Schiare Ghazi Kret war sich sicher: Sie wird es schaffen. Sie wird ihre vier Kinder, die vom Ehemann in den Irak entführt wurden, wieder in den Raum Konstanz bringen. Unermüdlich hat sie dafür gekämpft. Jetzt ist ihr das Unwahrscheinliche tatsächlich gelungen. Mithilfe von Behörden und Organisationen und vielleicht auch höheren Mächten.
Die 38-Jährige sagt: „Gott hat uns geholfen. Der hat gesagt, das reicht, die gehören da nicht hin.“ Ihre fünf Kinder im Alter von 9 bis 17 Jahren leben nun wieder in der Region. Die ehemals entführten Kinder gehen wieder in die Klassenverbände, aus denen sie gerissen wurden.
Monatelang hatte Schiare Ghazi Kret um vier ihrer Kinder, drei Mädchen, ein Junge, gebangt. Der Ehemann hatte sie über das Ohr gehauen. Er gaukelte ihr vor, Urlaub mit den Kindern zu machen. Dafür gab sie ihre Unterschrift. Der Mann aber nahm die Kinder und kam nicht wieder. Er ging mit ihnen in den Irak.
Sie erstattete deswegen in Mühlheim an der Ruhr Strafanzeige. Die Familie hielt sich damals im Raum Essen auf. Rein rechtlich handelt es sich um die Entziehung Minderjähriger. Die Polizei ermittelte und schrieb die Kinder für den Schengenraum zur Fahndung aus. Dort wäre der Mann vermutlich nicht weit gekommen. Die Kinder wären in Obhut genommen und der Mutter zugeführt worden.
Der Irak aber gehört nicht zu den Staaten, die das Haager-Übereinkommen bei der Entführung von Kindern unterzeichnet haben, eine Grundlage für die internationale Zusammenarbeit. Mit anderen Worten: Es gibt keine Kooperation bei einem Ermittlungsersuchen der Polizei.
Fehlende Dokumente? Mutter darf nicht in den Irak reisen
Schiare Ghazi Kret befand sich in einer verzweifelten Lage, die durch Bürokratismus verschärft wurde. Einmal gelang es ihr, in den Irak zu reisen. Dort schaltete sie die Polizei und einen Anwalt ein und erwirkte eine Gerichtsverhandlung.
Das Ergebnis: Der Mann sollte die Kinder wieder nach Deutschland bringen. Man habe ihm dafür 40 Tage Zeit gegeben. In dieser Zeit habe sie aus dem Irak reisen müssen. Doch der Mann kam nie mit den Kindern nach Deutschland.
Also wollte sie erneut in den Irak. Doch sie durfte nicht. Sie musste monatelang auf Reisedokumente warten. Aus diesem Grund konnte sie keine Termine beim irakischen Gericht wahrnehmen. Nach einem Bericht im SÜDKURIER über die Situation ging es dann doch schnell. Sie bekam die Reisedokumente.
Im Irak operierte sie auf mehreren Ebenen. Nach drei Reisen gelang es ihr letztlich, mithilfe von Organisationen, Behörden und ihrem unbändigen Willen, die vier Kinder wieder nach Deutschland zu bringen.
Beim glücklichen Wiedersehen in Deutschland fließen Tränen
Die entführten Kinder sind in Deutschland aufgewachsen. Nach Angaben der Mutter konnten sie kaum die Sprache des Irak. Sie hätten dort auch keine Schule besucht und keinen Kontakt zu Einheimischen gehabt. Viele Freunde und Bekannte bei Konstanz hätten gebetet, damit die Kinder wiederkommen können, sagt Schiare Ghazi Kret.
Es seien Tränen geflossen, als sie unversehrt wieder in der Region waren. Unterstützerin Gabi Münzer sagt: „Ich hatte Zweifel, ob das klappt. Meine Hochachtung. Da braucht man viel Kraft.“ Sie sei jedenfalls froh, dass die Kinder wieder in der Region sind.
Die Kinder bekommen in den Sommerferien und später eine besondere Unterstützung, um den verpassten Stoff in der Schule aufzuholen. Sie sollen im Verbund mit ihren Klassenkameraden bleiben können und nicht eine Klasse wiederholen. Sie selbst hat einen Arbeitgeber, der Verständnis dafür zeigte, dass sie immer wieder in den Irak musste. Er beschäftigt sie weiter.
Schiare Ghazi Kret wünscht sich nun Ruhe für ihre Kinder. Sie hat Sorge, dass diese und auch sie ständig auf die Entführung angesprochen werden. Deshalb will sie, dass weder sie, noch ihre Kinder auf einem Foto in der Zeitung zu sehen sind. Ihre Vorsicht hat einen weiteren Grund. Verwandte ihres Mannes, der die Kinder entführt hat, leben nicht weit vom Bodensee entfernt. Da sei sie lieber vorsichtig.
„Ich sage zu allen Frauen: Nie aufgeben! Stark bleiben! Kämpfen!“
Eine Botschaft aber hat sie: „Ich sage zu allen Frauen: Nie aufgeben! Stark bleiben! Kämpfen!“ So wie sie es gemacht hat, um ihre vier Kinder wieder nach Deutschland zu bringen. Die 38-Jährige gehört zur Minderheit der Jesiden. Diese müssen im Irak mit Verfolgung und Diskriminierung rechnen.