem offenen Brief. Dabei sei er oft unbequem gewesen, aber auch dankbar für das, was er erreichen konnte.
Ein bisschen nach Abschied klingt das Schreiben dann doch. Er sei sich sicher, dass seine Kinder, an die er Trigema Anfang 2024 übergeben hatte, das Unternehmen verantwortungsvoll „in eine erfolgreiche und sichere Zukunft führen werden“. Er bitte alle darum, sie dabei zu unterstützen.
Hilfsangebote bei Depressionen
Unter den kostenfreien Telefonnummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 der Telefonseelsorge finden Betroffene und Angehörige in schwierigen Lebenslagen anonyme und kompetente Hilfe rund um die Uhr.
Auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention finden sich weitere Hilfsangebote.