„Ich habe in diesem Jahr eine tolle, gebildete und interessierte Auszubildende gefunden“, berichtet Angelika Siebrands, die seit 30 Jahren die Buchhandlung Schwarz auf Weiss in der Rheinbrückstraße in Bad Säckingen leitet. Doch ein solcher Erfolg bei der Suche nach neuen Azubis ist für die Buchhändlerin längst nicht mehr selbstverständlich: „Ich habe immer Ausbildungsplätze angeboten. Früher haben sich wahnsinnig viele beworben, heute müssen wir froh sein, überhaupt jemanden zu finden, der die notwendigen Qualifikationen, die Allgemeinbildung und gute Deutschkenntnisse mitbringt“, so Siebrands, die in dieser Entwicklung eine „Folge der deutschen Bildungsmisere“ sieht.
Anforderungen in der Ausbildung haben sich verändert
Mit der oft schwierigen Suche nach Auszubildenden muss sich Jürgen Sulger nicht mehr beschäftigen. Seit vier Jahren ist der gelernte Einzelhandelskaufmann mittlerweile im Ruhestand. Zuvor hatte er seit 1978 mehr als 40 Jahre lang Lebensmittelgeschäfte in Laufenburg und später in Murg geleitet. „Ich hatte durchgehend zwischen drei und vier Auszubildende im Betrieb“, erzählt Sulger. Die Anzahl der Bewerbungen und vor allem die Qualität der Bewerber habe auch aus seiner Sicht abgenommen, auch wenn es immer wieder Ausnahmen gegeben habe.
Die Ausbildung an sich hingegen habe über die vergangenen Jahre an Qualität gewonnen, so Sulger. Sie habe sich außerdem den starken Veränderungen im Einzelhandel angepasst. „Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Ausbildung. Damals wurde ich an allen Stellen im Betrieb eingesetzt“, so Sulger. Bis heute decke die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann das ganze Feld der Abteilungen ab, doch das benötigte Wissen im Bereich der Warenkunde sei explodiert: „Früher hatten wir zwei Joghurtsorten im Regal, heute sind es mehr als 100“, so der 69-Jährige.
Wie hat sich der Kundenkontakt verändert?
Die Entwicklung hin zu größeren Geschäften mit größeren Sortimenten in Folge der veränderten Erwartungshaltung der Kunden habe das Berufsbild verändert. „Man muss sich heute mehr als früher spezialisieren. In großen Betrieben herrscht eine starke Arbeitsteilung“, erklärt Sulger. Diese in vielerlei Hinsicht positive Entwicklung habe für Sulger einen großen Nachteil: „Der Kontakt zu den Kunden war früher enger und persönlicher. In einem großen Geschäft ist es hingegen kaum noch möglich, alle Kunden persönlich zu kennen“, so der Einzelhandelskaufmann.

Buchhändlerin Siebrands beobachtet in ihrem Geschäft eine andere Entwicklung. Die Bindung zu den Kunden empfindet sie unverändert als eng. Gerade in der Kleinstadt begleite man viele Stammkunden über mehrere Jahrzehnte. Die meisten Kunden schätzen dabei vor allem das persönliche Beratungsgespräch. „Früher lag unsere Aufgabe darin, ein möglichst breites Wissen über die Bücher zu haben“, so Siebrands. In ihrer eigenen Ausbildung lag der Fokus entsprechend stark auf der Theorie. Doch durch die strukturellen Veränderungen der Buchbranche wurde das Wissen über Bücher für alle zugänglich.
Siebrands macht sich keine Sorgen um die Zukunft des Buchhandels
„Unsere Aufgabe ist nicht mehr primär das Finden von Büchern, sondern das Beraten. Wir wollen im persönlichen Gespräch herausfinden, welche Bücher zu den Kunden passen“, erklärt Siebrands. Die Ausbildung lege daher heute einen größeren Wert auf die Praxis. Im Fokus stehe der Kundenkontakt, auch wenn theoretisches Wissen über die Bücher weiterhin notwendig bleibe. „Entscheidend für einen guten Buchhändler sind aber definitiv die Kommunikationsfähigkeiten“, erklärt die Buchhändlerin.

Dass der Beruf des Buchhändlers durch den Online-Handel und E-Books irgendwann aussterben könnte, davor hat Siebrands keine Angst: „Viele Menschen schätzen es einfach, vor Ort die Bücher in der Hand zu halten und mit uns darüber zu sprechen“, so Siebrands. Veränderungen in der Branche habe es immer gegeben. Wörterbücher und Reiseführer seien heute weitgehend von Apps ersetzt, Romane und Kinderbücher hingegen erlebten einen regelrechten Boom. „Das gedruckte Buch wurde schon hundertmal totgesagt. Doch wir sehen, dass die Menschen auch heute noch viel lesen. Auch die Vorurteile, dass junge Menschen nicht mehr lesen würden, stimmen nicht“, so Siebrands. Sorgen um die Zukunft ihres Berufsbildes mache sie sich daher nicht.
„Menschen wird es immer brauchen“
Auch Einzelhandelskaufmann Jürgen Sulger ist sich sicher, dass es sein Metier weiterhin brauchen wird. „Technische und elektronische Hilfsmittel verändern den Beruf, aber sie eröffnen auch neue Felder. Menschen wird es immer brauchen“, so Sulger. Eine größere Gefahr sehe er im gegenwärtigen Fachkräftemangel. Persönlich würde er die Ausbildung jedem empfehlen, der darüber nachdenkt: „Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Die Arbeit mit den Kunden hat mir immer große Freude bereitet“, erklärt der 69-Jährige.
Als besonders erfüllend empfand er seine Selbstständigkeit. „Auf selbstständiger Basis einen Betrieb nach vorne zu bringen, ist etwas sehr Schönes“, so Sulger. Wer eine solche Karriere anstrebt, für den sei die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann eine gute Grundlage. „In kaum einem anderen Bereich kann man so schnell in Führungspositionen aufsteigen oder sogar als Selbstständiger einen eigenen Markt führen“, erklärt Sulger, der die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmanns nach wie vor für attraktiv hält.
Ausbildung ermöglicht, Leidenschaft zum Beruf zu machen
Angelika Siebrands muss ebenfalls nicht lange nachdenken, warum die Ausbildung zum Buchhändler aus ihrer Sicht für junge Leute attraktiv ist: „Die Sprache und die Fähigkeit zum Erzählen von Geschichten sind das, was den Menschen ausmacht. Bücher erfüllen für Menschen eine kaum zu überschätzende Rolle“, findet sie. Der Buchhandel leiste zudem einen wichtigen Beitrag zur Aufenthaltsqualität in einer Stadt und schaffe einen Ort der Bildung außerhalb der Schule: „Wir haben jedes Jahr zahlreiche Schulklassen hier, bieten Leseförderungen und veranstalten Lesungen“, berichtet Siebrands. Auch das gehöre für sie zum Beruf des Buchhändlers.
Für sie war die Ausbildung außerdem die Möglichkeit, ihre Leidenschaft für Bücher zum Beruf zu machen. Weit mehr als 100 Bücher lese sie in jedem Jahr. Und einen weiteren Vorteil bringe das Metier mit sich: „Ich befinde mich sehr nah an der gesellschaftlichen Entwicklung. Nicht nur in Sachbüchern, sondern auch in Romanen spiegelt sich immer die Entwicklung der Welt. Das zu beobachten, ist spannend und erfüllend“, so Siebrands.