„Das ist wirklich sehr ärgerlich, so etwas darf nicht passieren“, sagt Roland Zettel Kreide. Er ist Schulleiter an der Carl-Heinrich-Rösch-Schule, einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) in Waldshut-Tiengen.

 Am Mittwoch gab das Kultusministerium in Baden-Württemberg bekannt, dass wegen eines IT-Fehlers 1440 Stellen als besetzt ausgewiesen wurden – obwohl sie eigentlich unbesetzt sind. Der Fehler geht laut Kultusministerium auf das Jahr 2005 zurück und blieb seitdem unbemerkt.

Die Empörung darüber ist bei Schulleitern aus der Region groß. Besonders an sonderpädagogischen Einrichtungen, wie der Carl-Heinrich-Rösch-Schule in Waldshut-Tiengen, ist der Lehrermangel groß. In dieser Situation sorgt die Nachricht für umso größere Verwunderung, sagt Schulleiter Roland Zettel Kreide.

Unbürokratische Lösungen gefordert

Er hofft, dass die Stellen nun schnell und unbürokratisch mit Quereinsteigern nachbesetzt und langfristig ausgebildete Lehrer eingesetzt werden. Wie schnell das Kultusministerium das hinbekommt, ist allerdings fraglich. „Es würde mich wundern, wenn man es schafft, die Stellen bis zum Schulanfang zu besetzen“, so Zettel Kreide.

Empört äußert sich auch Diana Amann, Schulleiterin des Gymnasiums am Bildungszentrum Markdorf: „Es ist unglaublich, dass das 20 Jahre lang nicht aufgefallen ist. Es ist ein Skandal.“ Die Schulen selbst hätten davon nichts mitbekommen, erklärt Amann. Die Schüler- und Klassenzahlen würden durch die Schulleitungen weitergegeben und das Programm würde die entsprechende Stundenzahl berechnen.

Genauere Informationen fehlen noch

Noch fehlen aber auch den Schulen genauere Informationen zu dem weiteren Vorgehen. „Inwieweit dieser Skandal unsere Schule betrifft, kann ich noch nicht sagen“, sagt Diana Amann. Sie habe zahlreiche Bewerbungen von Referendaren auf dem Tisch, die sie hätte ablehnen müssen. Für das kommende Schuljahr seien am Gymnasium in Markdorf genügend Lehrer da, um alle Wochenstunden abzudecken.

Amann kritisiert den Stand der Digitalisierung an den Schulen. „Die IT-Panne ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt sie. Viele Programme, die an den Schulen verwendet werden, etwa für die Erstellung des Vertretungsplans, seien fehlerhaft. Das Regierungspräsidium Tübingen als zuständige obere Schulaufsichtsbehörde für den Bodenseekreis sei darüber bereits informiert.

„Die Leidtragenden sind die Schulen“

Die Schulleiterin der Ratoldus Gemeinschaftsschule in Radolfzell, Nuria Loewen, habe die Nachricht über die IT-Panne erst gar nicht glauben können. Sie habe zunächst gedacht, es handle sich um eine Fehlermeldung. „Die Leidtragen sind hier ganz klar die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte und Schulen, die seit Jahren über die hohe Belastung durch fehlende Lehrerstunden klagen. Es ist wirklich ein Skandal“, sagt Loewen.

Auch im Kollegium herrsche Fassungslosigkeit – das System sei spürbar überlastet, was von den Verbänden seit Jahren kritisiert werde: „Nun zu wissen, dass eigentlich Kapazitäten für Stellen da gewesen wären, um Personallöcher und längerfristige Krankheitsausfälle und damit verbundene Unterrichtsausfälle aufzufangen, sorgt für Empörung und Kopfschütteln.“

Keine Entspannung in Sicht

An der Ratoldusschule hält sich der Lehrermangel laut Nuria Loewen noch in Grenzen. In jedem Schuljahr gebe es aber im Verlauf immer mal wieder längere Ausfälle von Lehrern. Ein stabiler Vertretungspool sei wünschenswert, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden. „Aber da das System stets ‚auf Kante genäht‘ ist, sind solche Ausfälle in den letzten Jahren immer zu Lasten der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler gegangen“, sagt Loewen. Dass es Gelder gegeben hätte, um mehr Stellen zu schaffen, sei sehr ärgerlich.

Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass der Lehrermangel nun deutlich kleiner wird. Die 1440 Stellen machen gerade einmal 1,5 Prozent des Personals aus: In Baden-Württemberg gibt es 95.000 Lehrerstellen an 4500 Schulen. Es würde also einen zusätzlichen Lehrer an jeder dritten Schule geben.

Wie viele Stellen in der Region fehlen, ist derzeit nicht bekannt. Das Regierungspräsidium Freiburg als obere Schulaufsichtsbehörde für die Landkreise Konstanz, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar und Waldshut möchte sich zu Detailfragen nicht äußern und verweist an das Kultusministerium.