Bislang war die Nutzung des Schulbusses für Grundschüler und Schüler von sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) im Landkreis Sigmaringen kostenlos. Das soll sich ändern. Angesichts der prekären Finanzlage des Landkreises hat die installierte Haushaltsstrukturkommission auf der Suche nach Sparpotentialen vorgeschlagen, diese kostenlose Leistung zu canceln und ab 1. Januar 2026 für die Beförderung der Grund- und SBBZ-Schüler monatlich 30,70 Euro zu kassieren, und so mindestens 650.000 Euro an Mehreinnahmen zu bekommen. Die Mitglieder des Umwelt-, Kultur- und Schulausschusses billigten in der jüngsten Sitzung den Vorschlag, wobei der Kreistag bei seiner Sitzung am 28. Juli das letzte Wort hat.
Minus für die Schülerbeförderung erhöht sich stetig
Für die Schülerbeförderung erhält der Landkreis vom Land jährlich etwa 3,9 Millionen Euro als Zuschuss, wobei sich dieser Betrag in den vergangenen 20 Jahren kaum erhöht hat, obwohl die Transportkosten sich deutlich erhöht haben. Die Eigenanteile der Schüler betrugen bis 2023 durchschnittlich 1,7 Millionen Euro, der sich durch die Einführung des D-Ticket JugendBW auf zuletzt 0,5 Millionen Euro verringerte. Denn viele Schüler nutzen anstelle der Schülermonatskarte das günstigere D-Ticket. Somit erhöhte sich das Minus für den Landkreis von 155.000 Euro im Jahr 2019 auf 1,22 Millionen Euro im Jahr 2024. Und die Verwaltung erwartet für die kommenden Jahre einen weiteren Anstieg des Defizites, dem nun mit der Abschaffung des kostenlosen Angebots für Grund- und SBBZ-Schülern entgegen gewirkt werden soll. Die Höhe des Monatsbeitrags entspricht dabei 50 Prozent des Naldo-Tarifs, denn die Monatsfahrkarte kostet in der ersten Preisstufe 61,40 Euro. Eine Familie würde ab dem dritten Grund- oder SBBZ-Schüler vom Eigenanteil befreit.
Grüne beantragen getrennte Abstimmung
Als „Gleichbehandlung aller Schüler“ bezeichneten Landrätin Stefanie Bürkle und die Erste Landesbeamtin Claudia Wiese die Maßnahme, wobei in der gesamten Region nur noch der Landkreis Sigmaringen die kostenlose Grundschul- und SBBZ-Beförderung anbietet. „Der Beitrag ist relativ hoch“, befürchtet Kreisrätin Elisabeth Gruber (FW), dass man damit das Phänomen der „Elterntaxis“ befördert. Erfahrungen anderer Landkreise zeigten, dass dieses Verhalten nicht lange andauere, erwiderte Wiese. Wohlwissend, dass es einen Aufschrei geben werde, stimme die CDU der Änderung zu, bezeichnete Fraktionschef Thomas Kugler das gesamte ÖPNV-System als große Herausforderung. Grünenfraktionssprecher Johannes Kretschmann beantragte eine getrennte Abstimmung für die Kostenbeteiligung von Grundschülern und SBBZ-Schülern, was mit 10:5 Stimmen abgelehnt wurde. „Viele Eltern müssen jetzt schon jeden Euro umdrehen“, tat sich Susanne Petermann-Mayer (Grüne) mit einer Entscheidung schwer, ebenso wie Helga Brey (SPD), „dass man von null auf 30,70 Euro pro Monat erhöht.“
Klare Ansage von Landrätin Bürkle
Hierauf setzte Landrätin Bürkle zu einem Grundsatzstatement an, denn „niemand fällt eine solche Entscheidung leicht.“ Es gelte, angesichts des erwarteten Defizits von 4,6 Millionen im Kreishaushalt 2024 „strukturell in die nächsten Jahre zu schauen.“ Die kostenlose Schülerbeförderung sei kein Grundrecht und jeder könne selbst entscheiden, wo er leben wolle, erwiderte sie auf den Einwand, dass mit einer solchen Entscheidung die Menschen im ländlichen Raum wieder benachteiligt würden, da sie auf den Schulbus angewiesen sind, während in Städten der ÖPNV viel besser ausgebaut sei. Der Landkreis müsse in jedem Fall das Minus in der Schulbusbeförderung ausgleichen. Verzichte man den Eigenanteil, müsse das Geld dann über die Kreisumlage und somit von allen Bürgern aufgebracht werden. „Das ist kein unsozialer Vorschlag“, verteidigte Bürkle diese adressenorientierte Kostenbeteiligung. Harsche Kritik gab es von der Kreischefin an Bund und Land, die seit vielen Jahren über die ÖPNV-Finanzierung reden, aber die Entscheidung vertagen.
Familien werden immer mehr belastet
Immer mehr Probleme würden von „oben“ nach „unten“ verlagert, pflichtete Illmensees Bürgermeister Michael Reichle (CDU) der Landrätin bei, was die Gemeindehaushalte immer mehr belastete. So sei seine Gemeinde gezwungen, die Gebühren für die verlässliche Grundschule zu erhöhen. Auch Maik Lehn sieht als Bürgermeister von Stetten a.k.M. die finanziellen Grenzen für die Kommunen erreicht. Trotz der Einführung des Eigenanteils übernehme der Landkreis immer noch 50 Prozent der tatsächlichen Kosten, ergänzte der CDU-Kreisrat. „Die Familien werden zunehmend belastet und die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Das macht mir große Sorgen“, erklärte Sandra Rupp (FW). Man befinde sich erst am Anfang der Diskussion über die Frage: „Machen wir als Staat das Richtige?“, gab es von Landrätin Bürkle als Abschlussstatement.