Sind die Aussagen einer inzwischen 19 Jahre alten Frau glaubhaft, die ihrem Vater vorwirft, sie zwischen 2018 und 2020 in einem Schwarzwalddorf im Nordosten des Landkreises Waldshut mehrfach sexuell misshandelt zu haben? Das ist die Kernfrage, um die es am inzwischen siebten Verhandlungstag im Missbrauchsfall vor der Ersten Großen Jugendkammer des Landgerichts Waldshut ging.

Der Fachpsychologe Kenan Alkan-Mewes hält die Aussagen für glaubwürdig; Sascha Böttner, der Anwalt des Angeklagten, widerspricht da heftig. Er stützt sich darauf, dass es inzwischen drei Verfahren gibt, in denen die Frau angibt, von Männern vergewaltigt oder missbraucht worden zu sein. Eines dieser weiteren Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt, das andere in weiten Teilen.

Vertritt der Anwalt aus Hamburg den Angeklagten weiterhin?

Und so gab es im Gerichtssaal in Waldshut unverhofft ein Wiedersehen mit dem Rechtspsychologen aus Freiburg, der abermals aussagen musste. Gespannt war man, ob Strafverteidiger Sascha Böttner aus Hamburg anreist. Der Anwalt vertritt in der Hansestadt derzeit einen Mitangeklagten im aufsehenerregenden Block-Prozess wegen Kindesentführung. Jener Prozess ist derzeit für einige Tage ausgesetzt, sodass spekuliert wurde, Böttner käme zur Verhandlung zurück nach Waldshut. Kam er nicht; er ließ sich am Mittwoch von einem Kollegen aus der Region vertreten.

Warum sind die beiden anderen Fälle relevant?

Von Interesse sind die beiden anderen Fälle, weil die von der jungen Frau erhobenen Vorwürfe jeweils vergleichbar waren, eines der beiden Ermittlungsverfahren aber von der Staatsanwaltschaft Konstanz eingestellt wurde und das andere in weiten Teilen. Darin wirft sie dem Vater einer Mitbewohnerin in einem Haus der Jugendhilfe am Bodensee vor, sie missbraucht zu haben. Von den Vorwürfen übrig geblieben sei ein Strafbefehl, weil der Mann ihr zweimal Bilder von seinem Penis geschickt habe, berichtete Richter Martin Hauser.

Der Prozess gegen einen anderen Mann, der die junge Frau 2022 auf dem Oktoberfest in Konstanz vergewaltigt haben soll, ist im Oktober 2023 von der dortigen Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Auffallend dabei, so berichtete Hauser weiter, sei, dass die Polizei mehrere Male versucht habe, die junge Frau telefonisch zu erreichen. Diese gab jetzt an, damals nicht gewusst zu haben, wie die Mailbox ihres Telefons funktionierte. „Ich bin mir sicher, dass es Geschlechtsverkehr gegen meinen Willen war“, antwortete sie auf Frage von Richter Hauser.

Wie geht das Gericht jetzt weiter vor?

Beide Fälle übrigens werden die Jugendkammer des Landgerichts Waldshut auch am achten Verhandlungstag dieses Prozesses beschäftigen. Dann sollen Videos von der polizeilichen und richterlichen Vernehmung des Opfers angeschaut und jene Betreuerin aus der Jugendhilfeeinrichtung am Bodensee gehört werden, die die Polizei von den Vorwürfen gegen den Vater einer Mitbewohnerin des Opfers unterrichtet hatte.

In einer anderen Sache sind die Aussagen des Opfers in der Zwischenzeit bestätigt worden. In der gemeinsamen Wohnung der Mutter der jungen Frau und ihres jetzigen Mannes gibt es tatsächlich einen für ausgedehnte Liebesspiele eingerichteten Kellerraum. Das hat zwischenzeitlich eine Hausdurchsuchung ergeben. Hinweise auf einen als Knebel benutzten Gummiball oder ähnliches Sexspielzeug aber hat es nicht gegeben.

Was sagt der Gutachter?

Sehr abstrakt, sehr theoretisch und vor allem sehr hypothetisch wurde es, als Rechtspsychologe Alkan-Mewes noch einmal befragt wurde. Dem Experten für die Begutachtung von Aussagen war die Befragung sichtlich unangenehm. Dies, weil die Fragesteller – Richter, Staatsanwältin und Verteidiger – auf einer anderen Ebene fragten, als er antworten konnte. ‚Ich habe nicht ein einziges Wort zur Glaubwürdigkeit der Frau gesagt, sondern nur zur Glaubhaftigkeit einer einzigen Aussage‘, meinte er.

So wollte Staatsanwältin Bisegger vom Gutachter nun wissen, wie er denn begutachten würde, wenn die Beweisaufnahme ergebe, dass die Nebenklägerin im Kindesalter im Elternhaus ähnliche sexuelle Vorerfahrungen gemacht habe. „Meine Aussage, dass die Angaben der Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Erlebnishintergrund haben, bleibt“, antwortete der Sachverständige. „Man kommt nicht weiter mit der Annahme, dass es da etwas gab“, meinte er noch, nachdem insbesondere Richter Hauser und Staatsanwältin Bisegger noch mehrmals versucht hatten, Belege für die Wahrnehmungsübertragungshypothese zu finden.

Wann fällt das Urteil?

Der Prozess wird am Donnerstag, 7. August, fortgeführt. Dann werden Videos von polizeilichen und richterlichen Vernehmungen des Opfers in anderen Fällen angeschaut und die Betreuerin vernommen, die einen anderen Fall bei der Polizei angezeigt hatte. Am 11. August sollen die Schlussvorträge gehalten werden und am 12. August soll schließlich das Urteil gesprochen werden.

So lief die bisherige Verhandlung

Erster Prozesstag: Das wird dem Angeklagten vorgeworfen

Zweiter Prozesstag: Das Opfer sagt mehr als drei Stunden aus

Dritter und vierter Prozesstag: Der Gutachter hält das Opfer für glaubwürdig

Fünfter und sechster Prozesstag: Die Plädoyers sind gesprochen, doch ein Urteil im Missbrauchs-Prozess wird noch nicht fallen