Wie bewältigt ein Klinikum eigentlich einen Massenanfall von Verletzten (MANV), wie er am Sonntag, 7. September, nach dem Massensturz von rund 100 Radfahrern beim Riderman in Bad Dürrheim ausgelöst wurde? Der SÜDKURIER hat beim Schwarzwald-Baar-Klinikum hinter die Kulissen der Zentralen Notaufnahme geblickt, wo die Verletzten behandelt wurden. Dabei zeigt sich, dass die Versorgung vieler Verletzter eine große Logistik und fast militärische Strukturen erfordert.
80 Klinikbeschäftigte werden alarmiert
Sonntag, 7. September, schönes Wetter: Wer nicht arbeiten musste, genoss den sonnigen Herbsttag möglicherweise bei einem Ausflug mit der Familie. Bis ein Anruf die Sonntagsidylle jäh unterbrach. So erging es etwa 80 Beschäftigten am Schwarzwald-Baar-Klinikum, die aufgrund des Massensturzes beim Radrennen Riderman alarmiert wurden.
So funktioniert das System
Wie das funktionierte, erläutert Professor Bernhard Kumle, Direktor der Klinik für Akut- und Notfallmedizin und Leiter der Zentralen Notaufnahme. Auch er selbst hatte an diesem Tag eigentlich frei. „Ich wurde angerufen, mir wurde die Situation geschildert. Daraufhin habe ich das Kommando zum Auslösen des Alarms gegeben“, erläutert er sein Vorgehen im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Die Alarmierung erfolgte über ein System, in dem die Kontaktdaten der Mitarbeiter hinterlegt sind. Quasi per Knopfdruck können die benötigten Fachkräfte benachrichtigt werden.
Diese Fachkräfte wurden benötigt
Insgesamt wurden auf diese Weise mehr als 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachbereichen aus ihrem eigentlich freien Tag geholt. „Das waren beispielsweise Unfallchirurgen, OP-Pfleger, Anästhesisten, aber auch Mitarbeiter der Apotheke und der Technik“, zählt Kumle auf.
Prinzipiell, so Kumle, habe es die Zentrale Notaufnahme bei bis zu 200 Patienten täglich „jeden Tag mit einem Massenanfall von Verletzten zu tun.“

Zehn Operationssäle waren besetzt
Über die große Anzahl der sofort zur Verfügung stehenden Kräfte war Kumle begeistert. „Wir hätten zehn Operationssäle und acht Schockräume besetzen können.“ Letztendlich seien es knapp 30 Verletzte gewesen, die am Sonntagnachmittag medizinisch versorgt werden mussten, die mit Rettungsfahrzeugen oder auch eigenständig in das Klinikum kamen und das zusätzlich zu dem normalen Aufkommen, das an diesem Sonntag in der Notaufnahme herrschte.
Die Einordnung der Verletzten lieft fast militärisch ab
Um die in den Sturz verwickelten Radfahrer entsprechend der Schwere ihrer Verletzungen zu versorgen, wurden die Personen nach dem Eintreffen an einer Sichtungsstelle zunächst gesichtet und nach der Schwere ihrer Verletzungen kategorisiert. „Das war ein großer Aufwand und lief fast schon militärisch ab“, beschreibt Bernhard Kumle die hierarchischen Ebenen, die eingehalten werden müssen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Viele Radler hatten Armbrüche
Bei den behandelten Verletzungen handelte es sich, wie für Fahrradstürze üblich, „um Armfrakturen und Mittelgesichtsverletzungen, die behandelt wurden“.
Dass der Einsatz am Sonntag so gut verlaufen ist, ist kein Zufall. „Wir proben so genannte MANV-Alarme einmal im Jahr“, so Kumle. Hierbei gebe es unterschiedliche Szenarien von MANV-Alarmen, etwa für Pandemien, Brände aber auch Terror- und Amokfälle.“ Geübt werden die Szenarien teilweise auch mit Komparsen, die entsprechend dem jeweiligen Szenario geschminkte Verletzungsmuster aufweisen.
Das Notfall-Konzept wurde erst vor kurzem überarbeitet
Wie Kumle sagt, wurde erst vor Kurzem das bisherige Konzept überarbeitet, „das wir jetzt quasi direkt ausprobieren konnten.“ Die Erfahrungen aus dem Realfall seien für die Klinikbeteiligten „sehr wertvoll gewesen.“
Auch nach dem Bahnunglück in Riedlingen gab es eine Anfrage ans Klinikum
Dass das Schwarzwald-Baar-Klinikum für die Versorgung von mehreren Verletzten nach großen Ereignissen angefragt werde, komme öfter vor. „Beispielsweise wurden wir bei dem schweren Zugunglück bei Riedlingen vor einigen Wochen auch angefragt, ob wir eine größere Zahl Verletzter aufnehmen könnten“, so Kumle. In diesem Falle wurden die Verletzten aber in das näher gelegene Tübingen gebracht.
Wie Kumle sagt, haben bis Mitte der Woche nahezu alle Verletzten bis auf einen das Klinikum bereits wieder verlassen.